zum Hauptinhalt
„Vertrauensbruch“: Der französische Präsident Emmanuel Macron besucht 2018 mit Australiens Premier Malcolm Turnbull ein U-Boot.
© BRENDAN ESPOSITO/AFP

Nach dem geplatzten U-Boot-Geschäft: Drama-Queen Macron nimmt Nato und Berlin aufs Korn

Macrons Tiraden gehen weit über den Zorn heraus, den der geplatzte U-Boot-Deal rechtfertigt. Die Schlappe hat Frankreich auch selbst zu verantworten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Emmanuel Macron poltert wie Donald Trump. Er ruft die Botschafter aus Australien und den USA zurück. Sein Außenminister Jean-Yves Le Drian wirft Nato-Partnern „Lüge“ und „Vertrauensbruch“ vor. Er stellt die Arbeit am strategischen Konzept in Frage.

Steht die Nato wegen des Konflikts um einen milliardenschweren Rüstungsauftrag schon wieder vor dem „Hirntod“ oder wird „obsolet“? Macron stoppt kurz vor der Drohung mit dem (erneuten) Austritt aus der militärischen Kooperation im Bündnis. Die Tiraden gehen jedoch weit über den Zorn hinaus, den der Verlust des U-Boot- Deals mit Australien rechtfertigt.

Die Rollenwahl einer Drama-Queen muss Deutschland alarmieren. Was ist das Ziel – und was sind die Lehren für die nächste Bundesregierung? Macron verlangt mehr europäische Autonomie in Abgrenzung zur Nato und mehr Unterstützung aus Berlin dafür. Nur: Liegt das auch im deutschen Interesse? Und wie verlässlich ist Paris eigentlich, wenn es hart auf hart kommt?

Frankreich hat die Schlappe zum Großteil selbst verschuldet. Der Anbieter DCNS hat den Kostenrahmen für die U-Boote weit überzogen und vereinbarte Projektabschnitte nicht fristgerecht geliefert. Australien wollte längst aussteigen. Im April hatte es die Folgevereinbarung nicht unterzeichnet.

Die Schlappe ist selbstverschuldet, der Zorn gespielt

Die Franzosen setzten zu lange darauf, dass Australien keine Alternative habe. Amerikaner und Briten waren bisher nicht bereit, ihre Geheimnisse des atomaren U-Boot-Antriebs mit Dritten zu teilen. Diese Hürde ist gefallen. Eine Allianz der Demokratien gegen Chinas Imperialansprüche im Indopazifik hat für Joe Biden und Boris Johnson Priorität.

Macrons Zorn ist teils authentisch, teils gespielt. Mit Blick auf die Wahl im Frühjahr ist es heikel, wenn Jobs in der Rüstungsindustrie entfallen. Die Branche spielt in Frankreich eine größere Rolle als in Deutschland.

Paris hatte kürzlich mehrfach Rüstungsaufträge aus politischen Gründen verloren: Hubschrauber-Deals mit Russland wegen der Sanktionen nach der Annektion der Krim und mit Polen, weil die nationalpopulistische PiS nach ihrem Wahlsieg lieber mit den USA abschloss, als Absprachen der Vorgänger zu honorieren.

Paris fürchtet eine Koalition links der Mitte in Berlin

Da kam der Australien-Auftrag für Diesel-U-Boote gerade recht. Frankreich bekam ihn damals nicht, weil es bessere Dieselantriebe baut als die düpierte deutsche Konkurrenz. Sondern wegen der Option, auf Atomantrieb umzusteigen. Nun obsiegen USA und Großbritannien, weil sie da besser sind.

Mit der harten Wortwahl baut Macron Druck auf, um Kompensation zu erzwingen, etwa durch Beteiligung französischer Werften am neuen Projekt.

Bei der Drohung, die Kooperation in der Nato zu reduzieren, schickt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron - hier mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg - einen Außenminister Jean-Yves Le Drian vor.
Bei der Drohung, die Kooperation in der Nato zu reduzieren, schickt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron - hier mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg - einen Außenminister Jean-Yves Le Drian vor.
© Bertrand Guay/REUTERS

Zugeständnisse will er aber auch von Deutschland. Es geht um die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas bei komplexen Rüstungsprojekten. Ihn ärgern deutsche Alleingänge von der Ablehnung bewaffneter Drohne bis zu den Exportrichtlinien für gemeinsame Rüstungsgüter.

Paris befürchtet zudem, dass Deutschland unter einer Koalition links der Mitte noch weniger Bereitschaft zur militärischen Ertüchtigung Europas zeigt.

Das Transportflugzeug A 400 M zeigt: Europa kann konkurrieren

Noch ist Europa konkurrenzfähig – sofern es seine Ressourcen bündelt und nationale Egoismen zügelt. Das zeigt der Erfolg von Airbus und speziell der des Transportflugzeugs A 400 M. In den Klagen über die angebliche Blamage des Abzugs aus Afghanistan ging unter, dass der A 400 M seine militärischen Stärken dort bewiesen hat.

[Jeden Donnerstag die wichtigsten Entwicklungen aus Amerika direkt ins Postfach – mit dem Newsletter „Washington Weekly“ unserer USA-Korrespondentin Juliane Schäuble. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung]

Solche Erfolge kommen aber nicht von allein. Die Bundesregierung und ihre Nachfolger müssen mehr Energie in die politische Begleitung der Rüstungsprojekte investieren, damit deutsche Interessen keinen Schaden nehmen. Die internationale Lage wird komplizierter und konfrontativer.

Deutsche Interessen: Die Briten in die Militärkooperation zurückholen

Berlin muss auf Paris einwirken, damit Macron seinen Frust nicht am Freihandelsabkommen der EU mit Australien abreagiert. Und Konsultationen mit Franzosen und Briten einleiten, wo die sicherheitspolitische Kooperation nach dem Brexit sinnvoll bleibt.

Der Brexit schafft ganz banale Hindernisse, die den Verantwortlichen oft nicht bewusst sind. Die nächste Generation Kampfjets wollten Briten, Franzosen und Deutsche ursprünglich gemeinsam bauen. Nach dem Brexit wurden zwei Projekte daraus: FCAS (Future Combat Air System) auf dem Kontinent und „Tempest“ auf der Insel.

Die nötige Größenordnung an Aufträgen für internationalen Erfolg ist jedoch nur zu erreichen, wenn Kontinentaleuropäer und Briten ihre jeweiligen Stärken bündeln. Dafür müssen Fachkräfte hin und her pendeln können. Derzeit kann ein Ingenieur vom Kontinent nur in England arbeiten, wenn in aufwändigem Formularkrieg nachgewiesen wird, dass es dort keine Kandidaten für den Job gibt.

Drei Bedingungen für den Erfolg europäischer Projekte

Europa kann eine prägnante Rolle in der globalen Sicherheitspolitik spielen, unter drei Bedingungen. Erstens, nicht gegen die Nato, sondern in Arbeitsteilung mit ihr.

Zweitens, in der Einsicht, dass nationale Eigenheiten, gerade auch die der Deutschen, den gemeinsamen Erfolg nicht behindern dürfen. Drittens, mit klarem Blick dafür, wo man besser ist als die Konkurrenz und wo nicht – samt der Bereitschaft, eine Niederlage als Anbieter des unterlegenen Produkts sportlich zu nehmen.

Zur Startseite