Vor dem G-20-Gipfel: Diskutieren, nicht isolieren
Vor dem G-20-Gipfel macht Merkel ihre Linie im Streit mit Trump über Klimaschutz deutlich. Die Kanzlerin spricht von einem Dissens – strebt aber trotzdem eine gemeinsame Erklärung an
Schon am Morgen im Bundestag ließ Angela Merkel keinen Zweifel daran, dass sie einer Auseinandersetzung mit Donald Trump in einer Woche nicht aus dem Weg gehen will. Beim G-20-Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg seien „keine einfachen Gespräche“ zu erwarten, sagte sie am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Den US-Präsidenten, der spätestens seit seiner Abkehr vom Pariser Klimaabkommen für Merkel zu einem schwierigen Partner auf der internationalen Bühne geworden ist, nannte die Kanzlerin zwar nicht beim Namen. Aber auch so machte die CDU-Vorsitzende deutlich, dass der Streit über die Klimapolitik beim bevorstehenden Treffen der wirtschaftsstärksten Industrie- und Schwellenländer nicht unterm Teppich bleiben wird. „Der Dissens ist offenkundig“, sagte Merkel.
Meinungsverschiedenheiten beim Freihandel
Über Kreuz liegt die Kanzlerin mit Trump indes nicht nur in der Frage des Pariser Klimaabkommens, das sie vor den Abgeordneten als „unumkehrbar“ und „nicht verhandelbar“ bezeichnete. Die Kanzlerin, die in einer Woche in Hamburg als Gastgeberin auftreten wird, setzt sich auch anders als Trump für Freihandel und offene Märkte ein. „Wer glaubt, die Probleme dieser Welt mit Isolationismus und Protektionismus lösen zu können, der unterliegt einem gewaltigen Irrtum“, betonte sie.
Europäer bekennen sich zum Klimaschutz
Gut zwei Stunden nach ihrer Regierungserklärung begrüßte Merkel dann eine ganze Riege ihrer europäischen G-20-Partner aus Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, den Niederlanden, Norwegen und aus Brüssel, die in ihren Limousinen im strömenden Regen vor dem Kanzleramt vorfuhren. Das Signal des Vorbereitungstreffens war unverkennbar: Wenn Trump schon beim Klimaschutz und beim Freihandel nicht mitmacht, so stehen wenigstens die Europäer zusammen. Zuvor war Anfang des Monats während einer Lateinamerika-Reise der Kanzlerin sogar schon darüber spekuliert worden, dass Merkel vor dem Gipfel in Hamburg ein Anti- Trump-Bündnis unter Einbeziehung von Argentinien und Mexiko schmieden wolle.
Allerdings gilt bei G-20-Treffen die Regel, dass Abschlusserklärungen einstimmig verabschiedet werden müssen. Ob der Gipfel beispielsweise eine substanzielle Erklärung zum Klimaschutz enthält, wird daher nicht zuletzt vom Geschick der Unterhändler, der sogenannten Sherpas, abhängen. Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen gestalten sich die Vorarbeiten für die Erklärung sehr schwierig.
Weil aber Trump bei dem Vorbereitungstreffen der Europäer am Donnerstag naturgemäß nicht dabei war, hatten Merkel und Co. im Kanzleramt die Möglichkeit, ihre Vision von der Hamburger Gipfelerklärung zu entwerfen. Die Begegnung der Europäer habe deutlich gemacht, „dass wir alle zum Pariser Abkommen stehen“, sagte Merkel hinterher. Dies bestätigte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der bei der gemeinsamen Pressekonferenz zur Rechten Merkels Platz nahm. Alle Anwesenden hätten ihre „sehr starke Unterstützung für die Vereinbarung von Paris“ bekräftigt, sagte Macron.
Niederländische Premier Rutte: Nicht alle profitieren von Globalisierung
Mit Blick auf den Welthandel, wo sich ebenfalls eine intensive Debatte mit den USA in Hamburg anbahnt, forderte Merkel einen „Kampf gegen Abschottung“. Gleichzeitig mahnte sie aber auch ein „regelbasiertes“ Vorgehen an. Was dies bedeutet, erläuterte der niederländische Regierungschef Mark Rutte. Als Vertreter einer Exportnation sei er sich bewusst, dass der grenzüberschreitende Handel Arbeitsplätze und Wachstum schaffe, sagte er. Allerdings profitierten nicht alle Bürger gleichermaßen von den „Früchten der Globalisierung“, fügte er hinzu.
SPD fordert "19:1-Allianz" gegen Trump
Auf Spekulationen, dass die Gipfelteilnehmer in Hamburg wegen des Widerstandes der USA beim Klimaschutz ohne die USA eine eigene Erklärung verabschieden könnten, wollten weder Merkel noch Macron eingehen. Beim G-20-Treffen wolle man mit Trump „gemeinsame Lösungsmöglichkeiten finden“, erklärte die Kanzlerin. Auch Macron meinte, es sei „nutzlos“, einzelne Staaten zu isolieren.
In der SPD sieht man dies indes anders. Im Bundestag hatte Fraktionschef Thomas Oppermann am Morgen noch die Kanzlerin dazu aufgefordert, Trump in Hamburg gewissermaßen die rote Karte zu zeigen. „Wir haben die klare Erwartung, dass Sie in der Klimafrage eine 19:1-Allianz gegen den Kurs von Trump zustande bringen“, forderte er.
Gegen ein solches Vorgehen spricht allerdings, dass es jenseits der Differenzen beim Klimaschutz durchaus etliche Themen gibt, bei denen die USA im Kreis der G-20-Staaten mitziehen. So erklärte Merkel, sie sei „sehr optimistisch“, dass man mit dem US-Präsidenten beim Anti-Terror-Kampf sowie der weltweiten Entwicklungs- und Gesundheitspolitik eine gemeinsame Linie finden werde. Ähnlich äußerte sich auch Macron. Der Staatschef hat Trump zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli nach Paris eingeladen. Und der US-Präsident hat zugesagt.