Vor Beginn der Nahost-Gespräche: Diskreter Auftakt in Washington
In Washington beginnen die Nahost-Gespräche. Die Unterhändler Saeb Erekat und Zipi Livni könnten Geschichte schreiben. Ein erstes Zusammentreffen verlief nach US-Angaben positiv.
In Washington sollten sich zwei Menschen gegenübersitzen, die Geschichte schreiben könnten. Nach mehr als drei Jahren Pause starteten dort Israelis und Palästinenser neue Gespräche zur Lösung des Nahostkonflikts. Während die Welt für gewöhnlich auf die Machtspielchen zwischen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sowie Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schaut, haben im Verhandlungszimmer nun zwei die Möglichkeit, besonnen miteinander zu sprechen: die Unterhändler. Das erste Zusammentreffen verlief nach US-Angaben konstruktiv und produktiv.
„Es war ein konstruktives und produktives Treffen der beiden Parteien“, sagte ein Vertreter des US-Außenministeriums nach dem rund 90-minütigem Essen. Sie seien mit gutem Glauben und ernsthaften Absichten in das Treffen gegangen.
Der Auftakt in der US-Hauptstadt verlief äußerst diskret. Beide Seiten äußerten sich nicht öffentlich, TV-Kameras waren nicht präsent. Die Gespräche sollten am Dienstagmorgen (Ortszeit/1615 MESZ) fortgesetzt werden. Kerry wollte dann auch mit den israelischen und palästinensischen Verhandlungsführern vor die Presse treten. US-Präsident Barack Obama äußerte sich nur verhalten optimistisch zu den Unterredungen. „Das ist ein vielversprechender Schritt voran, doch es stehen weiterhin harte Arbeit und harte Entscheidungen bevor“, erklärte er. Ähnlich äußerte sich Kerry: „Ich weiß, dass die Verhandlungen hart sein werden, doch ich weiß auch, dass die Folgen, es nicht zu versuchen, schlimmer sein könnten.“ Wenn beide Seiten kompromissbereit seien, „dann ist Frieden möglich“, meinte Kerry im Vorfeld.
Ein Vertrauter Arafats
Doch wer verhandelt eigentlich? Da ist auf der einen Seite Saeb Erekat. Der 58-Jährige ist Chefunterhändler der Palästinenser und hätte allen Grund, Groll gegen Israel zu hegen. Mit 13 geriet er das erste Mal in israelische Gefangenschaft. Mit dem Krieg und der anschließenden Besatzung 1967 verlor seine Familie alles. Doch Erekat ist vor allem Pragmatiker mit starken Bindungen in die USA. „Gewinnen können wir nur mit Verhandlungen“, sagte er 2006 fast ein wenig stur. Sein Aktivismus für den Frieden, der 1982 mit kleineren Artikeln für die palästinensische Tageszeitung „Al Quds“ (Jerusalem) begann, ist zu seiner Lebensaufgabe geworden. 1996 handelte er die Osloer Verträge mit aus. Als der Mann, „der ziemlich genau das tut, was Arafat von ihm verlangt“, wie es der diplomatische Korrespondent der „Jerusalem Post“, Leslie Susser, einmal ausdrückte.
Die Frage ist nun, welchen Gestaltungsspielraum Erekat unter Abbas hat, dessen politische Entscheidungen er mehrfach angezweifelt hatte. Als Vertreter einer Zwei-Staaten-Lösung mit einem säkularen Staat Palästina lehnte Erekat anders als Abbas jede Zusammenarbeit der gemäßigteren Fatah mit der radikalislamischen Hamas ab. Israel hatte die Verhandlungen auch deshalb ausgesetzt, weil es die Hamas nicht als Verhandlungspartner anerkannte. Die wiederum spricht Israel das Existenzrecht ab – ideologische Kämpfe, für die Erekat kein Verständnis hat. Hamas und die israelische Regierung bräuchten den Hass aufeinander, weil sie insgeheim gar keine Verhandlungen wollten, sondern auf eine militärische Lösung hofften, bemerkte Erekat beim Weltwirtschaftsforum 2007.
Netanjahu hat das letzte Wort
Bei den Verhandlungen sitzt ihm nun aber eine Frau gegenüber, der er diesen Vorwurf nicht machen kann. Denn das größte Pfund von Zipi Livni ist ihre Glaubwürdigkeit. Wie wenige andere israelische Politiker verkörpert sie geradezu die Bereitschaft, mit den Palästinensern Frieden zu schließen. Die 55-Jährige hat die Wiederaufnahme der Gespräche sogar zu ihrem Programm gemacht – persönlich wie politisch. Und das schon seit einigen Jahren, trotz aller Rückschläge. 2008 zum Beispiel war ein Abkommen, das sie als Außenministerin maßgeblich ausgehandelt hatte, zum Greifen nah. Doch letztlich scheiterte ein Neubeginn der Beziehungen zwischen beiden Völkern.
Der Stern der als ehrgeizig geltenden Politikerin begann zu sinken. Nach den Wahlen von 2009 schlug sie Benjamin Netanjahus Angebot aus, in seine Regierung einzutreten. Livni schenkte den Worten des Likud-Chefs keinen Glauben, ernsthaft mit den Palästinensern verhandeln zu wollen. Dann schon lieber auf der Oppositionsbank Platz nehmen. Die erwies sich allerdings als ziemlich hart. Anfang 2012 unterlag die Frau, die einst beim Geheimdienst Mossad arbeitete, im Machtkampf um die Führung der Kadima-Partei. Daraufhin zog sich Livni für einige Monate ganz aus der Politik zurück, um dann zur Wahl 2013 mit der von ihr gegründeten Partei „Die Bewegung“ anzutreten. Dass sie programmatisch die Lösung des Nahostkonflikts in den Vordergrund stellte, brachte ihr indes nur wenige Stimmen ein. Dennoch holte Netanjahu die ausgebildete Juristin als Justizministerin in sein Kabinett – und als Beauftragte für die Verhandlungen mit den Palästinensern.
Dass Livni den Frieden wirklich will, steht außer Frage. Doch ob ihre Vollmacht für weitgehende Konzessionen ausreicht, werden erst die kommenden Monate zeigen. Denn Netanjahu hat bereits gleich nach seinem Amtsantritt klargemacht, wer das letzte Wort in Sachen Frieden haben wird: er selbst. (mit AFP)