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Pendeldiplomatie: US-Außenminister Kerry (links) traf sich mehrfach mit Mahmud Abbas (rechts) und israelischen Vertretern.
© Reuters

Nahost-Friedensgespräche: Neustart mit Fragezeichen

US-Außenminister Kerry hat Israelis und Palästinenser zum Verhandeln gebracht. Doch die Probleme sind enorm: Nach wie vor geht es um den Grenzverlauf zwischen Israel und einem Staat Palästina, die Zukunft der bereits bestehenden Siedlungen und Gefangene.

US-Außenminister John Kerry hatte investiert, viel Hartnäckigkeit und Einfallsreichtum. Am Ende hatten die Beteiligten kaum eine andere Wahl, als Ja zu sagen zu seinen Bemühungen: Palästinenser und Israelis sind nun wieder am Verhandlungstisch.

Dabei schienen die Forderungen anfangs unüberwindlich: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verlangt nach wie vor die Einstellung allen Siedlungsbaus auf israelischer Seite, Freiheit für alle palästinensischen Häftlinge, die seit mehr als 20 Jahren – also noch vor dem Osloer Abkommen – in israelischen Gefängnissen einsitzen, und die Grenzziehung auf der Basis der Linien von 1967, als Israel die palästinensischen Gebiete besetzte. Führende Palästinenser- Politiker haben bereits angekündigt, ihr Chefunterhändler Saeb Erekat werde erst dann nach Washington reisen, wenn diese Themen zur Zufriedenheit der Palästinenser schriftlich abgeklärt seien. Bisher gebe es nur Kerrys mündliche Zusagen.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat erneut angekündigt, im Westjordanland und in Ostjerusalem zu bauen. Sein Minister für internationale Beziehungen, Yuval Steinitz, der neben ihm als einziges Regierungsmitglied des Likud für die Zwei- Staaten-Lösung eintritt, gab am Samstag immerhin zu, dass sich Israel zur Freilassung einiger langjähriger Häftlinge verpflichtet habe – im Rahmen der Verhandlungen und phasenweise. Zuletzt war die Rede von 40 Namen gewesen, doch die Palästinenser bestehen auf allen 104 Langzeitgefangenen.

Die künftige Grenze - nach wie vor ein Politikum

Dass die künftige Grenze zwischen einem noch zu bildenden Staat Palästina, vielmehr dem palästinensischen Westjordanland, und Israel auf der Basis der 67er-Linien erfolgen wird, scheint jedermann klar. Weil dies aber keineswegs für alle Israelis akzeptabel ist, wagt Netanjahu nicht, dies offen einzugestehen. Wirtschaftsminister Naftali Bennett, Chef des nationalistisch-religiösen „Jüdischen Hauses“, des drittgrößten Koalitionspartners, drohte noch am Mittwoch mit dem Austritt aus der Regierung, wenn in den Verhandlungen auch nur von den Grenzen von 1967 gesprochen werde. Schließlich gab er, vorläufig, klein bei und drohte mit der Regierungskrise nur noch für den Fall, dass eine Einigung über die Grenzziehung – aus seiner Sicht Gebietsverzicht – zustande käme. Abbas wiederum will endgültige Grenzen für seinen künftigen Staat und es nicht bei provisorischen belassen. Denn das würde aus seiner Sicht einen provisorischen Staat bedeuten.

Hingegen scheint auch den Palästinensern klar, dass ihr künftiger Staat weitestgehend entmilitarisiert sein wird – sofern man sich auf einen Staat Palästina tatsächlich einigen sollte. Doch Israel fordert zudem Kontrollstellungen im Westjordanland und vor allem, unannehmbar für die Palästinenser, eine ständige oder doch sehr langfristige Militärpräsenz im Osten der Westbank, entlang des Jordanflüsschens gegenüber dem Königreich Jordanien.

Umgang mit bestehenden Siedlungen

Existenzielle Fragen im Zusammenhang mit Grenzziehung und Sicherheitsvorkehrungen, insbesondere diejenige nach den mehreren Dutzend jüdischer Siedlungen außerhalb der Siedlungsblöcke, sind und bleiben wohl langfristig ungeklärt: Ob die Siedlungen geräumt oder zerstört werden, ob sie als israelische Exklaven in einem palästinensischen Staat bleiben oder als Fremdkörper Teil dieses Staats. Und wer – falls es sie weiter gibt – ihre Sicherheit garantiert.

Mahmud Abbas und Benjamin Netanjahu sind bei den neuen Verhandlungen auf schnelle Erfolge angewiesen, denn beide stehen mit dem Rücken zur Wand. Abbas allerdings wird es schwerfallen zu liefern: Den Gazastreifen, integraler Bestandteil eines künftigen Palästina-Staates, hat die islamistische Hamas seiner Kontrolle entzogen. Der wohl bekannteste arabische Kolumnist, der Ägypter Anis Mansur, beschrieb am Freitagmorgen – also am Tag, an dem Kerry der Durchbruch gelang – das Dilemma so: Wenn Abu Mahsen, also Abbas, Verhandlungen aufnehme, werde er es bedauern. Wenn er sich ihnen aber verweigere, werde sein Bedauern noch viel größer sein.

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