Migranten und Politik: Diese Parteien wählen Einwanderer
Politisch sind Migranten nicht viel anders als andere Deutsche. Für Politik interessieren sich in beiden Gruppen gut zwei Drittel, sagt eine neue Studie.
Immer mehr Daten über Deutschlands neue Bürgerinnen und Bürger: Einen Tag nach Veröffentlichung einer Untersuchung über Leben und Werte von Flüchtlingen - der Tagesspiegel berichtete - haben die Forscher des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) am Mittwoch ihre Erkenntnisse vorgestellt, wie Migranten mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft wählen oder wählen würden, wenn sie dürften.
Die Mehrheit ist links
Dabei stellte der SVR erstmals eine Mehrheit links der Mitte fest. Die SPD erhielte von Migranten 40,1 Prozent der Stimmen, die Grünen 13,2 und die Linke 11,3 Prozent. CDU und CSU sind für 27,6 Prozent die Parteien der Wahl. Während Menschen mit türkischem Migrationshintergrund unverändert der SPD die Treue halten - bei ihnen kämen die Sozialdemokraten auf fast 70 Prozent - bröselt die einst enge Bindung der Spätaussiedler an die Unionsparteien. Die Union ist zwar mit 45 Prozent immer noch ihre bevorzugte Partei, aber der Wert ist gefallen. Zwischen 2000 und 2008 lag er noch durchschnittlich bei 65 Prozent. Ein Viertel würde SPD wählen und 11,5 Prozent die Linke. Das ist Platz drei der Parteienpräferenz der Spätaussiedler und mehr als im Schnitt der Deutschen ohne Migrationshintergrund, von denen 8,9 Prozent die Linke als ihre Partei bezeichnen.
Osteuropäer mögen die CDU
Lieblingspartei der Einwanderer, die nach 2000 nach Deutschland kamen - die meisten aus Osteuropa - ist mit 42,3 Prozent die Union, EU-Bürger, die vor diesem Jahr kamen, würden sie nur zu 29 Prozent wählen und geben der SPD (41,3 Prozent) den Vorzug. Der Rest der Welt ist deutlich links verortet, bei ihnen kommt die Union nicht einmal auf 20 Prozent und neben der SPD haben auch Grüne (16,9) und Linke (15,4) Erfolg bei Einwanderern von außerhalb Europas. Die Untersuchung, für die der SVR seine Befragung zum Integrationsbarometer dieses Jahres mit 5400 Befragten auswertete, galt dabei einer langfristigeren Vorliebe für eine Partei, sie liefert keine Antwort auf die sogenannte Sonntagsfrage ("Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Wahl wäre?"), die auch taktische, kurzfristige oder einmalige Wahlentscheidungen abbildet.
Sichtbare Minderheiten zieht es nach links
Was Menschen von außerhalb Deutschlands bewegt, einer bestimmten Partei den Vorzug zu geben, kann auch der SVR nicht klären. Parteien- und Wahlforschung lassen diese große Gruppe bisher weitgehend links liegen, kritisieren die Sachverständigen. Und die Parteien wissen nicht einmal, wieviele Mitglieder mit Migrationshintergrund sie haben - keine Partei zählt sie, aber nach nichtrepräsentativen Untersuchungen liegt ihre Zahl deutlich unter den inzwischen 21 Prozent Anteil an der deutschen Wohnbevölkerung. "Wir haben einen ersten Versuch gemacht, diese Lücke zu schließen", sagt Cornelia Schu, die Direktorin des SVR-Forschungsbereichs. Für die Treue der türkischen Migranten zur SPD lässt sich deren mehrheitliche Herkunft aus der Gastarbeitergeneration vermuten, der wohl auch für andere kleinere Migrantengruppen wie Italiener, Jugoslawen, Griechen gelte. Die stärker linke Verortung von Migranten aus nichteuropäischen Familien erklären sich die SVR-Fachleute damit, dass sie oft sichtbaren Minderheiten angehören, also als Afrikanerinnen oder Asiaten erkennbar sind und sich damit eher von Parteien angezogen fühlen, deren Programm eher multi- als monokulturell orientiert sei.
Özoguz: Man kommt zur Partei, die einen einlädt
Der SVR rät den Parteien, sich stärker um Migranten zu kümmern - nicht nur, weil sie, die Grünen ausgenommen, zwischen 1990 und 2015 etwa die Hälfte ihrer Mitglieder verloren haben Es handle sich auch um ein wachsendes Wählerpotenzial von aktuell immerhin 17 Millionen Menschen, Tendenz steigend. Viele könnten und würden sich einbürgern lassen: "Aus Parteipräferenzen von Zuwanderern werden früher oder später Stimmen von Zuwanderer, die wahlentscheidend sein könnten", heißt es im Text. Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, sagte bei Vorstellung der Studie, dass die Entscheidung für eine Partei dabei nicht automatisch von Übereinstimmung mit deren Zielen ausgelöst werde. Auch die Generation ihrer Eltern sei vor allem "zu der Partei gegangen, die sie eingeladen hat zu kommen" - damals vor allem die SPD.
Problem Frauen und Politik
Dass Migranten politisch womöglich weniger interessiert seien, schließt die SVR-Studie aus: Knapp 70 Prozent von ihnen äußern politische Vorlieben, genauso oft wie Deutsche ohne Migrationshintergrund. Schon das könne man als Zeichen für grundsätzliches politisches Interesse sehen, sagt Cornelia Schu. Die Studie gibt auch praktische Hinweise, wie die Parteien Migranten anziehen könnten: Sie sollten deren Interessen auf ihren Internetportalen berücksichtigen, für Neuankömmlinge auch mehrsprachig. Sie sollten sie als Multiplikatoren in ihren Communities, aber auch als Ideengeber aktiv umwerben und in ihre Arbeit einbeziehen. Und sie sollten sich um die Frauen kümmern - in der Daten tut sich nämlich eine Kluft zwischen den Geschlechtern auf: Bei Spätaussiedlern wie bei türkischen Migranten äußerten nur etwas über 60 Prozent der Frauen politisches Interesse - abzulesen an ihrer Bevorzugung einer Partei - bei den Männern dagegen fast 80 Prozent. Das bedeute jedoch nicht zwangsläufig einen echten Mangel an politischem Interesse: "Es könnte auch sein, dass sie von den Parteien nicht dort abgeholt werden, wo sich ihre Lebenswirklichkeit abspielt."
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