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German Environment Minister Barbara Hendricks attends the weekly cabinet meeting at the chancellery in Berlin, Germany, January 20, 2016. REUTERS/Hannibal Hanschke
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Barbara Hendricks in der digitalen Bürgersprechstunde: "Die Zukunft wird elektrisch sein"

Die Umweltministerin beantwortet Bürgerfragen zum Klimagipfel, zur Unterbringung von Flüchtlingen und zur Mobilität der Zukunft.

Barbara Hendricks (SPD) ist gut gelaunt. Die Umwelt- und Bauministerin ist am Mittwochnachmittag zur digitalen Bürgersprechstunde ins Studio der Berliner Nicht-Regierungsorganisation politik-digital.de gekommen. Eine dreiviertel Stunde lang hat sie Fragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet, die beim Portal Politik-Digital eingegangen sind, oder beim Tagesspiegel, der als Medienpartner mit dabei war.

Die erste Frage hatte der ebenfalls zugeschaltete und von Politik-Digital zugeschaltete Landauer Student Benjamin Grau. Er fragte nach dem Erfolg der Klimakampagne des Umweltministeriums "Zusammen ist es Klimaschutz". Im Politik-Sprech nennt sich die Kampagne kurz einfach ZieK. Die Kampagne richtet sich vor allem an junge Leute und will dazu ermutigen, sich selbst klimafreundlich zu verhalten. Beispielsweise "öfter mal das Fahrrad zu nehmen" oder "bewusster zu essen". Die zweite Runde der Kampagne ist vor dem Klimagipfel in Paris (COP21) ins Netz gestellt worden. Hendricks berichtete, dass der Schauspieler Hannes Jänicke ein Video zu den Ozeanen gesprochen hat und Hannelore Elsner eines zur Natur. "Das war einfach gut", fand sie. Und Benjamin Grau war zufrieden.

Der Pariser Klimagipfel und seine Ergebnisse

Live dabei waren auch Absolventen des Climate Kic, in dem Studenten, junge Unternehmer und Klimaforscher gemeinsam Klima-Start-ups unterstützen. Sie interessierten sich vor allem für die Ergebnisse des Pariser Klimagipfels, der am 12. Dezember 2015 mit einem neuen globalen Vertrag endete. Die Studenten wollten wissen, wie denn eigentlich in Paris verhandelt worden ist. Eher deutsch oder europäisch? Barbara Hendricks berichtete, dass die Europäische Union verhandelt habe, und dass sie selbst auch Teil-Themen für die EU verhandelt hatte. Die Klimapolitik gehört zu den vergemeinschafteten Politikfeldern, das heißt, die Europäische Union legt gemeinsame Klimaziele vor und verhandelt sie auch gemeinsam. Allerdings steht Deutschland dabei besonders unter Beobachtung, "weil schon mit hoher Aufmerksamkeit " verfolgt werde, wie das Industrieland Deutschland seine Energiewende schaffe. Hendricks berichtete vom geplanten und stattfindenden Technologietransfer beispielsweise Erneuerbare Energien nach Afrika.

Die Studenten wünschen sich zudem mehr Investitionen in "Innovationsforschung". Da hat das Umweltministerium auch etwas zu bieten, sagte Hendricks. Das Umweltinnovationsprogramm des BMUB fördert Unternehmen dabei, klima- und umweltfreundlichere Technologien in der laufenden Produktion zu entwickeln - und dann andere Firmen der gleichen Branche weiterzugeben.

Wenn aber der Klimawandel so dramatisch sei, wie behauptet, was habe die Regierung denn dann an "radikalen und sofort wirksamen Maßnahmen" zu bieten, wollte der Tagesspiegel-Leser Michael Deike wissen. "radikal und sofort wirksam wird recht teuer", meinte Hendricks. Aber "zögern dürfen wir auch nicht". Die Ministerin geht davon aus, dass für den Umbau des Energiesystems noch rund 35 Jahre zur Verfügung stünden. Aber beginnen müsse er jetzt.

Der Kohleausstieg

Auf die Frage nach dem Kohleausstieg sagte Hendricks, dass der bis 2050 auf jeden Fall abgeschlossen sein müsse. Sie halte auch einen Ausstieg bis 2040 für sozialverträglich möglich. Hendricks wies auf den Klimaschutzplan 2050 hin, der gerade mit ausführlicher Bürgerbeteiligung erarbeitet werde. Darin werde ein solcher "Kohleausstiegspfad" auch beschrieben, sagte Hendricks. Auf die Frage, wie die Energieeffizienz der Häuser gesteigert werden könne, verwies die Ministerin auf die rund zwei Milliarden Euro, die jährlich über die bundeseigene KfW-Bank in dieses Feld investiert werden.

Die "Droge Mobilität"

Ein weiterer Tagesspiegel-Leser wollte wissen, was die Ministerin der "Droge Mobilität" entgegen zu setzen habe. Hendricks verwies darauf, dass viele junge Menschen gar kein eigenes Auto mehr hätten und es auch nicht mehr wollten. Stattdessen fahren sie Fahrrad. Das Electro-Fahrrad und das Elektro-Auto spielten ebenfalls eine wichtige Rolle und Elektro-Scooter wie sie beispielsweise die Deutsche Post bereits einsetze. "Die Zukunft wird elektrisch sein", sagte Hendricks, auch beim Heizen und bei der Mobilität. Hendricks forderte zudem, die Fernbusse mit Mautgebühren zu belegen. Die Bahn habe ihre Fernstrecken auf Ökostrom umgestellt und müsse für den Bau und die Erhaltung des Schienennetzes selbst aufkommen, aber die Konkurrenz der Fernbusse müsse "für die Nutzung der Infrastruktur" überhaupt nicht aufkommen, kritisierte sie. Um das Fahrradfahren vor allem im Alltag noch attraktiver zu machen, wird auch das Umweltministerium in die "Finanzierung von Radwegen einsteigen", sagte die Ministerin.

Das Bauprogramm und die Flüchtlinge

Auch ohne den Zuzug der Flüchtlinge "bräuchten wir rund 275 000 neue Wohnungen in den Ballungsräumen im Jahr", sagte Hendricks. Um nicht nur die neuen Stadtbewohner, die aus Kleinstädten und Dörfern auf dem Land in die Städte ziehen, sondern auch die Flüchtlinge unterzubringen, seien sogar mindestens 350 000 neue Wohnungen im Jahr nötig, sagt die Ministerin. Im vergangenen Jahr seien immerhin 270 000 neue Wohnungen gebaut worden. Der Tiefstand sei 2009 mit lediglich 160 000 neuen Wohnungen erreicht gewesen. Auf die Frage von Steffen Wetzel von Politik-Digital, ob angesichts des Leerstands in vielen ostdeutschen Städten denn tatsächlich immer neu gebaut werden müsse, antwortete Hendricks: "Nein, natürlich nicht." Aber der Leerstand ist sehr verschieden verteilt im Land. Während in Hamburg lediglich etwa ein Prozent der Wohnungen leer stehe, seien es in Sachsen-Anhalt knapp 20 Prozent. Tatsächlich würde das Geld zum Abriss in den Kleinstädten, die Einwohner verlieren, nun allerdings nicht dafür ausgegeben sondern zur "Herrichtung von Wohnungen" für Flüchtlinge. Und solange diese keine Arbeit hätten, sollten sie auch zunächst einmal dort bleiben, wo es Wohnungen - aber keine Arbeit - gibt, sagte Hendricks.

Sie begründete, warum sie nicht auf Bauvorgaben und Effizienzvorschriften für dieses Neubauprogramm verzichten will: "Diese neuen Wohnungen werden das Gesicht unserer Städte in den kommenden 80 Jahren prägen." Damit antwortete sie auf den Tagesspiegel-Leser Klaus Zahn, der sich vor den "Fehlern der 1970er Jahre" beim schnellen Bau von Wohnungen fürchtet. Da hat er die Ministerin offenbar auf seiner Seite.

Die Sicherheit der belgischen Atomkraftwerke

Barbara Hendricks weiß, dass vor allem die Leute in der Nähe von Aachen gar nicht damit zufrieden sind, dass die umstrittenen belgischen Atomkraftwerke wieder am Netz sind - und oft genug auch wieder abgehängt werden müssen, weil ständig neue Probleme auftreten. Aber eine europäische Atomaufsicht wäre aus ihrer Sicht keine Lösung, weil dann das Sicherheitsniveau gewiss unterhalb der deutschen Wünsche bliebe, vermutete sie. Sie habe dem belgischen Innenminister einen Fragenkatalog geschickt, auf den sie demnächst eine Antwort erwarte. Dann werde sie in Verhandlungen eintreten. "Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass die Atomkraftwerke dann stillgelegt werden", sagte sie.

Plastiktüten und Feinstaub

Wann sie denn endlich etwas gegen die Plastiktütenflut unternehmen wolle, wollte der Tagespiegel-Leser Werner Müller wissen. Hendricks verwies auf ihre Bemühungen, mit dem Einzelhandelsverband eine freiwillige Selbstverpflichtung abzuschließen. Der sei durchaus geneigt, da mit zu machen, damit Deutschland seinen Pro-Kopf-Verbrauch von 70 auf 40 Plastiktüten im Jahr reduzieren kann. Aber vor allem die Textilhändler seien davon noch nicht überzeugt, meinte sie. "Sollte es bis Mitte des Jahres keine Lösung geben, muss ich eine ordnungsrechtliche Lösung finden", sagte Hendricks.

Und in Sachen Feinstaub-Alarm in Stuttgart wies die Ministerin darauf hin, dass die Kommunen das Recht hätten, auch Fahrverbote auszusprechen, wenn ihnen die Luft weg bleibt. Die Rahmenregelung dafür gebe es. Die Lage sei allerdings in den Städten sehr verschieden. Am schwersten hätten es wohl Stuttgart und Leipzig, die Feinstaubwerte in der Stadt auf ein verträgliches Maß zu mindern. In Stuttgart ist vor allem die Kessellage schuld, sagte Hendricks. Aber die Städte sind der Luftverschmutzung nicht wehrlos ausgeliefert. Stuttgart hat es in dieser Woche mit Appellen an einen freiwiligen Verzicht aufs Auto versucht. Selbst der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn schreckt vor Fahrverboten offenbar noch zurück.

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