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Teilnehmerinnen einer Trauerfeier für den getöteten General Soleimani vor einer satirischen Zeichnung der Freiheitsstatue
© dpa/AP/Vahid Salemi

Konflikt zwischen USA und Iran: Die Zeichen stehen erst einmal auf militärische Zurückhaltung

Der Raketenangriff des Iran auf US-Stützpunkte ist – so paradox es scheint – ein Zeichen der Deeskalation. Beide Seiten wahren ihr Gesicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Iran sendet mit seinem Vergeltungsschlag auf US-Stützpunkte im Irak widersprüchliche Botschaften – alles in allem aber ein Signal der Deeskalation. Als hätten sie sich abgesprochen, betonten Außenminister Mohammed Dschwad Sarif und Präsident US-Präsident Donald Trump nach den Raketenangriffen: Wir wollen keine Zuspitzung, schon gar nicht offenen Krieg.

Nun besteht die Chance, den riskanten Konflikt zwar nicht zu befrieden, aber auf ein niedrigeres Niveau von Nadelstichen und Feindseligkeiten zurückzuführen, das sich diplomatisch unter Kontrolle halten lässt.

Einerseits wollte Iran den USA einen starken Schlag in dem unerklärten Kleinkrieg versetzen, um dem Volkszorn über die Tötung von ihrem General Qassem Soleimani Ausdruck zu verleihen. Andererseits war Teheran darauf bedacht, amerikanische Opfer zu vermeiden, um keinen US-Gegenangriff zu provozieren und es Präsident Trump zu ermöglichen, nicht erneut militärisch zu reagieren.

Iran hatte die Regierung in Bagdad vorab über mögliche Ziele informiert – wohl wissend, dass damit das US-Militär im Irak vorgewarnt war und sich schützen konnte. Tatsächlich gab es keine amerikanischen Opfer.

Angriff auf US-Botschaft war Überschreiten der „roten Linie“

Ein Signal der Stärke waren die Mullahs ihrer Bevölkerung schuldig, auch aus Selbsterhaltungstrieb angesichts der Massenproteste in den Wochen zuvor wegen Wirtschaftskrise und steigenden Benzinpreisen. Erstmals feuerte der Iran Dutzende Raketen vom eigenen Boden auf US-Ziele und bekannte sich dazu. Zuvor hatte er in der Regel verbündete Schiitenmilizen im Irak, in Syrien, im Libanon zuschlagen lassen und unterstützt, aber die eigene Verwicklung abgestritten.

Zwei der vielen Botschaften in den jüngsten Feindseligkeiten beunruhigen und stellen Teherans ansonsten wohlüberlegte Risikoabschätzung infrage. Vor den Militärstützpunkten hatte der Iran eine US-Vertretung attackiert. Der vorsätzliche Angriff auf diplomatische Niederlassungen ist ein Tabu im Völkerrecht. Der Überfall auf die US-Botschaft in Bagdad war der entscheidende Schritt in der jüngsten Eskalation. Die Mullahs mussten wissen, welche Emotionen dies mit Blick auf die traumatische Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 auslöst. Dennoch hat Teheran erneut diese „rote Linie“ überschritten.

Zweitens entschied sich der Iran bei der Zielauswahl der Raketenangriffe für Stützpunkte, auf denen neben irakischem und US-Militär Soldaten europäischer Länder stationiert sind, die Teheran in diesem Konflikt auf seine Seite ziehen möchte. Darunter die Bundeswehr. Oder ist es umgekehrt: Die Mullahs kalkulieren kühl und zutreffend, dass Deutschland sich selbst dann nicht gemeint fühlt, wenn seine Soldaten mit Raketen beschossen werden? Das wäre erst recht beunruhigend.

Beide Seiten wahren ihr Gesicht

Für den Moment gönnen sich der Iran und die USA gegenseitig Gesichtswahrung. Trump hat einmal scharf zugeschlagen und kann nun gelassen bleiben. Er bekräftigt, er werde nicht zulassen, dass der Iran Atomwaffen baut. Auf einen besseren Vertrag mit diesem Ziel sollten Berlin, Paris und London ihre Diplomatie konzentrieren. Die Mullahs können behaupten, sie hätten mit Stärke reagiert. Zugleich haben sie US-Opfer vermieden, was sie nach innen mit der Propagandalüge verdecken, sie hätten 80 US-Bürger getötet. Im Mittleren Osten gehören solche Vexierbilder, die man analytisch entwirren muss, zur Tagesordnung. Westliche Öffentlichkeiten sind weniger geübt im Enträtseln.

Risiken bleiben. Voran die Frage, ob der Grund für den Absturz eines ukrainischen Flugzeugs bei Teheran während der Angriffe technisches Versagen war, wie der Iran vorschnell behauptet, oder ein versehentlicher Abschuss beim ersten Masseneinsatz der iranischen Raketen? Nach den vielen Toten durch eine Panik bei den Trauerzeremonien für Soleimani wäre dies ein schwerer Rückschlag für den Iran mit unkalkulierbaren Folgen. Im Ukrainekrieg hatte der Abschuss eines Passagierjets durch prorussische Milizen die internationale Stimmung gegen Moskau gewendet. Auch die inneren Machtkämpfe in Teheran bleiben eine Gefahr für die Entspannung. Ajatollah Chamenei kündigt, anders als Außenminister Sarif, weitere Racheakte an.

Dennoch, fürs Erste stehen die Zeichen auf militärische Zurückhaltung. Eine selten gute Nachricht vom Golf.

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