Ampel oder Jamaika?: Die wichtigsten Koalitionsaussagen im Überblick
Nach der Bundestagswahl sehen sowohl SPD als auch Union den Regierungsauftrag bei sich. Doch was wirklich möglich ist, hängt von der FDP und den Grünen ab.
Nach den ersten Prognosen zur Bundestagswahl 2021 am Sonntagabend verorteten nicht nur die SPD, sondern auch die CDU/CSU den Auftrag zur Regierungsbildung bei sich. Sowohl Olaf Scholz als auch Armin Laschet wollen Koalitionsgespräche mit anderen Parteien starten.
Laut aktueller Hochrechnung des ZDF liegen die Sozialdemokraten bei den Wahlergebnissen mit 26,0 Prozent knapp vor der CDU/CSU mit 24,5 Prozent. In der ARD-Hochrechnung sieht es ähnlich aus. Scholz zufolge deute dies daraufhin, dass die Bürgerinnen und Bürger eine von ihm geführte Regierung in Deutschland wollen. „Dem fühle ich mich auch sehr verpflichtet“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz dem ZDF. Zu möglichen Koalitionskombinationen machte der SPD-Kanzlerkandidat jedoch keine konkrete Aussage. Es müsse erst innerhalb der Partei besprochen werden, mit welchen möglichen Partnern man sondieren wolle, teilte Scholz in der sogenannten Elefanten-Runde mit.
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Trotz der mehrprozentigen Verluste der CDU/CSU bei der Wahl zeigte sich Armin Laschet optimistisch, eine konservativgeführte Koalition aufstellen zu können. „Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung“, sagte Laschet im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. „Deshalb werden wir alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden. Deutschland braucht jetzt eine Zukunftskoalition, die unser Land modernisiert.“ Für eine „Zukunftskoalition“ der Union mit den Grünen und der FDP sprach sich auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak im Laufe des Abends aus.
Derzeitigen Umfragen des ZDF zufolge befürworten 55 Prozent der Deutschen eine Bundesregierung unter Führung der SPD. 36 Prozent der Befragten unterstützen wiederum eine von der Union geführte Bundesregierung, 9 Prozent sind unentschlossen.
Ob Deutschland eine christlich- oder sozialdemokratisch geführte Regierung erhält, könnte jedoch von der FDP abhängen. Viele Experten betrachten Christian Lindner, den Chef der Liberalen, als „Kanzlermacher“ bei der diesjährigen Bundestagswahl.
Im ZDF-Interview sagte Lindner, er sähe die größten inhaltlichen Übereinstimmungen bei einer Jamaika-Koalition von CDU/CSU, FDP und Grünen. „Wir sind jetzt sehr eigenständig, zweistellig etabliert und diese Eigenständigkeit bringen wir auch in eine Regierungsbildung der Mitte ein“, bekräftigte der FDP-Chef.
In der Elefanten-Runde betonte Linder außerdem: „Die nächste Regierung wird sehr viel ökologischer sein.“ Ihm sei es wichtig, dass die Union und die FDP bei Koalitionsverhandlungen fair mit den Grünen umgingen.
Dass die SPD eine Jamaika-Koalition möglichst verhindern möchte, hat der stellvertretende Parteivorsitzende, Kevin Kühnert, am Sonntagabend klar gemacht. In den Tagesthemen sagte er: „Wenn die FDP mitregieren möchte, dann wird sie sich bewegen müssen“.
In seinem Statement schien Kühnert die Verhandlungskraft der Liberalen in den Koalitionsverhandlungen minimieren zu wollen. Dabei gehen laut ZDF-Umfrage mehr als 50 Prozent der Befragten von einer Partnerschaft der FDP mit der Union aus und nur knapp 20 Prozent von einem Bündnis der Liberalen mit den Sozialdemokraten. Bislang hat Lindner Gespräche mit den Sozialdemokraten nicht ausgeschlossen.
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Abgesehen von der FDP werden auch die Grünen einen starken Einfluss auf die Koalitionsverhandlungen haben. „Wir wollen regieren,“ teilte der Parteivorsitzende Robert Habeck in Berlin mit. Inwiefern dies zusammen mit der SPD passieren müsse, stünde noch aus. Die Nähe zu den Sozialdemokraten sei zwar gegeben. Ein klimaorientiertes Bündnis müsse aber laut Habeck eine „eigene politische Stärke“ finden. Dies könne „theoretisch auch unter der Führung der CDU passieren“.
Für die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock deuten die Wahlergebnisse auf einen klaren Wunsch von Wählerinnen und Wählern hin, „endlich besser regiert zu werden“. Angesichts des Angebots von Linder, zuerst mit der FDP Gespräche zu führen, sagte Baerbock jedoch, es müssten „unterschiedliche Parteien in unterschiedlichen Konstellationen Gespräche führen“.
Laut aktuellen Hochrechnungen des ZDF werden 740 Abgeordnete in den Bundestag einziehen. Eine Koalition bräuchte demnach mindestens 371 Sitze, um eine absolute Mehrheit im Parlament bilden zu können. Für eine Zwei-Partei-Koalition der Grünen mit der CDU/CSU oder der SPD wird es nicht reichen. Aufgrund des schwachen Wahlergebnisses der Linke ist eine rot-rot-grüne Koalition auch nicht möglich. Eine Ampel- oder eine Jamaika-Koalition wären mögliche Regierungskonstellationen.