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Waffenshow in Miami. Diese Ausstellung startete drei Tage nach dem blutigen Attentat in Parkland.
© Michele Eve Sandberg/AFP

NRA: Die Waffenlobby - das ganz große Kaliber

Auch nach dem Massaker von Florida ist ein schärferes Waffenrecht in den USA nicht in Sicht – zu mächtig ist die NRA, der Verband der Waffenlobby.

Marco Rubio hatte einen schweren Stand. Bei eine Diskussionssendung von CNN wurde der amerikanische Senator und Gegner eines schärferen Waffenrechts vor einigen Tagen von Überlebenden des Schulmassakers von Florida bedrängt. Ob er denn nach dem Tod von 17 Menschen auf Wahlkampfspenden von der NRA, dem mächtigen Verband der Waffenlobby, verzichten werde, wurde Rubio von dem Schüler Cameron Kasky gefragt. Rubio verneinte. Selbst als Kasky dem Senator anbot, bei einer Sammlung unter den Zuschauern im Saal dieselbe Summe zusammenzubringen, die Rubio von der NRA erhalte, schüttelte der Senator den Kopf. Rubios Bindung an die NRA ist auch nach dem jüngsten Massenmord so stabil, dass er ein Verbot von Sturmgewehren für Zivilisten ablehnt.

Die Waffenlobby in den USA benutzt Wahlkampfspenden an Politiker wie Rubio, um eine Reform des Waffenrechts abzublocken – so lautet die landläufige Erklärung dafür, dass selbst nach brutalen Massenmorden wie dem an der Marjory Stoneman Dougls High School in Amerika kein Verbot von Sturmgewehren oder anderen Kriegswaffen zustande kommt. Die Wirklichkeit ist allerdings komplizierter. Geld ist nur einer der Gründe für den Einfluss der National Rifle Association (NRA), und nicht einmal der entscheidende.

Die Waffenindustrie ist weder die größte Branche der USA noch stellt sie den spendierfreudigsten Lobbyverband. Selbst die Milchindustrie verteilt in Washington mehr Geld als die NRA. Das bedeutet nicht, dass die NRA keine ansehnliche Kriegskasse hat. Fast 55 Millionen Dollar steckte der Verband in den Präsidentschaftswahlkampf von 2016, wobei Präsident Donald Trump mit etwa 31 Millionen Dollar der Hauptnutznießer war. Überall im Land erhielten vor allem Politiker aus Trumps Republikanischer Partei großzügige Schecks der Waffenlobby. Rubio wurde mit mehr als drei Millionen Dollar unterstützt.

Mit ihren 55 Millionen Dollar war die NRA jedoch keineswegs der größte Geldgeber im Wahlkampf. Das Finanzunternehmen Fahr LLC des milliardenschweren Unternehmers Tom Steyer brachte nach Angaben der Website OpenSecrets.org mehr als 90 Millionen Dollar unter die Leute – und jeder einzelne Dollar von Steyer ging an Hillary Clintons Demokraten.

Die Antwort der Lobbyisten auf Attentate: mehr Waffen

Aus Sicht der NRA-Führung sind Clintons Demokraten die Vertreter des Gottseibeiuns. Sollte die Oppositionspartei jemals wieder die Macht in den USA übernehmen, sei es mit der Freiheit der Amerikaner vorbei, sagt NRA-Chef Wayne LaPierre, der hinter Forderungen nach strengeren Waffenregeln den „Sozialismus“ entdeckt haben will. LaPierres Antwort auf die tödliche Bedrohung für Schüler, Kirchgänger und Diskothekenbesucher durch Schusswaffen ist simpel: mehr Schusswaffen.

Hinweise darauf, dass dieses Rezept kein Allheilmittel ist, lässt die NRA nicht gelten. Während der 19-jährige Nikolas Cruz vorige Woche mit einem Sturmgewehr des Typs AR-15 Jagd auf seine ehemaligen Mitschüler in der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland in Florida machte, stand draußen vor der Tür ein bewaffneter Hilfssheriff, der aber nicht eingriff. Wie Trump ist die NRA dafür, künftig einige Lehrer mit Waffen auszustatten.

Aus dem zweiten Verfassungszusatz, der das Recht auf Waffenbesitz zur Ausstattung einer „gut geordneten Miliz“ der einzelnen Bundesstaaten festschreibt, leiten NRA und andere Waffenfans ein allgemeines Grundrecht ab: Diese Auslegung erlaubte es dem Todesschützen von Florida, ganz legal eine AR-15 zu kaufen, deren Hochgeschwindigkeitspatronen die inneren Organe der getroffenen Opfer so zerfetzten, dass sie innerhalb von Minuten verbluteten. Mit einer Handfeuerwaffe hätte Nikolas Cruz nicht so viele Menschen umbringen können.

Zwei Drittel der Amerikaner für Verbot von Sturmgewehren

Für viele Amerikaner ist damit eine Grenze überschritten. Laut Umfragen ist eine Zweidrittelmehrheit für ein generelles Verbot von Sturmgewehren. Dennoch ändert sich auch nach dem Massaker von Florida nichts. Das liegt nicht am Geld der NRA, sondern an der politischen Strategie des Verbandes und am politischen System der USA.

Um Politiker wie Rubio oder Trump auf Linie zu halten, setzt die NRA ihre Spendengelder sehr gezielt ein. Im Wahlkampf von 2016 zum Beispiel konzentrierten sich die Waffenanhänger bei den Neuwahlen für den Senat auf einige wenige Wahlkämpfe, in denen NRA-nahe Kandidaten mit kräftigem Gegenwind zurechtkommen mussten. Nur eines dieser Rennen ging für die NRA verloren. Im Präsidentschaftswahlkampf unterstützte die NRA den Unternehmer Trump unter anderem mit Fernsehspots in Pennsylvania und Ohio – zwei Bundesstaaten, die entgegen vielen Erwartungen an Trump fielen und ihm damit den Weg zum Sieg ebneten.

Waffenbesitz ist für viele Amerikaner Teil ihrer Identität

Kluge Wahlanalysen werden auch von anderen Interessengruppen in den USA erstellt. Was die NRA von anderen Organisationen unterscheidet, ist ihre Konzentration auf ein emotional hoch aufgeladenes Thema und ihre Fähigkeit, die Wähler an die Urnen zu bringen, wenn es darauf ankommt. Insbesondere bei weißen Männern ohne Hochschulabschluss in der amerikanischen Provinz wirkt dieses Rezept Wunder. Für sie ist der Waffenbesitz ein wichtiger Teil ihrer Identität als Amerikaner – der Mythos der Siedler der vergangenen Jahrhunderte schwingt hier mit. Auch das traditionelle Misstrauen gegenüber dem Staat spielt eine Rolle. Wenn LaPierre von der Gefahr des „Sozialismus“ redet, spricht er eine amerikanische Ur-Angst an.

In einem Land, in dem viele Menschen nie oder nur selten zur Wahl gehen, ist die Fähigkeit zur Mobilisierung von Wählergruppen in umkämpften Wahlbezirken politisches Gold wert. Wenn die NRA ruft, kommen die Menschen: Das ist das Geheimnis ihres Erfolges.

Für Politiker in amerikanischen Flächenstaaten fern der liberalen Küstenregionen ist es deshalb schwer, sich gegen die NRA zu stellen. Waffenkritische Parlamentskandidaten haben dort keine Chance, wenn die NRA gegen sie agitiert. In einem Land mit rund 200 Millionen Wählern haben die etwa fünf Millionen NRA-Mitglieder einen überproportional großen Einfluss.

Wenn es am nächsten Wahltag zum Schwur kommt, wird die NRA wieder zur Stelle sein. Deshalb war Rubio so standfest in seinem Bekenntnis zu der Waffenlobby. In Sachen politischer Macht kann es kaum jemand mit der NRA aufnehmen.

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