Strafmaßnahmen gegen Nord Stream 2: Die USA scheitern oft mit ihren Sanktionen
Die USA sind im Drohen mit Sanktionen sehr gut und wirkmächtig. Im Vollziehen ihrer Sanktionen kommen sie dagegen schlecht weg. Ein Gastbeitrag.
Gerald Schneider und Patrick M. Weber lehren internationale Politik an der Universität Konstanz. Die hier vorgestellten Ergebnisse werden ausführlicher unter dem Titel „Biased, but surprisingly effective: Economic coercion after the Cold War“ in der kommenden Winter-Ausgabe der Zeitschrift CESifo beschrieben, die das Münchner Ifo-Institut herausgibt.
Die amerikanischen Sanktionen gegen den Bau der Nord-Stream-2-Pipeline, die durch die Ostsee vor allem Deutschland direkt mit russischem Gas versorgen soll, haben den Graben zwischen den transatlantischen Partnern weiter vertieft. Bis jetzt sind die Stellungnahmen der Bundesregierung gegenüber dem Vorgehen des US-Kongresses und des Weißen Hauses erstaunlich zahm ausgefallen.
Deutet dies darauf hin, dass die Große Koalition gegenüber dem Druck aus Washington einknicken wird? Wenn wir auf die Erfolgsbilanz amerikanischer Sanktionen seit Ende des Kalten Krieges blicken, besteht für Spekulationen über Berliner Konzessionen gegenüber dem amerikanischen Bündnispartner kein Anlass. I
m Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft haben wir die Zwangsmaßnahmen untersucht, welche die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und die Vereinten Nationen von 1989 bis 2015 verhängt haben.
260 Mal drohten die USA anderen Staaten
In diesem Zeitraum haben diese drei sogenannten „Sender“ insgesamt 310 Mal mit Sanktionen gedroht oder Zwangsmaßnahmen unterschiedlicher Härte verhängt. Dabei nutzten die USA wie während des Kalten Krieges dieses außenpolitische Instrument am häufigsten. Sie drohten oder bestraften alleine oder im Verbund mit anderen Sendern 260 Mal andere Nationalstaaten, deren Handeln im Widerspruch zu den amerikanischen Werten oder außenpolitischen Interessen stand.
Die oft unterschätzte EU hatte 98 Fälle zu verzeichnen und die Vereinten Nationen kamen auf 56 angedrohte oder vollzogene Sanktionen.
Für den transatlantischen Streit um die Ostseegaszufuhr ist in Rechnung zu stellen, dass die USA zwar in vielen Fällen mit ihren Drohungen erfolgreich, bei vollzogenen Sanktionen dagegen weniger effektiv sind als die EU oder die UN. So haben die Zielstaaten der verhängten Sanktionen nur in weniger als einem Drittel der Fälle gegenüber den Forderungen der USA nachgegeben. Bei der EU und der UN lag die Erfolgsquote bei 46 bzw. 41 Prozent.
Die Diskrepanz in der Wirksamkeit der Sanktionen lässt sich damit erklären, dass bei der Supermacht USA die Zielstaaten bereits bei den Drohungen klein beigeben. Tatsächlich schneidet Washington dann deutlich besser ab als Brüssel oder New York, wenn man nur die Drohungen berücksichtigt.
Trump verhandelt wie ein Mafiaboss
Wenn die USA mit den Drohungen keine Zugeständnisse erreichen und die Sanktionen daraufhin tatsächlich verhängen, sind diese folglich oft bereits im Ansatz gescheitert. Kurz: Sanktionen sind häufig von Beginn an Misserfolge, gerade dann, wenn ein an sich starker Sender für sie verantwortlich ist.
So gleicht das derzeitige Verhalten der USA der Verhandlungsstrategie eines Mafiabosses, der seine Konkurrenten mit Nadelstichen zum Einlenken bewegen will, aber gerade dadurch seine eigene Schwäche offenbart und so seinen eigenen Untergang provoziert. Die Unglaubwürdigkeit der amerikanischen Drohgebärden erklärt vielleicht auch die Gelassenheit, mit welcher die Bundesregierung bislang auf die Pressionen der Trump-Regierung und des amerikanischen Kongresses reagiert hat.
Doch auch wenn die ökonomischen Kosten der Sanktionen zu vernachlässigen sind: Der politische Flurschaden, den beide Partner, Berlin und Washington, in diesem Streit angerichtet haben, ist immens.
Deutschland hat sich rücksichtslos verhalten
Deutschland hat zäh und ohne Rücksicht auf Verluste ein Projekt durchgeboxt, das nicht nur wirtschaftlich von zweifelhaftem Nutzen ist, sondern zugleich auch jene Partner in Osteuropa brüskiert, die den revanchistischen Bestrebungen des Kremls sehr direkt ausgesetzt sind. Die Vereinigten Staaten wiederum haben den Konflikt leichtfertig eskalieren lassen und dabei nicht zuletzt Wünsche ihrer wenig konkurrenzfähigen Anbieter von Flüssiggas bedient.
Des Weiteren haben sie dem mit zweifelhaften Prinzipien ausgestatteten amerikanischen Präsidenten erlaubt, Härte gegenüber Russland auf Kosten von Drittstaaten zu zeigen. Dies mag sich für den erpressbaren Freund von Wladimir Putin innenpolitisch auszahlen, da das Scheitern der Sanktionen erst nach den Wahlen im nächsten Herbst offensichtlich sein wird. Doch außenpolitisch zerschlägt der amerikanische Unilateralismus Porzellan, das sich wohl nicht mehr so leicht kitten lässt.
Gerald Schneider, Patrick M. Weber