Debatte um Homo-Ehe: "Die Union führt Rückzugsgefechte"
Union und katholische Kirche stehen mit ihrer Ablehnung der Ehe für alle weitgehend allein da. Der evangelische Superintendent Bertold Höcker erklärt, warum das so ist.
Herr Höcker, gerade haben die Iren für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe gestimmt. Warum tun sich die Deutschen mit diesem Thema so schwer?
Es sind nicht die Deutschen an sich, die sich mit dem Thema schwertun. Jüngste Umfragen haben sogar ergeben, dass auch bei uns 74 Prozent der Bevölkerung für die Gleichstellung homosexueller und anderer Lebensformen sind.
Dennoch haben wir eine politische Debatte, in der die Union weiter gegen eine Gleichstellung argumentiert…
Meiner Meinung nach sind das Rückzugsgefechte. Auch in der Union wird man in ein paar Jahren lächelnd auf diese Debatte zurückblicken. Sie kann nicht auf Dauer an einem Ideal festhalten, das aus der Zeit des Biedermeier stammt: der Familie aus Vater, Mutter und Kind. Wir sehen seit vielen Jahren, dass auch aus anderen Lebensformen stabile familiäre Bindungen entstehen können. Doch diese Vielfalt erzeugt bei einigen immer noch Ängste, Ängste vor einem Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Natürlich spielt auch die ablehnende Haltung der katholischen Kirche eine Rolle, keine andere Partei hat eine so enge Verbindung zur katholischen Kirche wie die Union.
Das Argument, die Ehe werde entwertet, lassen Sie nicht gelten?
Ich denke, dass eine Gleichstellung die Ehe im Gegenteil sogar noch stärkt. Der Wunsch gleichgeschlechtlicher Paare, eine solche Verbindung eingehen zu können zeigt doch, wie attraktiv die Ehe ist, wie groß der Wunsch nach verbindlichen Lebenspartnerschaften.
Sehen Sie Chancen, dass auch die katholische Kirche das irgendwann so sieht?
Auch sie wird ihre Position räumen müssen. Der Bezug auf das Naturrecht ist theologisch einfach nicht zu halten.
Wie kann man Ängste abbauen?
Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transsexuelle und Transgender-Personen müssen in der Öffentlichkeit noch sichtbarer werden. Nur so werden Leute, die Angst vor solchen Lebensformen haben, die Erfahrung machen, dass sie sich nicht bedroht fühlen müssen.
Bertold Höcker, Superintendent Berlin-Stadtmitte, setzte sich in seiner Kirche dafür ein, dass die Segnung homosexueller Paare der Trauung von Hetero-Paaren gleichgestellt wird.
Ulrike Scheffer
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