zum Hauptinhalt
Zwei, die sich nicht verstehen: der türkische Präsident Erdogan und sein US-Amtskollege Trump.
© AFP

Türkei: Die Türkei-Trump-Krise als Risiko für Europa

Was der Liraverfall mit den Anti-EU-Populisten in Italien zu tun hat - und wieso die Eskalation zwischen Trump und Erdogan ein Argument für eine finanzielle Integration der EU ist. Ein Gastbeitrag.

Die rücksichtslosen Drohungen von Donald Trump, die Zölle auf Stahl aus der Türkei zu verdoppeln, haben die türkische Lira an den Devisenmärkten zum Absturz gebracht. Und sie bringen auch französische, spanische und italienische Banken mit erheblichen Investitionen in der Türkei in ernsthafte Gefahr.

Wegen des Ansteckungsrisikos der über Kredite verbundenen Finanzinstitute könnte eine weitere europäische Bankenkrise bevorstehen. Danke, Mister Trump! Aber es ist nicht alles seine Schuld. Wer in einer Erdbebenzone lebt und keine Erdbebenversicherung abschließt, ist auch selbst schuld.

Und so spricht die Fehde zwischen dem US-Präsidenten und seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan zwingend für eine finanzielle Integration der EU. Es bestünde nämlich kein Grund zur Sorge vor einer Ansteckung, wenn die europäischen Behörden ein Einlagensicherungsprogramm auf EU-Ebene eingeführt hätten, um das Geld aller Sparer abzusichern. Aber bei den Deutschen und den Niederländern überwog das alte Gefühl, dass es sie es sein würden, die dafür zahlen werden. Die geizigen Deutschen und Niederländer sind so gesehen Trumps beste Freunde in Europa. Sie spielen der „Teile und herrsche“-Strategie in die Hände, die Trump gegen die EU fährt.

Trumps anderer Freund – sein wahrer Freund – ist Mario Salvini, der rechtspopulistische italienische Innenminister und Lega-Politiker, dessen nicht so geheime Absicht darin besteht, Italien aus dem Euro und der EU herauszuführen. Donald Trump, der ein großer Fan von Brexit ist, wäre ein noch größerer Fan von Italexit. Er würde seinem Schützling Salvini zweifellos sofort einen großzügigen EU-Exit-Deal anbieten, wenn der den Italienern damit den Austritt schmackhaft machen könnte. Die Europäer sollten Salvini keine Argumente dafür geben.

Die Italiener wären weniger anfällig für die Populisten, wenn ihr Geld sicher wäre

Die „populistische Gefahr“ ist für deutsche und niederländische Interessen eine viel größere Bedrohung als der „Moral Hazard“, womit in der Finanzwelt die Verleitung zum fahrlässigen oder falschen Handeln gemeint ist. Aber das scheinen die deutschen und niederländischen Hardliner in Geldfragen noch nicht begriffen zu haben. Die Warnung vor dem „Moral Hazard“ dafür zu nutzen, überstürzt die italienischen Staatsanleihen abzustoßen (welche die EZB während ihres Anleihekaufprogramm erworben hat) und mit in der Folge steigenden Zinsen die italienische Regierung unter Druck zu setzen, wäre allein ein Segen für Trump und die Populisten. Aber das scheinen die deutschen und holländischen Falken in Kauf zu nehmen. Sie wenden sich weiter gegen die Anleihekäufe (die sich als äußerst erfolgreich erwiesen haben, um Europa aus der Krise zu befreien) mit der Begründung, dass die nur eine List seien, um letztlich Deutsche und Niederländer für die italienischen Haushaltsdefizite zahlen zu lassen.

Dabei wird umgekehrt ein Schuh draus: Wenn sich italienische Haushalte wegen einer Einlagensicherung auf EU-Ebene sicherer fühlen würden, wären sie ruhiger und weniger offen für radikale populistische Programme wie den Austritt aus Euro und EU. So gesehen sind die Anleihekäufe und eine EU-weite Einlagensicherung sehr wohl auch im Interesse der Deutschen und der Niederländer. Damit können die Italiener von der Gemeinschaftswährung und der Union überzeugt werden – sodass ihre populistischen Politiker vergeblich versuchen würden, sie von den Vorzügen eines Austritts zu überzeugen.

Es ist nicht klar, wie sich die Trump-türkische Verwirrung auswirken wird, aber eins steht fest: Wenn die EU-Nordländer ihre Sorgen über italienische Trittbrettfahrer und die zu bezahlenden Rechnungen nicht überwinden können, werden Trump und seine Gefolgsleute es umso leichter haben, die EU zu teilen und zu erobern.

Die Erdbebenversicherung mag zwar teuer sein, aber billiger als ein Wiederaufbau nach dem Erdbeben ist sie allemal.

- Der Autor ist emeritierter Wirtschaftsprofessor der New York University und Senior Fellow der Hoover Institution

Melvyn Krauss

Zur Startseite