Anschlag von Manhattan: Die Tat kehrt zurück nach New York
16 Jahre nach 9/11 bleibt New York verwundbar durch neuen Terror. Und die Politik von Donald Trump macht die Abwehr schwieriger. Ein Kommentar.
Die Anziehungskraft des Orts ist ungebrochen. Sie wirkt auf Gut- und Böswillige. Und auch auf Menschen, die tausende Kilometer entfernt die Nachricht hörten. Lkw-Anschlag in Manhattan – da holt das Kopfkino in Sekundenschnelle die Bilder von 9/11 hervor: die einstürzenden Türme des World Trade Center, der glühende Krater als riesige Wunde im Herzen der Stadt, die heiligen Versprechen, wieder aufzubauen und sich vom Terror nicht besiegen zu lassen.
Nun erfährt der Satz von den Tätern, die es an den Ort des Verbrechens zurückzieht, eine Abwandlung: Die Tat kehrt an den Ort zurück. Die Täter können es nicht mehr, sie sind tot. Aber sie finden Nachahmer mit neuen Waffen: Im Inland Radikalisierte ersetzen von außen einreisende Attentäter, sie morden mit Fahrzeugen statt Flugzeugen.
Sayfullo Saipow hat die Symbolwirkung der Stadt genutzt
New York ist ein Mythos. Sayfullo Saipow hat die Symbolwirkung genutzt. Er lenkte den Lkw nicht über einen Bürgersteig im Zentrum seines Wohnorts Paterson, New Jersey, wo er zu einer belebten Zeit womöglich mehr Menschen getötet hätte. Er suchte seine Opfer wenige Straßenblocks von der Stelle entfernt, wo das World Trade Center einst die Skyline dominierte. Wofür New York steht, und was seinen Magnetismus ausmacht, spiegelt sich noch in der Herkunft der Getöteten: Fünf Argentinier, die ihr 30-jähriges High-School-Jubiläum mit einer Reise feierten, und eine Belgierin. Mehr Gäste aus dem Ausland als Einheimische.
Wenn man die Symbolkraft des Orts bedenkt, stellt sich auch die Frage: Warum ist New York 16 Jahre lang verschont geblieben? Die Stadt hat teils Glück gehabt, teils auf die Bedrohungen richtig reagiert, freilich nicht umfassend genug. Glück: Es gab immer wieder Versuche eines neuen großen Anschlags. Am 1. Mai 2010 parkte ein Pakistani einen Lieferwagen voll Sprengstoff am Times Square; der Zünder versagte. Im Mai 2017 raste ein psychisch kranker US-Bürger mit dem Auto auf den Bürgersteig am Times Square; es war kein Terroranschlag, es gab trotzdem eine Tote; erst danach wurden die Barrieren verstärkt.
Nizza, Berlin, London hätten Warnung genug sein sollen
Vorbeugung: Politik und Behörden haben durch Dialog ein Klima geschaffen, in dem Einwandererkreise mit ihnen reden und auf Gefährder hinweisen. So wurden einige Anschlagpläne verhindert. Versäumnisse: Warum war der Fahrradweg entlang des Hudson-River nicht besser durch Barrieren geschützt? Nizza, Berlin, London hätten Warnung genug sein sollen.
Und dann ist da noch eine gravierende Änderung: Präsident Donald Trump und seine Agenda, die er mit „Fake News“ verfolgt. Die Propagandaschlacht spielt sich nicht mehr allein zwischen Symbolen wie New York ab, das dem Terror widersteht, ohne das Modell der Offenheit aufzugeben, sowie Terroristen, die diese Lebensart angreifen. Wirkung entfaltet auch Trumps Populismus. Er nutzt den Anschlag in New York, um seine manipulierte Darstellung der Realität zu bekräftigen. Denn Einreiseverbote für Muslime helfen nichts gegen Attentäter wie Saipow, die seit Jahren in den USA leben.
Eine neue Front, an der sich das offene Amerika durchsetzen muss
Die Lücke, die 9/11 in die Skyline riss, hat New York längst wieder geschlossen. 16 Jahre danach bleibt die Stadt verwundbar durch neuen Terror. Die Abwehr wird schwieriger, wenn Trump Einwanderer verleumdet und ein Klima schafft, in dem sie nicht mehr vertrauensvoll mit den Behörden kooperieren. Das ist die neue Front, an der sich das offene Amerika durchsetzen muss.
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