Der Fall Volker Beck: Die Spur der Droge in die Politik
Nach dem Fund einer Droge bei dem Grünen-Abgeordneten Volker Beck stellt sich die Frage: Wirkt sich der Fall auf die Landtagswahlen aus?
Ob Schüler oder Student, Anwalt oder Arzt, Angestellter oder Chef: In allen Alters- und Berufsschichten wird Crystal Meth konsumiert – auch von Politikern. Aktuell steht der Grünen-Politiker Volker Beck nach einem mutmaßlichen Drogenfund im Mittelpunkt staatsanwaltlichen Interesses.
Was ist über den Fall Beck bisher bekannt?
Volker Beck wurde am Dienstag gegen 23 Uhr in einer Seitenstraße des Nollendorfplatzes in Schöneberg kontrolliert. Er soll eine Wohnung verlassen haben, die von Zivilfahndern observiert wurde. In dieser Wohnung soll eine Bande Drogen verkauft haben. Bei Beck wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft „0,6 Gramm einer betäubungsmittelsuspekten Substanz gefunden“. Beck gilt nur als „Kunde“, nicht als Dealer. Er soll sich nach Polizeiangaben kooperativ verhalten haben. Er durfte nach den polizeilichen Maßnahmen wieder gehen. Theoretisch hätte Beck am Nollendorfplatz auch „einfach so“ kontrolliert werden können. Denn „Schöneberg-Nord“ ist von der Polizei wegen zahlreicher Straftaten vor allem im Drogen- und Rotlichtmilieu als „kriminalitätsbelasteter Ort“ eingestuft, in dem anlasslose Kontrollen möglich sind. Die sichergestellten 0,6 Gramm klingen nach wenig, jedoch: „Diese Menge würde für einige Konsumvorgänge reichen“, sagt Berlins Drogenbeauftragte Christine Köhler-Azara.
Wie reagiert Becks Partei?
Für die Grünen kommt der Skandal zur Unzeit, denn in drei Ländern wird in rund zehn Tagen gewählt. Besonders knapp könnte es in Baden-Württemberg werden, wo der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann seine Regierung verteidigen will und die Grünen sogar Chancen haben, die CDU als stärkste Partei abzulösen. Manche Grüne fürchten, die dramatische Geschichte um Beck könne im Wahlkampf erheblich schaden, da schon ein halber Prozentpunkt im Südwesten über Sieg oder Niederlage entscheiden könnte. Kretschmann ging deshalb sofort auf Distanz zu Beck. „Es ist ja schon ein schweres Fehlverhalten“, sagte er im ZDF-Morgenmagazin.
Für die Parteispitze der Grünen handelt es sich bei dem Vorgang um das Fehlverhalten eines Einzelnen, das sich bei den Landtagswahlen nicht auswirken werde, wie Parteichef Cem Özdemir erklärte. Seine Parteifreundin Claudia Roth, die Vizepräsidentin des Bundestages, sagte dem Tagesspiegel: „Klar, Volker Beck hat einen großen Fehler begangen. Das ist bitter, vor allem aber für ihn selbst. Er hat schnell reagiert und seine Ämter, die ihm ja sehr wichtig waren, zur Verfügung gestellt. Das ist richtig so und verdient Anerkennung. Er selbst verdient nun einen respektvollen und fairen Umgang.“ Als unglücklich empfanden Grüne allerdings die Erklärung Becks, wonach er „immer für eine liberale Drogenpolitik eingetreten“ sei. Die Aussage lese sich wie eine nachträgliche Rechtfertigung und könne zudem noch so verstanden werden, als setzten sich die Grünen für die Freigabe harter Drogen ein, hieß es. Andere Grüne aus Baden-Württemberg sind überzeugt, dass der Fall Beck den Wahlkampf nicht beeinträchtigen wird: Der Parteifreund vom linken Flügel sei im Südwesten nie gut angesehen gewesen, vielmehr habe er Kretschmann wie zuletzt auch im Streit um sichere Herkunftsländer immer wieder angegriffen – und werde deshalb im Land auch keine enttäuschten Anhänger zurücklassen.
Wie erklären Parteifreunde sein Verhalten?
Man wolle auf Beck zugehen und ihm auch Hilfe anbieten, hieß es aus der Fraktionsführung der Grünen. Noch hat der Abgeordnete selbst keine Erklärung abgegeben, ob die bei ihm gefundene Substanz zum Eigengebrauch oder für andere Personen bestimmt war. Keiner in den eigenen Reihen bezweifelt aber bislang, dass Beck die Droge selbst konsumieren wollte. In seiner Fraktion galt er als „Workaholic“ – als jemand, der sein Leben ganz der Politik gewidmet hatte und außerhalb dieser Sphäre wenig geerdet war. Vor wenigen Jahren war sein Lebensgefährte gestorben. Einen schweren Dämpfer erhielt Becks politische Karriere, als ihm 2013 in der Pädophilie-Affäre der Grünen problematische Veröffentlichungen aus den Achtzigerjahren vorgehalten wurden – er erklärte damals, der Verlag habe ohne sein Wissen Eingriffe in den Text vorgenommen. Sein Amt als Parlamentarischer Geschäftsführer legte Beck nieder. Seitdem habe er unter dem Bedeutungsverlust gelitten, heißt es in der Fraktion. Öffentliche Aufmerksamkeit konnte sich der Abgeordnete durch rastlosen Einsatz und harte politische Urteile wieder erarbeiten. Trotzdem wirkte er auf manche Kollegen zuletzt „hochnervös“ – angeblich weil er sich um seine Wiederaufstellung als Bundestagskandidat auf der NRW-Landesliste sorgte. Die dürfte nun vollends infrage stehen.
Wie reagieren politische Konkurrenten?
Viele Unionspolitiker zollten Beck Respekt. Die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, äußerte ihr Mitgefühl. „Bei allem Wettbewerb der Parteien sehe ich erst mal das Persönliche. Volker Beck hat erst mal mein Mitgefühl.“ Sie wünsche ihm persönlich, dass er auf die Füße komme. „Das ist keine Zeit für Häme.“ Kanzleramtsminister Peter Altmaier würdigte ebenfalls, dass Beck seine Fraktionsämter zur Verfügung gestellt hat. „In der Drogenpolitik bin ich anderer Meinung als die meisten Grünen“, schrieb er bei Twitter. „Aber Respekt für Volker Beck für die schnelle und klare Reaktion.“ Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl legte Beck nahe, nach seinen Ämtern auch sein Bundestagsmandat niederzulegen. „Volker Beck hat bei uns Kollegen immer sehr hohe moralische Maßstäbe angelegt“, sagte Uhl dem Tagesspiegel: „Das möge er jetzt bitte auch bei sich selbst tun.“ Sobald Becks Fall juristisch geklärt sei, müsse der Bundestag möglicherweise grundsätzlich klären, wie er mit Drogenvergehen von Abgeordneten umgehen wolle, erklärte Uhl, der auch Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist.
Wie verbreitet ist Crystal in Berlin?
Berlin ist bisher eher eine Kifferstadt, auch wenn die Zahl der Ermittlungsverfahren in Sachen Crystal Meth seit Jahren steigt – von 78 im Jahr 2013 auf 160 im Jahr 2015. Im Vergleich zur Zahl von 15 800 Drogenverfahren insgesamt ist das immer noch wenig. Laut Polizei nimmt man aber auch diese wenigen Verfahren sehr ernst, da das Suchtpotenzial von Crystal Meth „extrem“ sei und der körperliche und psychische Verfall schnell einsetze. In Berlin gibt es nach Aussage der Drogenbeauftragten noch nicht die Probleme wie in Bayern oder Sachsen, wo Crystal Meth viel verbreiteter ist. Ein Ausnahme gibt es – unter Homosexuellen. Dort werden Chem-Sex-Partys immer populärer. Mithilfe chemischer Drogen, allen voran Crystal Meth, könne man 24 bis 36 Stunden oder noch länger wilde Sexpartys feiern, heißt es aus der Berliner Schwulenberatung. Das bestätigt die Drogenbeauftragte. Die polizeilichen Sicherstellungen der Droge hätten schwerpunktmäßig in der Schwulenszene stattgefunden. Laut Polizei wurden im Jahr 2013 rund 690 Gramm Meth sichergestellt, ein Jahr später 900 Gramm und 2015 dann 5,83 Kilogramm.