Peer Steinbrück über das Tief seiner Partei: "Die SPD ist in einer sehr fragilen Lage"
"Nicht mehr interessant": Der frühere SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück macht die Misere der SPD an ihrer thematischen Ausrichtung fest. Die Diskussion um Parteichef Gabriel hält er für Ablenkung.
Der frühere SPD-Kanzlerkandidat und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück geht angesichts miserabler Umfragewerte und zum Teil schlechter Wahlergebnisse mit der thematischen Ausrichtung seiner Partei hart ins Gericht. "Sie ist nicht mehr interessant, sie weckt keine Neugier mehr", sagte Steinbrück dem Deutschlandfunk. "Sie weckt keine Gefühlslage mehr wie in den siebziger, achtziger Jahren oder noch mal über die Wahlkämpfe von Gerhard Schröder."
Die SPD müsse sich mit der Frage beschäftigen, "wie sie wieder interessant wird, wie sie wieder die Hoheit über die großen Zukunftsfragen, gesellschaftlichen Debatten zurückfindet", sagte Steinbrück weiter. Als Beispiele nannte er Europa und die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt, vor allem aber die Rentenpolitik. "Da muss die SPD nicht gleich mit Weisheiten kommen, sondern sie muss die Bühne öffnen für die großen Debatten und dabei zuhören, aber auch natürlich Kante zeigen", sagte Steinbrück.
"Die SPD ist unzweifelhaft in einer sehr fragilen Lage. Jedenfalls seitdem ich in die Partei eingetreten bin 1969, habe ich die Zeit nie so problematisch empfunden", sagte Steinbrück, der 2013 als Kanzlerkandidat für die SPD angetreten war. "Das heißt, dass die SPD vielleicht das nicht mehr ist, was Willy Brandt mal beschrieben hat als auf der Höhe der Zeit zu sein."
Durch die gesellschaftlichen Veränderungen fühlten sich die Menschen verunsichert. "Und da rufen diese Menschen eher nach Kontrolle, eher nach Autoritäten. Und das sind nicht Begriffe, die mit der SPD in Verbindung gebracht werden", sagte Steinbrück.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besetze diese Themen. "Aber mehr im Management, nicht unbedingt in dem Sinne, dass eine Erzählung geboten wird, die die Menschen mitreißt", sagte Steinbrück. "Diese Erzählung hat die SPD auch nicht, zugegebenermaßen, aber was wir im Augenblick machen in Europa, ist reines Krisenmanagement."
Am Führungspersonal der SPD um den oft kritisierten Parteichef Sigmar Gabriel will Steinbrück die Misere der Sozialdemokraten nicht festmachen. "Die Probleme, die ich beschreibe, hätte jeder andere Vorsitzende auch. Insofern halte ich die Verkürzung auf eine Personalfrage oder den Vorsitzenden hier für eine Ablenkung der Notwendigkeit", sagte Steinbrück. (Tsp/kpo)