Knackpunkt Wehretat: Die SPD hat Ursula von der Leyen als „Opfer“ auserkoren
Der nächste Bundeshaushalt ist eng gestrickt. Die Koalition muss entscheiden, was wichtiger ist. Die Nato-Quote? Eine angemessene Grundrente? Ein Kommentar.
Im Bundesfinanzministerium geht ein Scherz um: In der Haushaltsplanung gehe es jetzt um den Kohleausstieg. Mit Kohle ist natürlich, man ist unter Finanzbeamten, Geld gemeint. Zwar sinken die Einnahmen nicht. Aber sie wachsen nicht mehr so schnell wie in den vergangenen Jahren, in denen sich die Republik an das Phänomen des Haushaltsüberschusses gewöhnt hat. Diese Zeiten sind wohl vorbei, das zeigen die Eckwerte für den Etat 2020 und die weitere Finanzplanung. Auch deshalb, weil die Koalition sich doch recht munter ans Geldausgeben gemacht hat mit dem Koalitionsvertrag vom März 2018.
Haushaltspolitisch sind dauerhafte Überschüsse eigentlich auch ein Unding, weil der Staat entweder zu viel einnimmt oder zu wenig ausgibt. Das Ergebnis dieser Einsicht war der Koalitionskompromiss mit teilweiser Soli-Abschaffung ab 2021 und dem Hochfahren von Investitionen, Subventionen und Finanzhilfen – von der Digitalisierung über Straßen und Eisenbahn bis hin zum Baukindergeld und zum Gute-Kita-Gesetz.
SPD prescht vor, CSU zieht schon nach
Damit ist man freilich an den Rand des Machbaren gelangt, wenn man bedenkt, dass die Koalition auch ohne neue Schulden bis 2021 durchkommen will. Als oberstes Ziel ist die schwarze Null sogar vom Finanzministerium ausgegeben worden. Aber das bedeutet auch, dass die Etatwächter in der Berliner Wilhelmstraße nun merken, dass die Regierung ein bisschen mehr Fett anzusetzen beginnt und der Anzug, den man sich 2018 zugelegt hat, zu kneifen beginnt. Die einzelnen Ressorts müssen deshalb abnehmen. Immerhin: Jene, die große Investitionstöpfe haben, etwas weniger. Das sollte den Unmut in der Union dämpfen, denn als es vor einem Jahr ans Ressortverteilen ging, wählte die SPD eben jene Ministerien nicht.
Doch nun kommen die Sozialdemokraten mit der Grundrente. Die steht zwar als Projekt im Koalitionsvertrag, aber nicht als Vorrangprojekt, das unter allen haushaltspolitischen Umständen umgesetzt werden könnte. Aber mit dem Vorpreschen der SPD und ihrer „Respekt-Rente“ geht es jetzt genau darum: Vorrang. Die CSU hat früher als die CDU gemerkt, wohin der Zug dampft, und am Wochenende ihren „Rentenrettungsschirm“ dagegengehalten. Egal, wie der Kompromiss am Ende aussehen wird – es werden einige Milliarden im enger werdenden Etat dafür gefunden werden müssen.
Und da kommt Ursula von der Leyen ins Spiel. Die angeschlagene Verteidigungsministerin ist von den Sozialdemokraten als das „Opfer“ auserkoren worden. Finanzminister Olaf Scholz hat den Haushalt so planen lassen, dass das Versprechen höherer Wehrausgaben zwar nicht gebrochen, aber eben auch nicht so ambitioniert verfolgt wird, wie das manche in der Union wünschen. So wird die Koalition in die anstehenden Wahlen hinein einen begrenzten Konflikt aufführen, in dem es um das Erfüllen der Nato-Quote gehen wird, einer internationalen Vereinbarung, eines Versprechens an die Partner im Bündnis, das besagt, in Relation zur Wirtschaftsleistung mehr Geld als bisher für Panzer und Drohnen und Soldaten und digitale Kriegsführung auszugeben.
Es geht dann um solche Fragen: Ist es ein Skandal, wenn Deutschland die Nato-Quote bei den Verteidigungsausgaben nicht erfüllt, aber mehr Geld für ärmere Rentner ausgeben will? Muss es tatsächlich bei einer Grundrente eine Bedürfnisprüfung geben, während im Wehrressort die Milliardenausgaben möglicherweise nicht ganz unter Kontrolle sind? Muss Deutschland Rüstungsquoten erfüllen, die sich ein US-Präsident wünscht, der gleichzeitig durch seine internationale Handelspolitik dazu beiträgt, dass das Wachstum hierzulande schwächelt? Weshalb die Steuerzuwächse geringer ausfallen, aus denen dann deutlich mehr für die Bundeswehr ausgegeben werden soll?