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Bundesfinanzminister Olaf Scholz .
© Daniel Reinhardt/dpa

Olaf Scholz und der Bundeshaushalt: Der letzte Rest vom Glück

Bundesfinanzminister Olaf Scholz bringt in dieser Woche den Etat für 2020 ins Kabinett. Üppiges Verteilen ist nicht mehr angesagt.

Es ist nicht so, dass Olaf Scholz nicht gern im Mittelpunkt steht. Zwar gehört der Bundesfinanzminister und Vizekanzler eher zur Sorte der stillen Politiker, die es nicht so haben mit den großen Sprüchen. Er gilt daher als trockener Knochen. Aber Scholz (SPD) ist ehrgeizig und pflegt jenes hanseatische Selbstbewusstsein, das mit Understatement angibt. Am Mittwoch steht er wieder im Mittelpunkt, dann wird das Bundeskabinett - ein Jahr nach dem Start der "Groko" - die Eckwerte des Bundeshaushalts für 2020 beschließen und die der Finanzplanung bis 2023. Seit Anfang Februar hat er mit den Ressortkollegen um Zahlen gerungen, hat einige ein bisschen verärgert und die Union dazu gebracht, sich über mangelnde Rücksicht auf Begehrlichkeiten ihrer Minister zu beklagen.

Aber es war ein Sturm im Wasserglas. Noch ist es kein Problem, die Wünsche weitgehend zu decken. Zwar ist der Finanzminister in die Verhandlungen mit der Warnung gegangen, bis 2023 tue sich ein Haushaltsloch im Umfang von 25 Milliarden Euro auf – also im Schnitt fünf Milliarden pro Jahr. Der Grund: Die Regierung hat ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr im Januar drastisch von 1,8 auf 1,0 Prozent gesenkt. Aber fünf Milliarden Euro sind bei einem Volumen von 356 Milliarden Euro (so groß ist der aktuelle Etat) gerade einmal 1,4 Prozent. Das treibt keinem Haushaltsverantwortlichen den Schweiß auf die Stirn.

Etwa 370 Milliarden Euro will der Bund 2020 ausgeben. Alle Ministerien haben ein Plus gegenüber dem laufenden Jahr und auch gegenüber den bisherigen Planungen. Nur die Aussicht für die Jahre danach – und 2021 ist das nächste reguläre Bundestagswahljahr – erscheint manchen nicht rosig genug. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) etwa hat Scholz einen Brief geschrieben, in dem er sich über die Planzahlen beschwert. Einen Knick von 10,2 auf 9,3 Milliarden Euro will er nicht akzeptieren. Aber das ist ein Zukunftsstreit.

Es wird enger im Etat

Doch es wird enger, während die Begehrlichkeiten sich häufen. Die SPD will sich über Versprechen aus ihrem Umfrageloch herauskämpfen, die nicht nur teuer klingen. Die von Arbeitsminister Hubertus Heil angekündigte Grundrente würde das Haushaltsloch wohl locker verdoppeln, käme sie schnell und im angedeuteten Umfang. Und die Union wird mit eigenen Wünschen nachziehen. Das schon beschlossene Baukindergeld, ein CSU-Projekt, wird ohnehin schon stärker nachgefragt als gedacht. Gut möglich, dass sich die drei Parteien in der Koalition gegenseitig hochschaukeln und den Finanzminister herausfordern.

Der Vorgänger lebte da angenehmer. Wolfgang Schäuble hatte jahrelang ein fast schon unverschämtes Glück. Die Finanzkrise von 2008 flaute ab, die Steuereinnahmen begannen wieder zu sprudeln, bald stellten sich die Überschüsse ein, erstmals nach Jahrzehnten, in denen Schuldenmachen den Etatausgleich besorgt hatte. Der Herr der schwarzen Null war der Held seiner Partei. Und als solcher war er auch in der Bevölkerung angesehen. Im Kabinett hatte Schäuble eine problemlose Position, die auf eben jener Traumsituation basierte: Geldschwemme, niedrige Zinsen, Wachstum über Jahre hinweg. Scholz hat den letzten Zipfel der Glückssträhne noch erwischt. Auch er hat für 2018 einen Überschuss vermelden können, der jetzt hilft, den Etat trotz der Wachstumsdelle in der Balance zu halten. Und die schwarze Null will Scholz halten, nicht nur, weil sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Auch er will als Minister in die Geschichte eingehen, in dessen Amtszeit nichts anbrannte.

"Fette Jahre sind vorbei"

Aber seit einigen Monaten ziehen eben Wolken auf. In den USA und in China schwächelt die Konjunktur, was nicht gut ist für die deutsche Exportindustrie. Der Handelsstreit der beiden Giganten kommt hinzu, die Brexit-Hängepartie könnte sich fortsetzen. Und dann ist da einfach die schlichte Tatsache, dass jeder Aufschwung einmal erlahmt. Scholz hat schnell das Ende des Sonnenscheins verkündet und festgestellt, die fetten Jahre seien vorbei. Und nun gerät er eben in die Rolle des Spaßverderbers, der keine Überschüsse mehr verteilen kann und den Kollegen die Grenzen ziehen muss. Im Zweifelsfall auch denen aus der eigenen Partei. Zwar betreibt die SPD gerade das Spiel, die Union in Widersprüche zu verwickeln und sie in einen Zielkonflikt zu treiben. Angesichts geringerer Spielräume gehe es eben nicht, einerseits mehr für die Rüstung zu verlangen, aber trotzdem auf die Soli-Abschaffung zu pochen und auch noch ohne neue Schulden auskommen zu wollen, argumentiert etwa Carsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion. Aber am Ende steht immer der Koalitionsausschuss mit seinem Kompromisszwang und der Frage an den Kassenwart: Hast du nicht noch etwas in petto?

Noch etwas in petto

Und noch hat der Finanzminister etwas in petto. Noch wird in der Regierung der Verteilungsstreit nicht aus dem Ruder laufen. Die Milliarden-Rücklagen sind nicht völlig verplant. Im Etat werden ungenutzte Mittel von Jahr zu Jahr mitgeschleift und haben sich mittlerweile auf 20 Milliarden Euro summiert, weil Investitionsprogramme und Fördertöpfe des Bundes nicht so angenommen werden wie gedacht, berichtete das Finanzministerium gerade auf eine Grünen-Anfrage. Und weil die Konjunktur eben schwächelt, wird Mario Draghi quasi wieder zur Haushaltshilfe, weil die Europäische Zentralbank die Zinsen zunächst nicht erhöhen wird. Scholz kann daher die nach oben korrigierten Planungen für die Zinszahlungen des Bundes wieder etwas zurücknehmen. Forderungen der Länder, zuletzt eine Verstetigung der Bundesgelder für die Flüchtlingsintegration, kann er mit Verweis auf deren Überschüsse und Rücklagen herunterverhandeln. Und auch wenn es 2019 in der Wirtschaft noch stärker rumpeln sollte, die neuesten Wachstumsprognosen der Wirtschaftsinstitute für 2020 liegen immerhin zwischen 1,4 und 2,0 Prozent. Das spricht nicht dafür, dass die Einnahmen dann regelrecht einbrechen. Aber Scholz, der Stabilität und Ordnung zu Leitbegriffen seiner Amtszeit gemacht hat, wird sich darauf nicht verlassen. Denn wenn sich die Schwächephase der Wirtschaft länger hinzieht, wird er tatsächlich zeigen müssen, wie stark er als Bundesfinanzminister wirklich ist. Und klassischerweise liegt die Stärke in diesem Amt nicht im Nachgeben.

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