Schaulaufen der Ungeliebten: Die schwere Hypothek der Kanzlerkandidaten
Knapp die Hälfte der Bundesbürger ist weder von Laschet, noch Baerbock, noch Scholz überzeugt. Das könnte im Herbst zur Belastung werden. Ein Kommentar.
Es ist nur eine Umfrage, und bisher nur eine einzige dazu, aber der Trend wird stimmen. Weil er jedem von uns schon mal begegnet ist; wenn er nicht auch sogar für den einzelnen zutrifft: Keiner der drei Kandidaten für die Kanzlerschaft überzeugt die Bürger:innen voll, weder Armin Laschet noch Annalena Baerbock noch Olaf Scholz.
Das ist übrigens auch die aktuellste Rangfolge, bei den Kandidaten wie bei den Parteien: CDU vor Grünen und der SPD. Aber 44 Prozent der Befragten sind laut Forsa von keinem der drei überzeugt. Das Zutrauen in sie ist gering.
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Nun gibt es in Deutschland keine Persönlichkeitswahl wie in den USA oder Frankreich. Da kommt erst der Kandidat, dann die Partei. Doch die an der Spitze stehen machen zunehmend den Unterschied; deswegen wollten ja auch nicht wenige der Union den Mann mit der stärkeren Ausstrahlung, Markus Söder, den CSU-Chef.
Andererseits macht die Persönlichkeit nicht automatisch so viel aus, dass sie eine Partei nach oben zieht. Sonst hätte die SPD mindestens anfangs mehr von Olaf Scholz profitiert. Das war, als ihm sehr viele mehr als den anderen zutrauten, gut zu regieren. Inzwischen zieht die SPD ihn eher runter. Bei Annalena Baerbock bleibt abzuwarten, ob sich ihre persönliche Kampagne noch einmal erholt und sie den Grünen damit von Nutzen ist.
Im Moment sieht es nicht danach aus. Die Blütenträume von mehr als 25 Prozent sind weitgehend zerstoben. 20 Prozent wären angesichts der Lage ein großer Erfolg. Wahlkampfexperten wie Meinungsforscher erwarten sie gerade eher deutlich darunter. Umso wichtiger wird natürlich die „Performance“ der Kandidaten in den kommenden Wochen. Gilt es doch, fast die Hälfte der Wähler noch davon zu überzeugen, dass sie oder er wirklich die Fähigkeiten hat, Kanzler zu sein.
Eine Situation wie 2005
Da geht es auch ums Rüstzeug: Kompetenz, Empathie, Entscheidungsfähigkeit. Wer das annähernd nachweist, kann hoffen, nicht nur sich, sondern am Ende, bei der Wahl, auch der Partei zu helfen. Ohne die geht es ja nicht: Von den Abgeordneten im Bundestag wird der Kanzler, die Kanzlerin bestimmt.
Gegenwärtig wirkt die Situation ein wenig so wie damals, 2005, bei Angela Merkel. Ihr traute auch mindestens die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung die Kanzlerschaft nicht zu. Zu schlecht war der Wahlkampf verlaufen, Gerhard Schröder und die SPD hatten ihn fast gedreht, jedenfalls rasant aufgeholt. Die CDU stürzte von Zahlen nahe der absoluten Mehrheit auf kümmerliche rund 35 Prozent.
Danach aber überzeugte Merkel mit der Zeit durch Fleiß, Ruhe, Besonnenheit und unprätentiöses Verhalten. Ähnliches sagt man ja auch Armin Laschet nach, der noch die besten Chancen hat, ihr Nachfolger zu werden.
Doch ob er oder wer auch immer: Die Bewährungsproben warten schon. Corona, immer wieder, immer noch, die dadurch darbende Wirtschaft, der schwierige europäische Zusammenhalt, die Herausforderung China, die nötige Modernisierung inklusive Digitalisierung - und das Megathema Klima.
Wer ein Land in die Zukunft führen will, muss auch Fortüne haben. Vor allem aber braucht er oder sie einen Plan, der den Eindruck macht, dass er tatsächlich aufgehen kann. Das schafft Zutrauen und Vertrauen, die höchste Währung der Wähler. Man muss den Plan ja nicht Agenda nennen. Eine Gesellschaft darf sich nicht im Misstrauen einer großen Mehrheit erschöpfen.
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