Terrormiliz IS: Die Sahel-Connection
Warum aus Nordafrika das neue Aufmarschgebiet der Islamisten werden könnte.
An warnenden Stimmen herrscht kein Mangel. In Nordafrika, fernab seines Stammgebiets, könnte der IS in einer neuen mächtigen Formation wiederauferstehen. Denn die Bedingungen sind nahezu ideal. Libyen ist dabei ein wichtiger Ausgangspunkt. Staatliche Strukturen existieren dort nicht mehr, Clans und Milizen haben das Land unter sich aufgeteilt. Die daraus resultierende Anarchie nutzt dem Extremismus. Von Libyen aus könnte er sich in alle Richtungen ausbreiten.
Zum Beispiel nach Tunesien. Dem winzigen Nachbarn fällt es immer schwerer, sich gegen das Chaos aus Libyen abzuschirmen – und gegen die von dort einsickernden Terroristen. Aus dem kleinsten Land Nordafrikas sind die allermeisten Kämpfer in den Dschihad gezogen, knapp 6000 haben die UN gezählt. Immer mehr von ihnen kehren nun zurück. Ihre Ideen könnten in Tunesien auf fruchtbaren Boden fallen. Wie in allen Staaten südlich des Mittelmeeres gibt es hier viele junge Menschen ohne Arbeit und Perspektive, die für die Misere ihre Regierung verantwortlich machen. Im tunesischen Hinterland, an der Grenze zu Algerien, versuchte ein Ableger des IS, sich festzusetzen, hat aber inzwischen weitgehend an Bedeutung verloren. Diese Gegenden in der Wüste sind schwer zugänglich. Schattenwirtschaft und kriminelle Netzwerke haben fehlende staatliche Strukturen ersetzt. Für die lokale Bevölkerung stellt der Schmuggel oft die einzige Möglichkeit dar, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Für Dschihadisten bietet er eine Einnahmequelle.
In Nordafrika gibt es viele solcher Landstriche, die sich selbst überlassen sind: das nordmarokkanische Rifgebirge, wo der Drogenanbau floriert und Terroristen im Handel mitmischen. Algeriens riesiges Wüstengebiet im Süden, wo die Bevölkerung kaum an den Einnahmen aus dem Erdöl beteiligt wird und schon lange vom Schwarzhandel lebt.
Nordafrika blickt auf eine lange Tradition des Dschihadismus zurück, dessen Vernetzung bis weit in die Sahelzone hineinreicht. Seit den 1980er Jahren reisen junge Leute von hier aus in die Kriegsgebiete der Welt. Als kampferprobte Islamisten kehren sie zurück und konzentrieren sich auf die Organisation des Terrors vor Ort. Al Qaida und unzählige Splittergruppen, die sich mal zur Mutterorganisation bekennen, mal von ihr abspalten, haben so in den lokalen Gemeinschaften und Wirtschaften Fuß gefasst.
Das Verhältnis zwischen dem IS in Nordafrika und Al Qaida ist das von Rivalen. Seit der „Islamische Staat“ auf dem afrikanischen Kontinent präsent ist, haben sich autonome Gruppen zusammengeschlossen, vielleicht aus Angst davor, einfach übernommen zu werden. Doch einige sehen sich als Gefolgsleute des IS. Das betrifft die Terrororganisation Boko Haram in Nigeria sowie eine von ihr abgespaltene, größere Gruppierung. Der IS steht den Abweichlern deutlich näher als der geschwächten Boko Haram. Das ist die Art von Zulauf, auf die der IS in Afrika zählen kann: die mehr oder weniger stabile Gefolgschaft militanter Vereinigungen.
Es geht allerdings hin und her. Der algerische Bandenführer Mokhtar Belmokhtar zum Beispiel mischte einst bei der Al-Qaida-Filiale im Maghreb mit. Mit deren Anführer überwarf sich Belmokhtar und gründete eine eigene Organisation namens Mourabitoun. Doch dieser Trupp spaltete sich ebenfalls. Etwa 50 bis 80 Kämpfer bekannten sich unter ihrem Anführer zum IS.
Der Al-Qaida-Ableger in Nordafrika versucht aber, den „Islamischen Staat“ zu verdrängen. In Mali ist das fast gelungen. Der IS ist kaum noch eine Gefahr für die dort stationierten Bundeswehr-Soldaten.
Frank Jansen