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Wer schnell auf ein Elektroauto umsteigt, könnte doppelt sparen.
© Hendrik Schmidt/zb/dpa

Konjunkturprogramm für die Klimawende: Die Rückkehr der Abwrackprämie

Die Regierung will den Kauf von Elektro- und Hybrid-Autos massiv fördern und die Bürger so zum Umstieg bewegen – das könnte teuer werden.

Die Klimadebatte trägt bisweilen öko-religiöse Züge. Wenn man sieht, wie die Greenpeace-Aktivistin Marion Tiemann letztens bei „Anne Will“ den sofortigen Abschied vom Diesel und Benziner forderte und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) quasi mitverantwortlich machte für die Brände am Amazonas, dann stellt sich die Frage: Sind rationale Diskussionen noch möglich?

Das Auto ist zum Feindbild mutiert – aber der Wohlstand in diesem Land hängt auch vom Automobilsektor ab. Es muss etwas passieren, aber am besten so, dass möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben. Und so plant die Bundesregierung ein Klimawenden-Konjunkturprogramm, es erinnert fast an die Abwrackprämienmodelle in der Finanzkrise.

Die Ausgangslage: Im Verkehrsbereich ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrer Klimapolitik bisher gescheitert, die Emissionen sind hier sogar gestiegen, während sie vor allem im Energiebereich dank des rasanten Ausbaus der erneuerbaren Energien stark gesunken sind. Die schlechte Klimabilanz im Verkehr ist ein Hauptgrund, warum Deutschland bis 2020 eher 32 statt 40 Prozent weniger an Treibhausgasen in die Luft bläst als noch 1990.

Und es wird auch nichts mit der einen Million Elektro-Autos auf deutschen Straßen bis 2020. Um das Klimaziel 2030 zu schaffen – 55 Prozent weniger Treibhausgase im Vergleich zu 1990 – muss Deutschland den CO2-Ausstoß um rund 350 Millionen Tonnen senken. Im Fokus ist dabei der Verkehrssektor.

Das ist geplant: Eine Offensive für E- und Hybridautos. Anders als früher, als zum Beispiel Rot-Grün durch eine Ökosteuer versuchte, dem Problem Herr zu werden, aber die Menschen nicht einfach das Auto einmotten konnten, gibt es heute CO2-freundliche Umstiegsmöglichkeiten. Ein dem Tagesspiegel vorliegendes Entwurfspapier für den Klimaplan 2030 verspricht eine Kaufprämie von 4000 statt bisher 2000 Euro bei einem Kaufpreis unter 30000 Euro.

Dazu sollen die Hersteller nochmal 2000 Euro Rabatt geben, sodass der Wagen maximal 24000 Euro kosten würde. Für mehr als 30000 Euro Kaufpreis wird die Prämie von 2000 auf 3000 Euro erhöht, plus 2000 Euro Hersteller-Rabatt, sofern die da mitmachen. Und: Eine Million öffentliche Ladepunkte sollen bis 2030 entstehen. Bei der Förderung von Plug-in-Hybriden soll der Bundesanteil von 1500 auf 2500 Euro aufgestockt werden bei einem Kaufpreis von unter 30000 Euro, plus Herstellerrabatt könnten somit 4000 Euro Prämie drin sein.

„Die Planungssicherheit für Interessenten und Hersteller wird erhöht, indem eine staatliche Förderung bis mindestens 2025 verbindlich festgelegt wird“, heißt es in dem Papier. Die Kfz-Steuer könnte sich stärker nach dem CO2-Ausstoß bemessen. Die Maut für Lkw soll ab 2023 faktisch verdoppelt, dafür aber Prämien für den Kauf von E-Lieferwagen oder Gas- oder Wasserstoff-Lkw gezahlt werden.

Die Logik dahinter: Wer schnell umsteigt, spart doppelt. Man kann die Prämie kassieren und wird auch nicht von einer geplanten CO2-Bepreisung für Benziner und Diesel getroffen. Zugleich soll massiv der ÖPNV gefördert werden, ebenso die Bahn über eine flächendeckende Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent. Auch das kostet den Bund Geld. Und die Frage ist: Kann die Bahn das verkraften? Neue Züge lassen sich nicht auf Knopfdruck beschaffen.

Der Bund will nach Jahren der kleinen Schritte nun mit einem großen Programm nachhelfen. Das könnte in der Tat im Verkehr einiges bewirken. Aber dass es auch anders laufen kann, zeigt eines der bisher teuersten Projekte – das Baukindergeld in Höhe von 12000 Euro je Kind beim Bau oder Erwerb einer Immobilie. Es hat bisher kaum Effekte zur Entspannung des Wohn- und Mietmarktes, die Grünen kritisieren, dadurch würde in Ballungsgebieten durch die Umwandlung von mehr Miet- in Eigentumswohnungen Mietwohnraum noch knapper und teurer.

Die Umweltfrage: Sind E-Autos wirklich die Lösung? Zumindest sollte nicht außer Acht bleiben, wie umweltschädlich die Herstellung der Batterien ist. Wer die Lithiumproduktion in Bolivien gesehen hat, den enormen Wasser- und Ressourcenverbrauch am Salzsee von Uyuni, bekommt eine Ahnung, dass anderswo erhebliche Folgewirkungen zu erwarten sind, damit hier das E-Auto rollt. „Hinsichtlich des gesamten Rohstoffaufwandes haben Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor einen Vorteil“, räumt das Umweltministerium ein.

Pendler-Entlastung: Nicht wenige haben sich aufgeregt über die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne), die im Tagesspiegel-Interview gesagt hat, die Hauptstadt müsse bis spätestens 2030 zur E-Auto-Zone werden. Der Pendler, den schon die hohen Mieten aus Berlins Zentrum vertrieben haben, soll sich also ein neues Auto kaufen, um künftig noch zur Arbeit fahren zu können? Union und SPD sehen den Klimaschutz auch als soziale Frage, sie haben die Gelbwestenproteste in Frankreich wegen gestiegener Spritpreise durch einen CO2-Aufschlag im Blick.

Daher könnte die Pendlerpauschale steigen, um Autofahrer mit Verbrennungsmotor nicht auf die Barrikaden zu treiben. Die CDU hat zudem gefordert, dass „Menschen mit sehr geringem Einkommen, bei denen die Pendlerpauschale keine Auswirkung auf das verfügbare Einkommen hat“, zusätzlich entlastet werden – um gerade den ländlichen Raum nicht zum Verlierer der Klimaoffensive zu machen.

Knackpunkt schwarze Null: Wo der große Konflikt um des sozialen Friedens willen gescheut wird, soll mit viel Geld die Trendwende geschafft werden. Die Gesamtkosten des Pakets werden auf mindestens 40 Milliarden Euro bis 2023 geschätzt – dazu kommt fast die gleiche Summe, um den bis 2038 geplanten Kohleausstieg abzufedern.

So wird das für Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Quadratur des Kreises. Denn am Ende soll weiter die „schwarze Null“ stehen – um den Haushalt ohne neue Schulden zu schaffen, muss Scholz fast alle Rücklagen aufbrauchen. Wie sagt Angela Merkel: Es geht halt um einen „gewaltigen Kraftakt“.

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