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Unerwartete Annäherung: Die SPD schwimmt auf von der Leyens Welle.
© dpa

Von der Leyen und die SPD: Die Rentenkoalitionäre

Das Konzept der Zuschussrente von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist in ihrer eigenen Partei, der CDU, heftig umstritten. Nun präsentiert die SPD ganz ähnliche Pläne. Ein Zufall?

In der Summe sind sie sich schon mal einig. Auf bis zu 850 Euro möchte Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Renten für langjährig Versicherte bekanntlich aufstocken, bei ihr heißt das Ganze „Zuschussrente“. Die SPD hat den Namen „Solidarrente“ gewählt, sich aber auf die exakt gleiche Summe festgelegt.

Auch das dahinter stehende Prinzip ist das gleiche: Wer regelmäßig arbeitet und Beiträge einzahlt, soll am Ende auch als Geringverdiener deutlich mehr Rente haben als diejenigen, die nichts dergleichen tun. Die CDU-Ministerin hat das am Wochenende ausdrücklich hervorgehoben. „Es ist gut, dass die SPD die Gerechtigkeitslücke mit ähnlichen Mitteln angehen will“, sagte sie – und verwies darauf, dass Rentenreformen bisher immer in gesellschaftlichem Konsens erfolgt seien.

Ist das bereits der „Steigbügel“ für eine große Koalition, wie es ihr die FDP wütend unterstellt? Leyens Lob für das Rentenpapier der SPD ist fraglos auch dem Widerstand geschuldet, dessen sich die Ministerin derzeit im eigenen Lager erwehren muss. Bei allen Unterschieden im Detail – ihr rentenpolitisches Konzept liegt den Vorstellungen der größten Oppositionspartei näher als den Wünschen ihres eigenen Koalitionspartners. Hier eine Aufstellung, was beide Seite im Einzelnen wollen, wo die Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede sind.

MINDESTRENTE

von der Leyen: Wer mindestens 30 Jahre lang Beiträge gezahlt hat und 40 Jahre lang gesetzlich rentenversichert war (hier zählen auch Ausbildung, Krankheit, Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit), erhält seine Rente auf bis zu 850 Euro aufgestockt. Zum Zuge kommt aber nur, wer gleichzeitig über längere Zeit zusätzlich fürs Alter vorgesorgt hat, etwa per Riester-Rente. Die erforderliche Vorsorge-Zeitspanne steigt von null (in den Anfangsjahren) schrittweise bis auf 35 Jahre (ab 2049). Ab 2023 müssen Anspruchsberechtigte zudem 35 Beitrags- und 45 Versicherungsjahre vorweisen. Finanziert wird die Zuschussrente aus den Beiträgen und aus Steuern.

SPD: Die Höhe beträgt ebenfalls 850 Euro, die Zugangsbedingungen sind aber leichter. So sind für Leyens Zuschussrente in der Endphase 45 Versicherungsjahre erforderlich, für die Solidarrente der SPD nur 40 Jahre. Zudem ist dafür kein Nachweis privater Zusatzvorsorge nötig. Wer dennoch vorgesorgt hat, bekommt dies am Ende von der Solidarrente abgezogen – zusammen mit anderen Zusatzeinkünften. Leyens Zuschussrentner dagegen bekommen ihre Riesterrente nicht angerechnet. Und anders als in ihrem Konzept wird die Aufstockung bei der SPD nicht den Beitragszahlern aufgebürdet, sondern voll aus Steuern bezahlt.

ZUSATZVORSORGE

von der Leyen: Nur wer über längere Zeit auch zusätzlich vorgesorgt hat, bekommt seine gesetzliche Rente aufgestockt. Gleichzeitig erhält er die Garantie, dass ihm diese Ersparnis am Ende nicht – wie bisher bei der Grundsicherung – wieder abgezogen wird. Mit dieser Kombination will die CDU-Politikerin auch Geringverdienern die staatlich geförderte Privatvorsorge schmackhaft machen. Bisher verfügen 40 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Geringverdiener über keinerlei zusätzliche Alterssicherung, das sind 1,8 Millionen Beschäftigte. Sie können somit das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente nicht, wie vorgesehen, kompensieren.

SPD: Mit Abschluss seines Arbeitsvertrages soll künftig jeder Beschäftigte automatisch auch eine betriebliche Altersversorgung erhalten – es sei denn, er widerspricht. Vorgesehen ist, zwei Prozent aus dem lohnsteuerpflichtigen Brutto als Altersvorsorgebeitrag abzukoppeln und diese Vorsorge „pauschal mit 400 Euro pro Jahr“ staatlich zu fördern. Individuell kann diese Entgeltumwandlung auf bis zu sechs Prozent des Bruttoeinkommens erhöht werden. Von den Betriebsrenten soll dann nicht mehr wie bisher der volle, sondern nur noch der hälftige Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen werden.

ERWERBSMINDERUNG

von der Leyen: Bisher werden Erwerbstätige, die wegen Krankheit vorzeitig in den Ruhestand gehen, bei ihrer Rente so gestellt, als hätten sie bis zum 60. Lebensjahr gearbeitet. Diese sogenannte Zurechnungszeit soll stufenweise auf 62 Jahre angehoben werden. Die Erhöhung erfolgt parallel zur schrittweisen Erhöhung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre. Und wenn das Einkommen in den letzten vier Erwerbsjahren aufgrund der sich anbahnenden Erwerbsminderung das Einkommen bereits geschmälert hat, soll dies den Rentenanspruch künftig nicht verringern.

SPD: Auch hier ist vorgesehen, die Zurechnungszeiten von 60 auf 62 Jahre anzuheben – allerdings nicht stufenweise, sondern in einem Schritt. Gleichzeitig sollen die Abschläge auf die gewöhnliche Altersrente von bis zu 18 Prozent komplett abgeschafft und die letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung deutlich höher bewertet werden. Finanziert werden soll dies komplett aus Beitragsmitteln. Laut SPD müsste der Beitragssatz dafür in den Jahren 2014 bis 2029 generell um 0,4 Prozentpunkte höher angesetzt werden als bisher geplant.

RENTENEINTRITT

von der Leyen: Bisher wagen viele keinen flexiblen Einstieg in die Altersrente, weil eine vorgezogene Rente trotz der Möglichkeit des Zuverdienstes für sie oft ein Draufzahlgeschäft ist. Mit ihrer „Kombi-Rente“ will Leyen das ändern. Wer vorzeitig in Rente gehen will, muss zwar weiterhin Abschläge hinnehmen, kann daneben aber so viel dazuverdienen, bis er damit sein höchstes Brutto-Einkommen der vergangenen 15 Jahre erreicht. Bis zu dieser Obergrenze könnten Rente und Lohn künftig also „stufenlos miteinander gemixt werden“, heißt es in ihrem Konzept.

SPD: Trotz interner Kritik bleibt die Partei bei der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67. Allerdings soll es flexiblere Übergänge in die Rente geben. So ist die Möglichkeit vorgesehen, die Arbeitszeit ab dem 60. Lebensjahr in Zehn-Prozent-Schritten um bis zu 70 Prozent zu reduzieren. Die damit verbundenen Rentenabschläge könnten „durch unbegrenzte Hinzuverdienste in anderen – weniger belastenden – Tätigkeiten ebenso ausgeglichen werden wie durch einen vom Arbeitgeber gezahlten Ausgleich“. Dies wäre dann auch kostenneutral.

SELBSTÄNDIGE

von der Leyen: Künftig sollen alle Selbstständigen zu einer Alterssicherung verpflichtet werden. Allerdings können sie frei wählen, ob sie sich gesetzlich oder privat absichern wollen. Einzige Bedingung: Die zu erwartenden Erträge dürfen nicht übertragbar, beleihbar oder veräußerbar sein, und sie müssen oberhalb der staatlichen Grundsicherung im Alter liegen. Ansonsten gibt es Möglichkeiten zur flexiblen Beitragszahlung und zur Beitragsfreiheit in der Phase der Firmengründung.
SPD: Alle Selbstständigen sollen, „sofern sie nicht bereits über ein anderes der etablierten obligatorischen Alterssicherungssysteme abgesichert sind“, in die gesetzliche Rentenversicherung gezwungen werden. Dadurch erhielten sie dann auch Zugang zur  Riester-Förderung, heißt es. Allerdings will die SPD „besonderen Bedürfnissen“ dieser Gruppe Rechnung tragen – etwa durch Rücksichtnahme auf unregelmäßige Einkünfte oder Beitragsfreiheit in der ersten Zeit nach der Firmengründung.

KINDERERZIEHUNGSZEITEN:

von der Leyen: Die Bewertung der Pflichtbeitragszeiten soll für diejenigen, die auf mindestens ein Jahr Kindererziehung oder Pflegearbeit kommen, um 150 Prozent angehoben werden – allerdings mit einer Begrenzung auf maximal einen Entgeltpunkt pro Jahr. Das entspricht dem Wert für den jährlichen Durchschnittsverdienst. Allerdings profitieren davon nur Frauen, deren Kinder nach 1992 geboren wurden. Viele Unionsfrauen dringen auf Verbesserungen auch für ältere Mütter.

SPD: Kindererziehungszeiten sollen künftig für alle Neurentner gleich bewertet werden. „Für die Ungleichbehandlung vor oder nach dem Geburtsjahr 1992 gibt es keine Begründung“, heißt es im SPD- Konzept. Bisher erhielten Versicherte für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, weniger Rente als für später geborene. Die Differenz pro Kind liege im Westen bei bis zu 121 Euro im Monat, im Osten bei bis zu 107 Euro. Kosten der Angleichung: 150 Millionen Euro pro Jahr.

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