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Marine Le Pen und Geert Wilders: die EU erobern, um das Projekt zu begraben.
© AFP

Nach Front National-Sieg in Frankreich: Die Rechtspopulisten treiben Europa vor sich her

Seit dem Sieg des Front National sind die Fremdenfeinde in Europa so stark wie lange nicht mehr. Was wollen die Rechtspopulisten?

Der Front National (FN) hat einen historischen Sieg errungen. Auch in anderen Ländern Europas sind rechte Parteien auf dem Vormarsch.

Wie reagiert Frankreich?
Zwar entsprach das Ergebnis ziemlich genau dem, was die Demoskopen zuvor vorausgesagt hatten. Trotzdem titelte die konservative Zeitung „Le Figaro“ am Montag angesichts des Ergebnisses des FN, der nach dem ersten Wahlgang in sechs der 13 Regionen vorn liegt, mit den Worten „Der Schock“. Dieselbe Überschrift wählten auch die Redakteure einer Zeitung, die im Gegensatz zum „Figaro“ eine linke Leserschaft anspricht: Auf der Titelseite der „L’Humantité", des früheren Zentralorgans der französischen Sektion der Arbeiter-Internationale, prangte ebenfalls die „Schock“-Überschrift. Das Rekordergebnis des FN löst also parteiübergreifend Ratlosigkeit aus.

Welche Strategie verfolgen Sozialisten und Republikaner vor dem zweiten Wahlgang?

Die sozialistische Regierungspartei von Staatschef François Hollande kam nur auf 23,1 Prozent und zog ihre Listen in den Regionen Nord-Pas-de-Calais-Picardie und Provence-Alpes-Côte d’Azur (PACA) zurück. Damit wollen die Sozialisten den Weg für die FN-Parteichefin Marine Le Pen und ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen verbauen, die in den beiden Regionen im ersten Wahlgang die meisten Stimmen verbucht hatten. Doch vor allem in der Region PACA im Süden ist unklar, ob die Strategie aufgeht – schließlich geht sie davon aus, dass möglichst viele Sozialisten dem sehr umstrittenen Spitzenkanidaten der konservativen Republikaner, Christian Estrosi, ihre Stimme geben. Estrosi, ein Vertrauter von Ex-Präsident Sarkozy, kommt aber rhetorisch dem FN sehr nahe.

Während die Sozialisten lange mit sich rangen, ob sie im zweiten Wahlgang eine „republikanische Front“ gegen den FN aufbauen, hatte der machtbesessene Sarkozy bereits am Wahlabend sehr früh einen Pflock eingeschlagen und verkündet, dass sich die Kandidaten der Republikaner in der zweiten Runde weder zurückziehen noch gemeinsame Listenverbindungen mit den Sozialisten einzugehen bereit wären.

Die Republikaner hatten sich ein besseres Ergebnis im ersten Wahlgang ausgerechnet. Allerdings wurde der Partei zum Verhängnis, dass sie sich nach den Pariser Terroranschlägen vor drei Wochen kaum profilieren konnte, da Präsident François Hollande seit der Verhängung des Ausnahmezustands und der Ausweitung der Luftschläge gegen den „Islamischen Staat“ in Syrien die Agenda bestimmte. Im ersten Wahlgang landeten die Konservativen mit rund 27 Prozent hinter dem FN.

Wie ist die Situation in Polen?

Der deutliche Rechtsruck wurde vor sechs Wochen durch den Wahlsieg von „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) markiert. Als Premierministerin hat PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski die gemäßigte Beata Szydlo vorgeschoben, doch die Regierungspositionen werden von ihm alleine vorgegeben. In der Debatte um Flüchtlinge schreckt Kaczynski nicht vor populistischer Angstmache vor dem Islam zurück. Das von der PiS bevorzugte Medienimperium des teils antisemitischen Pater Tadeusz Rydzyk hat gerade eine neue Offensive gegen die angebliche Islamisierung Polens begonnen. Der Anteil von Muslimen an der polnischen Bevölkerung beträgt 0,2 Prozent.

Im Unterschied zu Kaczynskis Vorbild Viktor Orban hat die PiS keine ernstzunehmende Konkurrenz von Rechts. Neun rechtsextreme Abgeordnete der populistischen Newcomerpartei „Kukiz’15“ haben zwar gerade eine eigene Fraktion gebildet, doch 9 von 450 Parlamentariern kommen nie an die Stärke der ungarischen Partei Jobbik heran. Auch könnte die der katholischen Kirche nahe stehende PiS künftig vom Episkopat etwas gemäßigt werden. Kaczynskis PiS bleibt dennoch klar auf Anti-EU-Kurs. Nur Geld aus Brüssel ist noch willkommen.

Wie entwickelt sich Ungarn?

Der seit April 2010 regierende rechtskonservative ungarische Regierungschef Viktor Orban hat Brüssel schon oft an den Rand der Verzweiflung gebracht. Indes war der Ungar auch immer wieder kompromissfähig. Zuhause in Ungarn gibt er sich zwar gerne als EU-Gegner, doch einen Austritt zieht Orban nicht in Betracht. Er selbst sieht sich eher als EU-Reformer denn als Gegner, doch weiß der scharfe Rhetoriker auch, was seine Wähler hören wollen. „Ungarn zuerst!“, lautet deshalb Orbans Parole und selbst vor revisionistischen Tönen etwa gegenüber Rumänien oder der Slowakei schreckt Orban nicht zurück, der wie viele seiner Landsleute die Verzwergung Ungarns durch den Vertrag von Trianon im Jahr 1920 noch immer nicht verkraften will. Auch vor xenophoben Ausfällen gegen Flüchtlinge und Angstmacherei vor angeblicher Überfremdung und Islamisierung macht Orban nicht Halt. Dabei wird er getrieben von der Oppositionspartei Jobbik, dem rechtsextremen Zerrbild seiner eigentlich konservativen Partei Fidesz. Dazu dient sich Orban dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an, von dem sich der Ungarn einen Teil seiner umstrittenen und teuren Investition etwa in die Atomkraft finanzieren lässt. Dieser Pakt erlaubte es Orban, IWF- und EU-Finanzhilfen mit deren restriktiven Auflagen zu umgehen. Zuletzt hebelte Orban die Schengenregeln mit dem Bau von Grenzzäunen aus. Doch nach Jahren des Orbanismus lässt sich sagen: Eine Gefahr für Brüssel stellt der Regierungschef des seit Jahren von der Pleite bedrohten kleinen Landes nicht dar. Das hat auch Orban erkannt und versucht deshalb die Visegrad-Gruppe anzuführen und so seine Idee von einer „antiliberalen Gesellschaft“ zu verwirklichen. Doch auch das klappt mäßig: die Interessen Ungarns, Polens, Tschechiens und der Slowakei sind meistens zu verschieden.

Wie steht es um die Rechtspopulisten in Westeuropa?

In Dänemark avancierte kürzlich eine Abstimmung über engere Zusammenarbeit mit der EU zu einem Votum gegen eben jene EU. In einem Referendum stimmten 53 Prozent der Dänen gegen die Abschaffung ihrer Sonderregeln in der europäischen Rechtspolitik. Damit scheidet das Land wohl 2016 aus der EU-Polizeibehörde Europol aus. Vor allem aber ist es schon das dritte Mal innerhalb von eineinhalb Jahren, dass sich die Rechtspopulisten der Dansk Folkeparti (DF) als Sieger fühlen können. 2014 stimmte bei der Europawahl mehr als jeder vierte Wähler für die DF und ihren Spitzenkandidaten Morten Messerschmidt. Danach ging sie aus der Parlamentswahl als zweitgrößte Partei hervor.

In den Niederlanden treibt Geert Wilders bereits seit Jahren die politische Kaste vor sich her. 2017 will Wilders Regierungschef werden – aktuell führt seine PVV in den Umfragen. Die Meinung des Rechtspopulisten – der gerne bei Gleichgesinnten in ganz Europa auf Tour geht – ist bezogen auf Flüchtlinge eindeutig: „Die einzige Möglichkeit mit der Krise umzugehen, ist unsere nationale Souveränität zurückzugewinnen und die Grenzen zu schließen.“

In der Schweiz bleibt die SVP mit ihrem Strippenzieher Christoph Blocher dominant. Bei der Parlamentswahl im Oktober gelang ein Sieg mit über zehn Prozentpunkten Vorsprung. Wie bei anderen auch gehen bei der SVP Forderungen nach härteren Regeln gegen Asylsuchende und mehr Distanz zur EU Hand in Hand. Dabei ist die Schweiz nicht einmal Mitglied der Staatengemeinschaft.

In Großbritannien ist für die Rechten vor allem die EU der Feind – und weniger die Muslime. Insgesamt haben rechte Strömungen in fast in allen europäischen Staaten zugelegt. Nur in Spanien und Portugal bleiben die Rechtspopulisten ohne jeden Einfluss.

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