EU-Ratspräsident Donald Tusk: "Die Flüchtlingswelle ist zu groß, um sie nicht zu stoppen"
Gegenwind für Kanzlerin Merkel: EU-Ratschef Donald Tusk will die Zahl der Flüchtlinge in Europa bremsen. EVP-Chef Manfred Weber unterstützt ihn dabei.
EU-Ratschef Donald Tusk hat zu einer Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik aufgerufen. Niemand in Europa sei bereit, "diese hohen Zahlen aufzunehmen, Deutschland eingeschlossen", sagte er im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" und fünf anderen europäischen Blättern (Donnerstagsausgaben).
Mit Blick auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und weiteren führenden Politikern sagte Tusk weiter: "Manche von ihnen sagen, die Flüchtlingswelle sei zu groß, um sie zu stoppen. Das ist gefährlich."
Vor allem durch eine drastische Ausdehnung der Prüfzeit will der frühere polnische Ministerpräsident die hohe Zahl der Ankömmlinge bremsen. Im Völkerrecht und auch im EU-Recht gebe es eine Regel, wonach "18 Monate für die Überprüfung gebraucht werden", wurde Tusk vom britischen "Guardian" zitiert. Derzeit sei es "zu einfach" für die Flüchtlinge, in die EU zu gelangen. "Bitte spielen sie die Rolle der Sicherheit nicht herunter", sagte Tusk weiter. "Wenn man Einwanderer und Flüchtlinge überprüfen will, braucht man mehr als nur eine Minute für Fingerabdrücke."
EVP-Chef Manfred Weber unterstützt Forderungen von Tusk
Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, hat den Vorstoß des EU-Ratschefs Donald Tusk für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen in Europa begrüßt. Europa müsse einerseits "sein humanes Gesicht der Hilfsbereitschaft durch die großzügige Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen" zeigen und andererseits deutlich machen, "dass nicht jeder nach Europa kommen kann, der hierher kommen will", sagte der CSU-Politiker dem Tagesspiegel.
Tusk liegt mit Merkel über Kreuz
Der Ratschef liegt in der Flüchtlingsfrage mit Merkel über Kreuz, die seit Monaten für eine Umverteilung der Neuankömmlinge unter allen EU-Staaten kämpft. Gegen den Widerstand Polens und anderer osteuropäischer Länder hatten die EU-Innenminister im September zunächst eine Umsiedlung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beschlossen.
Die Entscheidung per qualifizierter Mehrheit grenze an "politische Nötigung", sagte Tusk, der die Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs einberuft und leitet. Er könne verstehen, dass es mehrere Länder gebe, die sich gegen einen permanenten und verbindlichen Umverteilungsmechanismus stemmten.
Nach der Slowakei zieht auch Ungarn gegen die Verteilung vor Gericht
Nach der Slowakei zieht Ungarn gegen die Quotenregelung der EU zur Verteilung von Flüchtlingen vor Gericht. Die Klage beim Europäischen Gerichtshof werde „heute“ eingereicht, erklärte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Donnerstag in Budapest, wie die staatliche ungarische Nachrichtenagentur MTI berichtete. „Es reicht nicht, zu protestieren, man muss auch handeln“, fügte der nationalkonservative Regierungschef hinzu. (mit AFP)