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83 Prozent der Berliner CDU-Mitglieder stimmten in einer Befragung für die Offenhaltung des Flughafens.
© Thilo Rückeis

CDU-Mitgliederbefragung zu Tegel: Die Quittung für das Staatsversagen

Die CDU-Mitgliederbefragung zu Tegel spiegelt den Zorn der Berliner über die Politik - über das Ergebnis darf sie deshalb nicht einfach hinweggehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Die Tendenz des Ergebnisses war erwartbar, aber seine Deutlichkeit überrascht doch. Auch da, wo der Fluglärm die Menschen am meisten belästigt, in Spandau und in Pankow, haben sich zwei Drittel der abstimmenden CDU-Mitglieder für ein Offenhalten des Flughafens Tegel ausgesprochen. Im Südwesten und Westen der Stadt, wo hingegen mehr Flugverkehr in Schönefeld die Menschen ärgern würde, stieg die Pro-TXL-Quote auf fast 90 Prozent.

Man kann, Umfragen zeigen es, davon ausgehen, dass die Werte in der Gesamtbevölkerung ähnlich sind. Kann, darf die Politik über solche Ergebnisse hinweggehen?

In Berlin ist es Volkssport, die BER-Baugeschichte zu verspotten

Nein, das darf sie nicht. Sie muss zunächst einmal analysieren, woher solche Stimmungen kommen, und dann Konsequenzen ziehen. Es ist in Berlin zum Volkssport geworden, die Baugeschichte des BER als eine auf Dauer unvollendete, stadt-typische Posse zu verspotten. Mit Aplomb und Getöse starten, auf der Strecke immer mehr Tempo verlieren und am Ziel nie ankommen – det is Berlin fern aller Sprüche. Da steckt der bittere Zorn über ein Gemeinwesen dahinter, das es seinen Bürgern verdammt schwermacht, stolz auf diese Stadt zu sein.

Hätte der neue Flughafen, wie geplant, vor fünf Jahren eröffnet, würden wir über einen Flughafen Tegel heute vermutlich nicht mehr reden und uns im Nachhinein glücklich und dankbar schätzen, dass es über all die Jahrzehnte hinweg gut gegangen ist, große Flugzeuge mitten in der Stadt starten und landen zu lassen. Aber inzwischen vernebelt der Schönefelder Staub die Gemüter so, dass wir meinen, Risiken nicht mehr zur Kenntnis nehmen zu müssen. Und um die Vermeidung von Risiken ging es, als erst die Planer und am Ende auch das Bundesverwaltungsgericht die Eröffnung des BER zwingend mit der Schließung von Tegel verbanden.

Jetzt könnte man ein weiteres BER-Terminal planen, das braucht`s in jedem Fall

Es geht anders, ja. Alles auf Anfang. Aber nicht im Hauruck-Verfahren, sondern auf einem juristisch klaren Weg, der über die Parlamente als Gesetzgeber und dann vor die Gerichte führt. Der Landtag von Brandenburg und das Abgeordnetenhaus von Berlin müssen den geltenden Landesentwicklungsplan für die Flughäfen ändern und den zusätzlichen Standort Tegel beschließen. Der Flughafen-Mitgesellschafter Bund wird sich dagegen nicht sträuben, das steht schon fest. Dann wird dagegen geklagt werden, wieder bis zum Bundesverwaltungsgericht.

Das kann, das wird Jahre dauern. Wenn der BER eröffnet – vor der Nennung eines neuen Termins drücken sich alle –, aber dennoch: wenn er eröffnet, nicht falls, beginnt die Sechs-Monats-Frist bis zur Schließung von Tegel. Ein Moratorium, eine Fristverlängerung von einigen Monaten, bis sich der Betrieb in Schönefeld eingespielt hat, wird man vereinbaren können. Aber keine Jahre. Auch über das alles werden am Ende Gerichte entscheiden. Was man jetzt schon tun kann: Die Planungen für ein weiteres Terminal am BER vorantreiben, das braucht man in jedem Fall, die Kapazitäten der Startbahnen reichen hingegen für 40 Millionen Passagiere. Aber selbst da traut sich ja niemand ran.

Der Verfasser lebt, von Fluglärm ungestört, in Hermsdorf, nördlich des Flughafens Tegel. Das Aus für TXL brächte ihm keinen Vorteil.

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