Ann Romney und Michelle Obama: Die Präsidentenmacherinnen
Die US-Präsidentenwahl wird von den Frauen entschieden. Herausforderer Mitt Romney kann diese Wählergruppe aber nur schwer für sich einnehmen. Sein stärkstes Argument ist seine Frau Ann. Die hat sich viel von Michelle Obama abgeschaut.
Dieser Abend soll ihr großer Moment werden. Und sie will ihn nutzen, „alle Reißverschlüsse zu öffnen und den wahren Mitt Romney herauszulassen“. Niemand kennt diesen Mitt Romney, den Mann, der zuerst die Republikaner von sich überzeugt hat und den nun die ganze Nation zum Präsidenten wählen soll, so gut wie Ann Romney. Noch immer fragen sich viele Amerikaner, warum sie den oft hölzern und unnahbar wirkenden Kandidaten wählen sollen. Seine Frau weiß es.
Die Präsidentenwahl im November wird von Frauen entschieden. Seit langem war Ann Romney als Hauptrednerin am Eröffnungstag der Republican Convention in Tampa, Florida, eingeplant. In dem Moment, da das Land auf den Krönungsparteitag der Republikaner blicken würde, wollte sie allen zeigen, was ihr Mitt für ein Kerl ist. Wer könnte eine bessere Kronzeugin sein als die Frau, die seit 42 Jahren mit ihm verheiratet ist? Ann würde einmal mehr erzählen, warum der öffentliche Eindruck täuscht. Dass Mitt in Wahrheit ein wilder, spontaner und humorvoller Mensch ist. Und dennoch ein verlässlicher Partner und Familienvater. Einer, so will sie vor allem den Frauen vermitteln, dem man auch ein Land anvertrauen könne.
Doch wie schon so oft im Leben der 63-Jährigen haben sich ungeahnte und von ihr unverschuldete Hindernisse vor ihr aufgebaut. Seit Tagen zieht Tropensturm „Isaac“ an der Küste von Florida entlang, lädt sich über den warmen Wassern des Golfs von Mexiko mit Energie auf, droht zu einem Hurrikan anzuwachsen und wirft jetzt schon den Verlauf des Nominierungsparteitags über den Haufen. Der erste Tag wurde gestrichen – und Anns Auftritt auf den heutigen Dienstag verlegt.
Obama gegen Romney: Der US-Wahlkampf 2012 in Bildern
Im Kampf um das Weiße Haus sind die Ehefrauen diesmal ein strategischer Faktor. Zwischen Ann Romney und Michelle Obama liegen Welten. Obwohl beide aus der alten Industrieregion um die Großen Seen stammen, verkörpern sie zwei verschiedene Generationen, zwei fast gegensätzliche Rollenbilder, zwei unterschiedliche Modestile. Beide kämpfen sie um die größte Wählergruppe, die Frauen. Die wählen überwiegend die Demokraten, während Männer eher den Republikanern näherstehen. Romney muss wenigstens einen Teil der weiblichen Wähler für sich gewinnen, damit Obamas Vorsprung unter ihnen nicht zu groß wird. Das ist Anns Aufgabe.
Auf den ersten Blick wirkt Ann Romney weich, warm und fast ein bisschen zerbrechlich. Freunde der Familie sagen jedoch, sie habe ihren eigenen Kopf, wisse genau, was sie wolle, und verfüge über ein Rückgrat aus Stahl. Eine Fehlgeburt im siebten Monat musste sie verkraften, sie litt unter Brustkrebs und Multipler Sklerose.
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Äußerlich entspricht sie dem klassischen Bild der Politikergattin, der Frau an seiner Seite, die als Zeugin von Charakter ein paar nette Worte über den Charakter ihres Mannes verliert, ihn anhimmelt und sich aus der Sachpolitik heraushält.
Ein typischer Wahlkampfauftritt von Ann Romney beginnt damit, dass sie mit dem Publikum flirtet, kaum dass sie auf der Bühne steht. „Danke, Danke“, versucht sie den Beifall zu beenden. Und beschwert sich, als das Geklatsche nicht nachlassen will, in gespieltem Unmut: „Ihr hört nicht auf mich!“
Wie Ann Romney von Michelle Obama gelernt hat
Was folgt, ist eine Lobeshymne auf „meinen Helden, den Vater meiner fünf Söhne, den Großvater unserer 18 Enkel“ – lange Spannungspause – „und den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten“. Sie spricht im Plauderton, lacht zwischendurch und lässt schon mal durchblicken, dass sie Einfluss nimmt auf Mitts Aussehen und Auftreten. Im Frühjahr ging das Gerücht um, sie habe ihm neue Jeans mit einem anderen Schnitt verpasst. Damals begleitete sie ihn regelmäßig zu Wahlkampfterminen und stellte ihn dem Publikum mit einer kurzen Einführung vor. Es war zu einem Ritual geworden. In South Carolina ging sie vor einem solchen Auftritt auf wartende Reporter zu und fragte: „Na, soll ich ihn fragen, wo seine Röhrenjeans geblieben sind?“ Dann drehte sie sich zu Mitt um: „Sag mal, wo hast du eigentlich diese eng anliegenden Jeans gelassen?“
Ann gilt als die Wunderwaffe, die den kühlen und rationalen Wirtschaftsmanager Mitt Romney menschlicher aussehen lassen kann. Das Wahlkampfteam hat ihr den Spitznamen „The Mitt Stabilizer“ gegeben, weil ihre Präsenz ihn sofort souveräner erscheinen lässt.
Da ähnelt ihre Rolle der der First Lady. Auch Barack Obama galt im Wahlkampf 2008 als zu verkopft und zu intellektuell. Michelle Obama fand rasch einen Dreh, ihn besser aussehen zu lassen. Sie machte sich vor Publikum über Barack, den Hausmann, lustig, der oft vergesse, die Butter zurück in den Kühlschrank zu stellen. Und der weniger gut im Bettenmachen sei als seine damals fünfjährige Tochter. Er sei mit seinen Gedanken einfach immer woanders, lautete die eine Botschaft, die andere war ein Effekt: Auf einmal konnten die Bürger einen Ausschnitt aus ihrem eigenen Leben in dem dieses ungewöhnlichen und irgendwie fremden Kandidaten wiederfinden.
Auch 2012 ist Michelle Obama eine Hilfe von unschätzbarem Wert für den Wahlkampf ihres Mannes. Sie hat den Ansehensverfall, den er im Amt erlitten hat, unbeschadet überstanden. Michelle Obama erreicht bis heute Sympathiewerte von 69 Prozent. Wie es überhaupt die Ehefrauen in diesem Duell sind, die beliebter als ihre Männer sind. Auf 56 Prozent Zustimmung kommt Obama derzeit nur noch. Romney erreicht 35 Prozent. Seine Frau aber mehr als 40 Prozent.
Unter der Hand geben republikanische Strategen zu, dass Ann Romney sich viele Tricks, wie man den Ehemann nahbarer erscheinen lässt, bei Michelle Obama abgeschaut habe. Und Ann hat nur Lob übrig für die First Lady, nennt sie „anmutig“ und „liebenswert“ – Worte, mit denen sie wohl kaum Hillary Clinton beschreiben würde, diesen ganz anderen Typus von Präsidentengattin, die selbst Politik gestalten wollte. Aber Ann Romney unterlaufen auch Fehler, sogar nach Ansicht ihrer Berater. Wenn sie in eine Talkshow eingeladen werde, solle sie einfach nur vom Menschen Mitt erzählen und sich nicht dazu hinreißen lassen, Angriffe der Gegenseite parieren zu wollen. Erst kürzlich verstieg sie sich in einem CBS-Interview zu dem Vorwurf, Präsident Obama wolle ihren Mann „erledigen“. In einem anderen Gespräch verkündete sie, dass „wir keine weiteren Steuererklärungen veröffentlichen werden“. So befeuerte sie ungewollt die Kritik daran, dass Mitt Romney sein Einkommen nur für die letzten zwei Jahre offenlegen möchte, nicht aber für die vergangenen zehn – ein Maßstab, den Vater Romney bei dessen Präsidentschaftskandidatur 1968 gesetzt hatte und der inzwischen allgemein gilt. Der Streit deutet an, dass es 2012 um einen unbarmherzigen Lagerwahlkampf geht, an dessen Ende zwei gegensätzliche Gesellschaftsmodelle zur Wahl stehen.
Ann Davies wurde 1949 in Bloomfield Hills, Michigan, geboren, Armut hat sie nie gekannt. Ihr Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der die Marine belieferte. Ann und ihre beiden Brüder besuchten eine Privatschule. Als sie 16 war, verliebte sie sich in den gut aussehenden Sohn einer anderen Millionärsfamilie: Mitt Romney. Der war zwei Jahre älter und ging auf eine Privatschule in der Nähe. Sein Vater war oberster Manager von American Motors gewesen und inzwischen Gouverneur von Michigan. Mitt zuliebe trat Ann mit 19 zum Mormonentum über und heiratete ihn kurz vor ihrem 20. Geburtstag. Sie entschied sich „aus freien Stücken“, wie sie betont, und gegen die Bedenken ihrer Eltern für eine Rolle als Hausfrau und Mutter, ließ ihr Studium unvollendet und brachte in den nächsten elf Jahren fünf Söhne auf die Welt. Ihr Mann studierte derweil, erst an der mormonischen Brigham Young Universität, dann Ökonomie in Harvard und begann schließlich, ein Millionenvermögen im Investmentgeschäft zu verdienen, dann strebte auch er in die Politik.
Michelle Obama steht für einen anderen Lebensentwurf
Ihre Rollenwahl war Auslöser einer Kontroverse im April. Ann Romney trat da vermehrt im Wahlkampf auf und riet berufstätigen Müttern, die um ihren Job fürchten oder finanzielle Probleme haben, Mitt Romney zu wählen. Mit ihm komme der Wirtschaftsaufschwung, sagte sie. Hilary Rosen, eine den Demokraten zuneigende Kommentatorin, empörte sich auf CNN darüber. Ann Romney habe „nicht einen Tag in ihrem Leben gearbeitet“, kenne den Alltag arbeitender Mütter also gar nicht. Die Republikaner schlugen zurück: Es gebe „keinen härteren Job, als fünf Kinder großzuziehen“. Es sei ein Skandal, dass die Demokraten den Wert der Erziehungsarbeit so gering schätzten und allen Familien ihre Idealvorstellungen von emanzipierten, berufstätigen Frauen aufdrängen wollten.
Präsident Obama wurde der Streit bald zu riskant. Er distanzierte sich von Rosen. Sie entschuldigte sich für ihre „unüberlegte Wortwahl“. Und Ann Romney hatte ihren ersten Punkt gemacht.
Auf der Gegenseite steht Michelle Obama für ein ganz anderes Modell. Sie kommt aus einer armen schwarzen Arbeiterfamilie, ist 15 Jahre jünger und gehörte zur ersten Generation der Robinsons, die studieren konnte – dank neuer Förderprogramme an den Eliteschmieden Princeton und Harvard. Sie war berufstätig, ehe sie ins Weiße Haus einzog, und verdiente zunächst mehr Geld als Barack: als Anwältin, Gründungschefin gemeinnütziger Hilfsorganisationen und schließlich als Vizechefin der Universitätsklinik Chicago. Sie brachte außerdem zwei Töchter auf die Welt und organisierte den Haushalt. Von Schicksalsschlägen sind die Obamas bisher verschont geblieben.
Anns Leidensgeschichte kann Empathien wecken, hofft das Wahlkampfteam, einerseits. Andererseits sehen sie dort das Risiko, dass die Art, wie sie Brustkrebs und Multiple Sklerose überwand, zugleich die Botschaft transportiert, dass solche Heilungen nur den reichsten Amerikanern offenstehen, nicht aber denen, die sie sich nicht leisten können.
Obama gegen Romey: Der US-Wahlkampf 2012 in Bildern
Ann war 48, als die ständige Müdigkeit und das Schwächegefühl zunahmen und sie an manchen Tagen meinte, nicht einmal mehr aufstehen zu können. Das sei „die dunkelste Zeit“ gewesen, sie habe „gedacht, mein Leben geht zu Ende“. Nach der Diagnose Multiple Sklerose, so erzählt sie gerne, habe Mitt sie getröstet: „Das ist keine unmittelbar tödliche Krankheit. Hauptsache, wir sind zusammen. Du musst nicht kochen. Ich kann auch von Müsli am Morgen und Sandwichs am Abend leben.“ Neben den teuersten und besten Therapiemethoden der Schulmedizin vertraute Ann auf eine Reittherapie, auf Akupunktur und Reflexmassage. Allein ihre Pferde kosten ein Vermögen. Die Romneys haben mehrere Häuser in verschiedenen Landesteilen, damit Ann immer ein Klima findet, in dem sie sich wohlfühlt.
Wenn Mitt im Wahlkampf betonen will, dass er sich um die Erhaltung amerikanischer Jobs bemüht und als Konsument auf „Made in the US“ achtet, lässt er gerne einfließen, dass „meine Frau mehrere Cadillacs besitzt“. Der Cadillac ist das amerikanische Symbol für Luxus, in dem man sich gewiss wohlfühlt.
Auch die Obamas sind inzwischen Millionäre, vor allem dank Baracks Büchern, die Bestseller geworden sind. Michelle ist es dennoch gelungen, das Image zu bewahren, sie sei „die First Lady von nebenan“. Nur bei herausragenden Anlässen trägt sie Designerkleider. In Talkshows kommt sie immer wieder in T-Shirts, Hosen und Blusen aus Konfektionsläden – und sorgt dafür, dass dies öffentlich bekannt wird. Von Ann Romney hört man dagegen, dass die Bluse mit der auffälligen exotischen Blüte, die sie neulich im Fernsehen trug, 990 Dollar gekostet habe.
Es ist keine Frage, dass Anns warmherzige Art den Parteitag bezaubern wird. Aber kann sie auch Michelle Obama übertreffen? Ganz so weit reichen die Träume der republikanischen Wahlkampfstrategen dann doch nicht. Wenn sie Mitt nur ein bisschen akzeptabler für die zögerlichen weiblichen Wähler macht, dann wäre den Republikanern, der Männerpartei, schon viel geholfen.