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Sachens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am Mittwoch bei einem Forum mit Pegida-Anhängern und anderen Bürgern
© Arno Burgi/dpa

Mit Anti-Islam-Demonstranten im Dialog: Die Pegida-Versteher in der CDU Sachsen

Einflussreiche Politiker der CDU in Sachsen streiten für einen Dialog mit Pegida - mindestens mit ihren Anhängern. Nicht allen in der Partei gefällt das. Wie wirkt sich der Rücktritt von Lutz Bachmann auf das Verhältnis aus?

Es war am Mittwoch, nur wenige Stunden vor dem Rücktritt von Lutz Bachmann als Chef von Pegida. In den sozialen Medien wird weiter darüber gestritten, ob es richtig war, dass Frank Richter, der Präsident der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB), Pegida am Montag den Raum für eine Pressekonferenz gegeben hat. Das war nicht nur zum Ärger von SPD, Linkspartei und Grünen geschehen, sondern fand auch die Kritik etwa des Chefs der Bundeszentrale, Thomas Krüger. Im Kurznachrichtendienst Twitter schaltet sich die Stiftung sächsische Gedenkstätten in die Diskussion ein: Die sächsische Landeszentrale "deeskaliert", lobte die etwa hälftig von Bund und Land finanzierte Einrichtung, sie "gibt Menschen eine Stimme, die von Medien und Politik diffamiert werden". Die Kritik der Bundeszentrale sei "wohlfeil".

In diesem Fall gibt es Widerworte - von Marco Wanderwitz. Er ist sächsischer CDU-Bundestagsabgeordneter aus. Und gehört zu Minderheit derjenigen in der Sachsen-Union, die bereits seit Wochen klare Kante gegen Pegida zeigen. Wanderwitz schreibt zurück: ",...gibt Menschen eine Stimme, die von Politik und Medien diffamiert werden.' HALLO?!?!" Gedenkstätten Sachsen schrieb zurück: ",Schande für Deutschland', ,Chaoten', ,Mischpoke', ,Ratten(fänger)`, ,Nazis in Nadelstreifen'..." Aber Wanderwitz ließ nicht locker: "Lesen Sie die Transparente, hören Sie sich die Sprechchöre an & schauen Sie, was Herr Bachmann & Co. seit Jahren hetzen."

"Differenzierte Annäherungen an Pegida"

Sachsen, Pegida-Land, mit Dresden als Hauptstadt der Bewegung - warum konnte sie ausgerechnet im Freistaat so groß werden, wo die CDU seit 25 Jahren an der Macht ist? Und ist es nur eine staatliche finanzierte Stiftung, die als Pegida-Versteher auftritt? In einem Aufsatz führt die Stiftung sächsische Gedenkstätten weitere Argumente für "differenzierte Annäherungen an Pegida" auf, nimmt dabei positiv Bezug auf Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky. Die Analyse vergleicht die heutige Protestbewegung mit den 20er- und 30er Jahren. Und stellt fest: "Fast die Hälfte der Deutschen machte die NSDAP 1932 nicht zur stärksten Partei wegen ihres Antisemitismus." Im Gegenteil sei es der Politik damals nicht gelungen, "die mit der Weltwirtschaftskrise verbundenen Probleme zu lösen".

Die offizielle Linie der Sachsen-CDU: sich nicht auf einen Anti-Pegida-Kurs festlegen lassen. Der nämlich könnte einen Dialog verhindern, den die Partei mit den Anhängern der Bewegung anstrebt und mit "den Vorturnern" nicht ausschließt, wie der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer dem Tagesspiegel erläutert. "Ein Nein zu Pegida würde ein Gespräch unmöglich machen", sagt er. Der Rücktritt Bachmanns habe für die Strategie der Union im Umgang mit Pegida "keine Relevanz". Es bleibe dabei, dass der Dialog angestrebt werde "mit denjenigen, die Fragen haben". Dabei sei "nicht ausgeschlossen, auch mal mit den Veranstaltern zu sprechen", dies sei allerdings nicht die Hauptrichtung. Kretschmer sieht "aufrechte Kräfte" in den Demonstrationszügen von Pegida, warnt allerdings auch, dass die Bewegung von "allen möglichen extremistischen Kräften" unterwandert werde. "Das Bild, das diese Demonstrationen vermitteln, schadet dem Land."

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian Hartmann, kommentierte den Rücktritt von Bachmann am Mittwochabend mit den Worten, dieser sei "nur folgerichtig" - zuvor hatte er ihn ebenso wenig gefordert wie andere Funktionäre der Sachsen-CDU. Aus seiner Sicht ist klar: "Pegida ist mehr als Lutz Bachmann, und der gerade angestoßene Dialog mit den Demonstrationsteilnehmern muss dringend weitergeführt werden." Vor Weihnachten hatte Hartmann, der auch CDU-Chef von Dresden ist, die dortige Oberbürgermeisterin Helga Orosz kritisiert, weil sie sich "zu schnell" gegen Pegida positioniert habe. Der "Bild"-Zeitung sagte er damals: "So wurden Gräben geschaffen. Für einen Dialog müssen diese zugeschüttet werden."

Innenminister Markus Ulbig war zum Gespräch mit Lutz Bachmann bereit

Klar distanziert hat sich die Sachsen-CDU bisher nicht von Pegida. Im Gegenteil waren deren Anhänger dann mit eingeladen, als Ministerpräsident Stanislaw Tillich und CDU-Stadtoberhaupt Orosz vor zwei Wochen zu einer Großkundgebung "für Weltoffenheit" auf dem Dresdner Neumarkt aufriefen - rund 35.000 Menschen kamen. Bewusst sollte das keine No-Pegida-Veranstaltung sein, betonten die Einlader. Regierungssprecher Christian Hoose betont, dass die Staatsregierung bei der angelaufenen Dialogreihe mit allen Bürgern ins Gespräch kommen wolle. Und als am Dienstag Bachmanns rassistische Posts auf Facebook schon bekannt waren, ließ Innenminister Markus Ulbig (CDU) über seinen Sprecher erklären, dass auch die Bereitschaft zum Gespräch mit dem damaligen Pegida-Vormann fortbestehe. Ulbig - CDU-Kandidat bei der in fünf Monaten anstehenden Oberbürgermeisterwahl in Dresden - will es sich mit seiner potenziellen Wählerklientel nicht verderben.

CDU-Abgeordnete Veronika Bellmann warnt vor Islam

Kundgebung für Weltoffenheit in Dresden
Kundgebung für Weltoffenheit in Dresden
© Arno Burgi/dpa

Auch andere wichtige CDU-Politiker aus Sachsen greifen immer wieder Argumente auf, die Pegida fast wortgleich vorbringt. Zu ihnen gehört die CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann aus Mittelsachsen, die Mitte Januar dem Portal "Handelsblatt online" sagte, die "fortschreitende Islamisierung" sei schon "infolge der demographischen Situation, der Geburtenfreudigkeit auf der einen und des Geburtsdefizits auf der anderen Seite gegeben". Diese Woche legte sie in einem Interview mit dem MDR-Sachsenspiegel nach. Sie kritisierte Kanzlerin Angela Merkel wegen ihres Ausspruchs, der Islam gehöre zu Deutschland. Und warnte, die islamische Religion strebe die Weltherrschaft an. Im Westen seien bei der Asyl- und Zuwanderungspolitik mit Sicherheit Fehler gemacht worden. Sie hätten auch dazu geführt, "dass wir Parallelgesellschaften schon haben". Und weiter: "Wir sehen auch, dass sich das zu einem Flächenbrand ausweiten kann, und das wollen wir hier nicht." Zum Interview trug Bellmann ein Kruzifix an ihrer Jacke.

In ähnliche Richtung argumentiert auch die Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla. Sie schrieb Anfang Januar auf ihrer Homepage, die Dresdner Bevölkerung dürfe nicht verunglimpft werden. Richtig sei es hingegen, die Anliegen und Sorgen der Demonstranten ernst zu nehmen. Und: "Wer die Ausbreitung des Islam in Deutschland und die Abkehr vieler Menschen von unserer christlich geprägten europäischen Kultur beklagt, sollte sich demnach zur CDU hinwenden."

CDU-Generalsekretär: Mit gutem Gewissen in den Tunesien-Urlaub

Der aus Görlitz stammende CDU-Generalsekretär Kretschmer erläuterte kürzlich dem Regionalsender Oberlausitz TV, Multikulti sei gescheitert. Er forderte, die Asylprüfverfahren zu verkürze und stellte dazu fest: "Dann geht es nur noch um eine Sache, dass wir miteinander dieses Verfahren und die Art und Weise so anständig machen, dass wenn diese jungen Leute zurückkommen, eines sagen: ,Auf dem Ganzen was ich erlebt habe, von der Reise über das Mittelmeer, durch Italien, was ich alles erlebt habe, diejenigen, die am vernünftigsten und am anständigsten mit mir umgegangen sind, das waren die Deutschen.' Wenn wir das erreichen, dann können wir auch mit gutem Gewissen wieder nach Tunesien in den Urlaub fahren." Der Blogger "lauterbautz'ner", der das Interview auf seiner Homepage dokumentiert, kommentierte: "Obwohl sich der anständige Kretschmer im Gespräch von der Pegida-Bewegung distanziert (,ich werde daraus nicht schlau'), singt er doch ihr Lied. Vielleicht nicht ganz so laut, dafür aber umso gefühlvoller - mit etwas Gänsehaut am rechten Oberarm."

Das sind keine Einzelfälle. Es ist der typische Umgang der Sachsen-CDU mit den Themen Asyl, Zuwanderung, angebliche Islamisierung - und Pegida. Die Akteure, die so oder ähnlich argumentieren wie Hartmann, Bellmann, Kretschmer, Ulbig oder Kudla kommen aus dem Erzgebirge oder aus Meißen. Auch der Großenhainer CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer - er hat sich schon im vergangenen Sommer die Absage der Bundes-CDU an die AfD verbeten - gehört zu ihnen. "Gutmenschen schaden!", twitterte er kürzlich, als Thüringen und Schleswig-Holstein einen Winterabschiebestopp für Flüchtlinge beschlossen hatten. Zur AfD-Pressekonferenz kürzlich im Dresdner Landtag nach dem Treffen mit der Pegida-Spitze stellte er sich als Zaungast: "Hoch interessant". Und zur Unterstützung für SLpB-Chef Frank Richter schickte er am Mittwoch ein Foto - eine mit Füllfederhalter geschriebene Botschaft. Darin heißt es: "Bei Günther Jauch und auch im öffentlichen Bereich beschreiten Sie den einzig richtigen Weg - auch im Themenfeld Pegida".

Geschlossene Facebook-Gruppe des rechten CDU-Flügels

Der rechte Flügel der Sachsen-CDU tauscht sich regelmäßig in einer geschlossenen Facebook-Gruppe aus, ihr haben sich fast 500 Mitglieder angeschlossen. Öffentlich sind die Kommentare auf der Facebook-Seite "Konservative CDU Sachsen". Mit dem Hinweis "Ausgezeichnet, Vera Lengsfeld! Die ideale Bundespräsidentin!" wurde dort dieser Tage ein Aufsatz der früheren CDU-Bundestagsabgeordneten gepostet, in dem sie den Aufruf von Ministerpräsident Tillich und Oberbürgermeisterin Orosz zur Großkundgebung "für Weltoffenheit" kritisiert. "Im Tal der ahnungslosen Politiker" habe sich die Neutralitätspflicht von Regierungsinhabern noch nicht herumgesprochen, schreibt Lengsfeld im Blog "Die Achse des Guten". Und: "Was ist eine staatlich verordnete Kundgebung wert? Nicht viel, wie die Erfahrungen aus der DDR zeigen." Es gehe bei Pegida eben nicht "um ein paar durchgeknallte Außenseiter", sondern: "Es ist ein Konflikt der selbsternannten Eliten und dem Volk."

Lengsfeld wird an diesem Freitag auf einem Podium der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung sitzen - und unter Moderation von Frank Richter über die Frage "Warum (nicht) zu Pegida gehen?" diskutieren. Mit dabei sein soll auch der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach. Angefragt ist der Pegida-Kritiker Robert Koall, Dramaturg am Staatsschauspiel Dresden. Er hat noch nicht zugesagt. SLpB-Sprecher Thomas Platz versichert: "Die Pegida-kritische Position wird auf jeden Fall gut besetzt."

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