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Die Terrorismusabwehr der Geheimdienste- hier Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin - ist durchaus erfolgreich.
© Bernd Settnik/dpa

NSU-Affäre: Die Parlamente müssen die Geheimdienste stärker kontrollieren

Kontakte zum rechtsterroristischen NSU, Überwachungs-Kooperation mit dem NSA: Das Vertrauen in die Geheimdienste leidet. Ein Geheimdienstbeauftragter könnte ihre Kontrolle und Bedeutung stärken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Schon der Verdacht ist gruselig. Ein rechtsextremer V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) soll in seiner Baufirma den NSU-Mörder Uwe Mundlos beschäftigt haben, womöglich auch dessen Komplizen Uwe Böhnhardt. Und vielleicht auch Beate Zschäpe in einem Szeneladen für Textilien.

Wenn das stimmt, ist zu befürchten, dass der Nachrichtendienst näher an der Terrorzelle dran war, als bislang bekannt geworden ist. Oder dass der Spitzel ein doppeltes Spiel getrieben und seinem V-Mann-Führer verschwiegen hat, wer sich in seiner Belegschaft tummelt. Wie auch immer – die Institution Verfassungsschutz gerät in der öffentlichen Wahrnehmung der monströsen NSU-Affäre wieder einmal ins Zwielicht. Deprimierend.

Es geht ja nicht nur um eine seltsame Geschichte. Geschredderte Akten, ein Thüringer V-Mann, der Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zum bewaffneten Kampf ermuntert haben soll und mit dem Geld des Verfassungsschutzes die rechte Szene alimentierte. Ein hessischer Verfassungsschützer, der beim NSU-Mord an Halit Yozgat am Tatort war. Und jetzt der Fall des Spitzels, der in seiner Baufirma mutmaßlich zumindest Uwe Mundlos untergebracht hatte. Obwohl Mundlos zusammen mit Böhnhardt und Zschäpe gesucht wurde, nachdem die Polizei in Jena eine Bombenwerkstatt ausgehoben hatte. Kommt der Verfassungsschutz nie aus den schrillen Schlagzeilen heraus?

Außer dem Verfassungsschutz haben auch Polizei und Justiz schwere Fehler gemacht

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Nachrichtendienste wird durch solche Geschichten gedämpft. Da hilft auch nicht, dass Polizei und Justiz im NSU-Komplex ebenfalls schwere Fehler gemacht haben. Doch das Vertrauen in den Verfassungsschutz hat am meisten gelitten. Und wie der Bundesnachrichtendienst mit der NSA kooperierte, hat ebenfalls reichlich Kritik hervorgerufen. Der Glaube an die Integrität der Dienste könnte größer sein. Es wäre nötig – in Zeiten des islamistischen Terrors, der rassistischen Attacken auf Flüchtlinge und der Versuche russischer Geheimdienste, Deutschland zu destabilisieren.

Wir brauchen die Nachrichtendienste. Der Schutz der Demokratie wäre ohne das Frühwarnsystem schwächer. Und es ist nur fair, darauf zu verweisen, dass der Verfassungsschutz aus dem NSU-Schock Lehren gezogen hat und besser geworden ist. Die rechtsextreme Terrorgruppe „Oldschool Society“ konnte 2015 dank der Recherchen des BfV aus dem Verkehr gezogen werden, bevor es zu Anschlägen auf Flüchtlinge kam. Das ist der Verfassungsschutz, wie er sein muss. Effektiv, früh am Thema, rechtzeitig in Kontakt mit Polizei und Bundesanwaltschaft. Zu einer realistischen Betrachtung gehört indes auch die Einsicht, dass V-Leute unverzichtbar sind. Wer sonst kennt Interna aus extremistischen Milieus?

Die Spitzel sind allerdings auch die offene Flanke der Nachrichtendienste. Wenn etwas schiefgeht, ist der Ruf des gesamten „Gewerbes“ in Gefahr. Deshalb erscheint es notwendig, die parlamentarische Kontrolle zu stärken. Mit einem Geheimdienstbeauftragten, im Bund und in jedem Bundesland. Bestimmt von Bundestag und Landtagen. Der Beauftragte sollte die parlamentarischen Kontrollgremien ergänzen, nicht ersetzen. Für den Posten würden sich beispielsweise frühere Richter aus Staatsschutzsenaten eignen, die sich mit schwerer extremistischer Kriminalität befassen. Eine Reform der Kontrolle der Nachrichtendienste erscheint nötig. Auch in ihrem Interesse.

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