Vermittler im Ukraine-Krieg?: Die mysteriöse Moskau-Mission des Gerhard Schröder
Erst Istanbul, dann Moskau. In der SPD ist von einer mysteriösen Putin-Mission ihres Altkanzlers Gerhard Schröder die Rede. Der Kreml gibt sich schmallippig.
Ein führender Sozialdemokrat schaut entgeistert auf das Bild: „Ist das echt?“ Er denkt, die betende Madonna von Moskau sei ein schlechter Scherz.
Aber die Madonna ist die Ehefrau von Gerhard Schröder, Soyeon Schröder-Kim, mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen, sitzt sie im Hotel Baltschug Kempinski, im Hintergrund ist die Basilius-Kathedrale und der Rote Platz zu sehen. Und sie veröffentlicht das Bild in ihrem Instagram-Profil.
Es ist der erste Beweis, dass die Schröders in einer nebulösen Mission in Moskau weilen, wo der Altkanzler in persönlichen Gesprächen auf den Kriegsherrn Wladimir Putin einwirken will, ein erstes soll am Donnerstag stattgefunden haben. Doch ist es mehr als ein Versuch, auch sein eigenes Image aufzupolieren?
Die Begleitumstände wirken etwas seltsam. „Es ja alles komisch, die Ukrainer sagen, sie wissen von nichts“, heißt es in der SPD. „Ich empfinde das als ganz mysteriös, er steht hier massiv unter Druck und plötzlich postet seine Frau ein Madonnenbild aus Moskau“, meint ein Genosse, der ihn schon lange kennt. Zugleich sei Schröder keiner, der in einer Panikreaktion, weil die Stadt Hannover ihm die Ehrenbürgerwürde aberkennen will, der DFB ihm die Ehrenmitgliedschaft bereits entzogen hat oder weil ihm ein SPD-Parteiausschlussverfahren droht, nach Moskau fährt, um sein eigenes Bild aufzupolieren.
„Das ist ein sturer Hund“, meint einer. Will heißen: Schröder ist Schröder, er lässt sich vom öffentlichen Druck nicht beeindrucken, kritisiert bisher seinen Duz-Freund Putin nicht persönlich und behält auch vorerst seine Aufsichtsratsmandate bei russischen Konzernen.
Nimmt er seine Aufsichtsratsmandate übrigens ernst, müsste er schon aus Verantwortung für die von ihm vertretenen Unternehmen (Rosneft, Nord Stream und ab Juni womöglich noch Gazprom) das Gespräch mit Putin suchen und ihm klar machen, dass er diese allesamt ruiniere.
Zugleich gilt er als ein Profi, wenn er eine Chance wittert, ist er bereit, sich einzubringen. Schröders Frau hatte ihn wegen seines Drahts in den Kreml schon kurz vor Kriegsbeginn als Vermittler ins Spiel gebracht - aber die Bundesregierung wolle das scheinbar nicht. Als Kanzler Olaf Scholz (SPD) beim EU-Gipfel in Versailles auf Schröders Mission angesprochen wird, sagt er kurz und knapp: „Ich möchte das nicht kommentieren.“ Er war einst Schröders Generalsekretär und ging zuletzt auf deutliche Distanz zu ihm. Er verspricht aber in Versailles, mögliche Ergebnisse Schröders zur Kenntnis zu nehmen und in seine Bemühungen, Putins zu einem Kriegsende zu bewegen, einzubeziehen.
[Wenn Sie die wichtigsten News aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräteherunterladen können.]
Wie es zu der Schröder-Mission kam
Dass der eigene Altkanzler die bisher geschlossenen westlichen Vermittlungsbemühungen mit einem Alleingang konterkarieren könnte, hat Scholz gerade noch gefehlt. Der Kontakt zu Schröder soll laut dem Portal „Politico“ über den Schweizer Ringier-Verlag hergestellt worden sein, für den Schröder seit 2006 als Berater gearbeitet hatte - wegen mangelnder Distanzierung von Putin wurde die Zusammenarbeit aber eingestellt. Wie der Tagesspiegel erfuhr, soll CEO Marc Walder auf Wunsch von ukrainischen Politikern den Kontakt zu Schröder hergestellt haben.
Schröder flog laut „Politico“ mit seiner Frau am Montag nach Istanbul. Der Abgeordnete des ukrainischen Parlaments, Rustem Umerov, habe ihm mitgeteilt, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj auf seine Beziehungen zu Putin setze, um zumindest eine Feuerpause zu erreichen. Die Ukrainer hätten Schröder in einem zweistündigen Gespräch Hinweise zu mehreren wichtigen Punkten gegeben, über die sie bereit wären zu verhandeln, darunter die NATO-Frage der Ukraine, den Status der Krim und die Zukunft der Donbass-Region.
Mehr zum Krieg in der Ukraine bei Tagesspiegel Plus:
- Estlands Regierungschefin Kaja Kallas: „Ein Diktator versteht nur Stärke“
- Exodus der russischen Mittelschicht: „Ich dachte, jetzt werde ich sofort in die Armee eingezogen“
- Warum Atomwaffen für Putin eine Option sein könnten: „Seine Selbstdestruktivität schließt Suizid ein“
- Hacker gegen Putin: „Das kann sehr schnell sehr gefährlich werden“
- Osteuropa-Historiker Karl Schlögel: „Putin will auch den Westen in die Knie zwingen“
Schröder habe nach dem Treffen auf dem Weg zum Flughafen eine Person aus Putins Umfeld kontaktiert und über das Gespräch berichtet. Er habe gefragt, ob Putin ihn treffen würde. „Zehn Minuten später erhielt Schröder grünes Licht, sollte aber bis Mittwoch in Istanbul warten, bis ein russisches Flugzeug ihn abholen würde“, hieß es in dem Bericht.
Der ukrainische Botschafter weiß von nichts
Doch die Fragwürdigkeiten fangen schon damit an, dass der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, Schröder als Vermittler vorgeschlagen hatte. Aber er wusste auf Tagesspiegel-Anfrage nun nichts von der Schröder-Mission. Rustem Umerov, der angeblich mit Schröder verhandelt haben soll gehört nicht der Präsidentenpartei an, sondern der Partei „Golos“. Umerow ist Krim-Tatare, also Angehöriger einer Volksgruppe, die nach der russischen Annexion unter Repressionen zu leiden hat, von pro-russischen Kräften wird er als Vertreter der US-Geheimdienste in der ukrainischen Verhandlungsdelegation gebrandmarkt. Er nahm an den Gesprächen zwischen ukrainischen und russischen Vertretern in Belarus teil, sein Einfluss ist aber unklar.
Schröder verhandelte schon öfter - aber in offizieller Mission
Schröder hat schon mehrfach für die Bundesregierung verhandelt. So war er beteiligt, um den Menschenrechtler Peter Steudtner in der Türkei freizubekommen. Zuvor hatte er sich 2014 mit Putin getroffen, um OSZE-Militärbeobachter im ostukrainischen Slowjansk freizubekommen. Der Journalist Deniz Yüzel, der auch mit Hilfe Schröders aus türkischer Haft freikam, betont: „Ich habe selber einmal Gerhard Schröder in der Rolle des Vermittlers erlebt“. Aber einen Krieg zu beenden, sei etwas ganz anderes als ein Dutzend Leute aus dem Knast zu holen. „Außerdem stand Schröder nicht auf Erdogans Payroll.“
[Der Nachrichtenüberblick aus der Hauptstadt: Schon rund 57.000 Leserinnen und Leser informieren sich zweimal täglich mit unseren kompakten überregionalen Newslettern. Melden Sie sich jetzt kostenlos hier an.]
Ein Treffen mit Putin? "Keine Information zu Schröder"
Mit der nächsten Etappe in Moskau wurde die Situation noch etwas nebulöser. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete, es habe am Donnerstag ein Treffen Schröder-Putin gegeben. Ob weitere folgen, sei noch unklar. Die Information dazu kam vom dpa-Chefredakteur, der früher Landeskorrespondent in Hannover war und als guter Kenner Schröders gilt. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigte ein Gespräch Schröder-Putin zunächst nicht, er dementierte es aber auch nicht. Peskow sagte der Agentur Interfax zufolge: „Ich habe keine Informationen zu Schröder. Ich kann Ihnen nichts sagen.“ Nach Tagesspiegel-Informationen war weder die SPD-Spitze noch die Bundesregierung in die Schröder-Mission eingeweiht. „Keine Information, keine Rücksprache“, hieß es in Regierungskreisen.
Insgesamt sind die Erwartungen gering, dass Schröder etwas erreichen könnte, ein SPD-Außenexperte erwartet vielmehr, dass der durch die westlichen Sanktionen und Unmut in Bevölkerung und Armee unter Druck stehende Putin einen „Siegfrieden“ anstreben könnte. Durch eine Einkesselung Kiews und der drohenden Zerstörung der Druck auf Selenskyj so zu erhöhen, dass er sich bereit erklärt, die Krim, den Donbass und vielleicht auch Mariupol für immer verloren zu geben und auf das Ziel eines Nato-Beitritts in der Verfassung zu verzichten.
Die SPD-Spitze ging maximal auf Distanz, nun ist Schröders Vermittlung willkommen
Schröder hatte wegen seiner Weigerung, seine Aufsichtsratsmandate abzugeben, zuletzt alle Mitarbeiter seines Bundestagsbüros verloren, auch seinen langjährigen Büroleiter Albrecht Funk. Die Moskaureise lässt nun besonders auch die beiden SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken blöd aussehen. Klingbeil sagte in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“: „Alles was hilft gerade, um diesen furchtbaren Krieg zu beenden, ist ja willkommen“. Gerade sei jede Gesprächssituation „erstmal was Vernünftiges“.
Die SPD-Vorsitzenden hatten zuletzt mit acht früheren Chefs einen Brief an Schröder abgeschickt, in dem sie den früheren Bundeskanzler ultimativ zur Distanzierung von Kreml-Chef Putin aufforderten. „Handle und sage klare Worte“, heißt es in dem Brief. Er selbst entscheide, ob er auch zukünftig ein geachteter Sozialdemokrat bleiben wolle. Wenn Schröder nicht eine Erklärung abgebe, werde man sich „in diesem Sinne“ äußern.
Es gibt mehere Anträge auf einen Parteiausschluss. In der SPD wird nun aber auch Kritik an Klingbeil und Esken geäußert, dass man nicht vorab Schröder zu einem gemeinsamen Gespräch gebeten habe, um sich die Meinung direkt ins Gesicht zu sagen. Und um auszuloten, ob er wegen seiner russischen Kreml-Kontakte auch als ein Vermittler in Frage kommen könnte.
Schröders Politik zeigt sich heute auch an der Zapfsäule
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), betonte: „Jede Chance sollte ergriffen werden, um die Waffen zum Schweigen zu bringen. Und da geht's mir nicht um Gerhard Schröder oder irgendjemand anderen. Es geht mir um die Menschen in der Ukraine, die hätten das nämlich verdient. Deswegen drücke ich die Daumen.“
Die größten Verwerfungen einer von Schröder eingeleiteten Politik zeigen sich heute an den Tankstellen und bei den Heizrechnungen. Es entpuppt sich als Irrglaube der deutschen Russlandpolitik, dass sich Putin durch Gas- und Ölgeschäfte einhegen lasse. Die Investitionsruine Nord Stream 2 ist ein Erbe dieser Politik von Schröder und Angela Merke. Putin lässt Schröder heute als Marionette in seinem Spiel aussehen - aber vielleicht helfen ja die Gebete von Schröders Frau in Moskau.