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Julia Timoschenko hält Hof. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton traf bei ihrem Besuch in Kiew auch die aus dem Gefängnis befreite Oppositionspolitikerin.
© dpa

Ukraine: Die Macht wird neu verteilt

Während in der Ukraine weiter über die Übergangsregierung gestritten wird, bringen sich Vitali Klitschko und Julia Timoschenko in Stellung. Es geht auch darum, wie die Maidan-Aktivisten eingebunden werden können.

Während das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, eine neue Regierung zusammenstellt, arbeiten Julia Timoschenko und Vitali Klitschko an ihren Strategien für den Präsidentschaftswahlkampf. Der Ex-Boxweltmeister hat seine Kandidatur für den 25. Mai am Dienstag offiziell bekannt gegeben. Von jetzt an ist Wahlkampf in der Ukraine. Auch deshalb fällt es dem Parlament schwer, sich auf ein Personaltableau für die Regierung zu einigen. Eine für Dienstag geplante Abstimmung wurde auf Donnerstag verschoben.

Es wird viele Bewerber geben. Klitschkos prominenteste Rivalin ist jedoch Julia Timoschenko. Die 53-Jährige war am Wochenende nach einem entsprechenden Parlamentsbeschluss aus ihrer Haft freigekommen. In der Sekunde, als sich ihre Zellentür öffnete, versuchte sie in der politischen Arena wieder eine Rolle zu spielen. Nicht allen gefällt das, auch in der Udar-Partei Klitschkos hatte man bis zuletzt gehofft, Timoschenko würde sich nicht am Wahlkampf beteiligen.

Seit dem Wochenende bereits sind wichtige Posten in der Hand von Timoschenkos Vaterlandspartei. Alexander Turtschinow, engster politischer Vertrauter Timoschenkos, ist Übergangspräsident und Parlamentssprecher. Innenminister wurde der Charkiwer Chef der Vaterlandspartei, Arsen Awakow. Arsenji Jazenjuk, Fraktionschef der Vaterlandspartei, gilt als aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten. Wer ihn in den vergangenen Tagen im Parlament gesehen hat, dem ist klar: Der 39-Jährige läuft sich warm. Timoschenko will so viele Kabinettsposten wie möglich mit ihren Parteimitgliedern und Gefolgsleuten besetzen.

Timoschenkos Helfer im Hintergrund

Am Montag hatte sie gefordert, bei der Regierungsbildung auch die Maidan-Aktivisten einzubinden. Das soll nun offenbar auch passieren. Vor allem drei Namen fallen immer wieder: Jewgenij Nitschuk, Organisator auf dem Maidan und allabendlicher Moderator auf der Bühne, wird als Kulturminister gehandelt, die Sängerin Ruslana hatte das Amt bereits abgelehnt. Der 42-jährige Kulturwissenschaftler stammt aus Iwano-Frankiwsk. Außerdem werden die beiden Wissenschaftler Sergej Kwit, Präsident der als liberal geltenden Kiewer-Mohyla-Universität, und der Politologe Igor Schdanow als mögliche Regierungsmitglieder genannt. Zusammen sollen die Neulinge mit so erfahrenen Leuten wie Boris Tarasjuk, gelernter Diplomat und Außenminister unter dem pro-westlichen Präsidenten Viktor Juschtschenko, und Grigorij Nemyria, Vize-Premierminister für europäische Integration in der zweiten Regierung Timoschenkos von 2007 bis 2010, die Geschicke des Landes mitbestimmen. Die Maidan-Bewegung legte ihrerseits Bedingungen für eine mögliche Regierungsbeteiligung fest. „Jedes Kabinettsmitglied benötigt die Zustimmung des Maidan“, hieß es am Dienstag in einer Erklärung an die Agentur Interfax.

Vor allem Andreij Parubijy könnte für Timoschenko in den kommenden Wochen ein wichtiger politischer Helfer sein. Auch er soll dem neuen Kabinett angehören. Der 42-jährige Lemberger und Parlamentarier der Vaterlandspartei hat sich als Kommandeur des Maidan mit der Leitung und Rekrutierung des gewaltfreien Maidan-Sicherheitsdienstes, Samooborona, nicht nur bei den Maidan-Aktivisten Respekt erworben, sondern gilt landesweit als eine Art „Vater und Beschützer des Maidan“.

Noch weniger Geld als befürchtet

Auch mit anderen Mitteln versucht Julia Timoschenko, Unterstützung von den Maidan-Aktivisten zu gewinnen. Am Montag bat sie ihre Partei darum, alle Banner mit ihrem Porträt vom Maidan abzuhängen, die dort seit Beginn der Proteste zu sehen waren. „Da müssen die Bilder der Helden aufgestellt werden, die ihr Leben für die Ukraine gaben“, sagte Timoschenko. „Sie kennt den Platz nicht“, sagt der Politologe Volodimir Fesenko.

Weiterhin war unklar, wo sich der gestürzte Präsident Viktor Janukowitsch aufhält. Gegen ihn wird wegen „Massenmordes“ ermittelt. Er soll tödliche Schüsse auf Regierungsgegner befohlen haben. Das Parlament beschloss, den 63-Jährigen im Falle einer Festnahme an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu überstellen. Insgesamt waren bei Protesten in Kiew 82 Menschen getötet worden.

Die nahezu bankrotte Ukraine braucht offenbar mehr Geld als bereits befürchtet. Die von Turtschinow genannten 35 Milliarden US-Dollar (25,5, Milliarden Euro) reichten kaum bis zum Jahresende, sagte Jazenjuk. Finanzhilfen waren auch Thema bei Gesprächen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Kiew. EU-Währungskommissar Olli Rehn unterstützte die Idee einer Geberkonferenz. (mit dpa)

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