Neuordnung in der Ukraine: Warum Julia Timoschenko nicht Präsidentin werden sollte
Kaum ist sie wieder frei, kündigt Julia Timoschenko an, Präsidentin der Ukraine werden zu wollen. Ihrem Land ist zu wünschen, dass das nicht passiert.
Sie ist wieder da. Julia Timoschenko, Ex-Oligarchin, Ex-Regierungschefin der Ukraine, Ex-Gefangene, war kaum in Freiheit, da kündigte sie an, dass sie Präsidentin werden will. Ihrem Land ist zu wünschen, dass das nicht passiert.
Mit untrüglichem Gespür für Inszenierungen nutzte Timoschenko den Maidan als Bühne für ihre erste Rede. Doch anders als in der Orangenen Revolution ist der Maidan heute nicht mehr ihre Bühne, der Beifall blieb verhalten. Die Menschen, die monatelang gegen Präsident Viktor Janukowitsch protestierten, taten das nicht um ihretwillen. Die Ukraine hat sich verändert, Julia Timoschenko nicht.
Seit Jahren spricht sie von der „Diktatur“ des Janukowitsch. Dabei vergisst sie zu erwähnen, welchen Anteil sie selbst daran hatte, dass er 2010 zum Präsidenten gewählt wurde. Denn die Menschen in der Ukraine haben Timoschenko schon einmal, in der Revolution 2004, ihr Vertrauen geschenkt und wurden bitter enttäuscht. Während sie sich als Regierungschefin einen Machtkampf mit dem damaligen Präsidenten lieferte, trieb das Land dem finanziellen Ruin entgegen. Hätten die Führungsfiguren der Revolution von 2004 nicht versagt, wäre Janukowitsch nie Präsident geworden.
Damit fehlt Timoschenko die Glaubwürdigkeit, ihr Land in eine neue Ära zu führen. Ganz abgesehen davon, dass sie mit ihrer Vergangenheit als zweifelhafte Unternehmerin in der Gasindustrie nicht die Richtige ist, den Kampf gegen die Korruption zu führen.
Es wäre fatal, entstünde der Eindruck, Timoschenko sei die Wunschkandidatin der Deutschen
Das alles sollten die Europäer berücksichtigen. Die EU hatte Timoschenkos Freilassung zur Bedingung für ein Abkommen mit der Ukraine gemacht. Diese Entscheidung ist kritisiert worden, da sie einen Einzelfall über geostrategische Erwägungen stellte. Dennoch war sie richtig, weil eine Annäherung an die EU nur mit Rechtsstaatlichkeit zu haben ist und die Inhaftierung Timoschenkos der offensichtlichste Fall von politischer Justiz in der Ukraine war.
Es wäre jedoch fatal, wenn nun der Eindruck entstünde, Timoschenko sei die Wunschkandidatin der Deutschen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihr zur Freilassung gratuliert. Timoschenkos Partei machte dies sofort publik und sprach auch von einem angeblich geplanten Treffen der beiden Politikerinnen. Dies soll den Ukrainern signalisieren, dass Timoschenko Deutschlands Unterstützung habe.
Im Westen liebt man strahlende Revolutionshelden, doch einen ukrainischen Havel oder Mandela gibt es nicht. In Kiew selbst ist in diesen Tagen oft von Helden die Rede. Von denen, die auf die Straße gingen, und von denen, die starben. Diese Revolution mag viele Helden haben. Julia Timoschenko gehört nicht dazu. Und auch der Boxer Witali Klitschko, der sich zu einem besonnenen Politiker entwickelt hat, hätte es leichter, wenn er im Ausland nicht ständig zum Helden stilisiert würde.
Die Bürger vom Maidan haben für die Wende einen hohen Preis bezahlt. Nun merken sie, dass es leichter ist, eine Revolution zu beginnen, als sie zu beenden. Denn im politischen Alltag werden Helden nicht mehr gebraucht.
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