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Leider keine Selbstverständlichkeit: dass Frauen für die gleiche Arbeit das gleiche Gehalt bekommen wie Männer.
© AFP

Entgelttransparenzgesetz: Die Lohngerechtigkeit bleibt Frauensache

Das Entgelttransparenzgesetz gibt Frauen mehr Rechte auf Auskünfte, statt Betriebe zu Auskünften zu verpflichten. Das ist zu wenig. Aber vielleicht hilft #metoo. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einem stockdunklen Keller und finden die Treppe nicht. Was würde Ihnen helfen? Dass man Ihnen einen Blindenstock reicht und erklärt, wie Sie damit Ihre Umgebung ertasten können? Oder dass man Ihnen Licht anmacht?

Wenn man den Keller nimmt als das verbreitete Gefälle zwischen Männer- und Frauenlöhnen und das dagegen erlassene „Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern“ als angebotenes Hilfsmittel, muss man wohl sagen: Es wird hier leider nur der Blindenstock gereicht.

Das Gesetz, das gern mit dem großen Wort von der „Lohngerechtigkeit“ verknüpft wird, überlässt es den Frauen, tätig zu werden, um das Umfeld ihres Gehalts aufzuklären. Sie selbst sollen losziehen und sich um Auskunft über vergleichbare Bezüge ihrer männlichen Kollegen bemühen. Sie selbst können auch die Konsequenzen tragen, wenn ihr Arbeitgeber sich von diesem Begehr beleidigt fühlt. Und sie selbst können auch zusehen, was sie mit den Gehaltsvergleichsinformationen anstellen, wenn sie die irgendwann haben. „Das Gesetz hat jeden Biss verloren“, hat die Juristin Heide Pfarr, die das Vorhaben anfangs beratend begleitet hat, frustriert gesagt, nachdem alle Sanktionsmöglichkeiten gegen Arbeitgeber, die auf ihren frauendiskriminierenden Gehaltszahlungen bestehen, aus dem Entwurf gestrichen worden waren. Was übrig bleibt, ist der Anspruch auf Wissen, aber kein Anspruch auf Änderung.

Das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen regt gerade die halbe Welt auf

Das hätte man anders machen können. Wenn denn – und dessen rühmt sich die Regierung – die Gleichstellung von Frauen in Gehaltsfragen ein so wichtiges Anliegen ist, warum hat sich nicht der Staat selbst zum Interessenvertreter gemacht. Nach isländischem Vorbild hätte man die Betriebe verpflichten können, über die Lohngleichheit unter ihren Beschäftigten Auskunft zu erteilen. Für besonders fair zahlende Firmen hätte es ein Siegel geben können, mit dem sie beispielsweise bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Pluspunkte sammeln könnten. Das Signal an die Arbeitgeber wäre gewesen: Lohngerechtigkeit ist uns als Staat, als Gemeinschaft wichtig! Wer dagegen verstößt, wendet sich gegen alle. Ein Entgelttransparenzgesetz, das den Betrieben eine Nachweispflicht zumutet, das wäre die angeknipste 100-Watt-Birne im dunklen Keller gewesen. Stattdessen wird weiblichen Beschäftigten der Gang durch die Institutionen abverlangt, mit allen möglichen persönlichen Nachteilen, die sie als querulantische Mitarbeiterinnen auf sich ziehen könnten.

Aber vielleicht entwickelt das Gesetz dennoch eine Sprengkraft. Es könnte ironischerweise von Vorteil sein, dass gerade jetzt durch die #metoo-Debatte das verbreitete, fast schon konstitutive Machtgefälle zwischen Männern und Frauen mit seinen teils bestürzenden Auswüchsen überall diskutiert wird. Vielleicht verlangen im Schwung des allgegenwärtigen Ungleichheitsärgers viel mehr Frauen Auskunft über Kollegengehälter, als tatsächlich an einer innerbetrieblichen Auseinandersetzung interessiert sind. Einfach so, um es zu wissen. Dann wäre das Gesetz eine Energiesparlampe, die anfangs nur funzelt, aber nach einiger Zeit so hell strahlt, dass die Treppe problemlos gefunden werden kann.

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