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Irans Präsident Hassan Ruhani stößt mit seinen Reformvorhaben auf starken Widerstand.
© Daniel Bockwoldt/dpa

Vor den Wahlen im Iran: Die liberale Diktatur

Irans Präsident Ruhani will nach den Parlamentswahlen Reformen durchsetzen, um die Islamische Republik zu retten. Doch die Hardliner lauern schon - und sie besitzen viel Einfluss.

Moderate gegen Erzkonservative. Reformen statt Fundamentalismus. Öffnung oder Abschottung – am Freitag können die Iraner ein neues Parlament wählen und damit über den künftigen Kurs des Landes mitentscheiden, wenn auch nur eingeschränkt. Denn von einer demokratischen Abstimmung nach westlichem Vorbild kann nicht die Rede sein.

Die Kandidaten für die künftige Volksvertretung sind vom sogenannten Wächterrat ausgewählt worden. Dieses Gremium wird von Hardlinern dominiert. Und die mächtigen Juristen und Theologen haben in den vergangenen Wochen alles daran gesetzt, missliebige – also aus ihrer Sicht allzu liberale Kräfte – auszusortieren.

Die Konservativen wollen, dass in der Islamischen Republik alles beim Alten bleibt. Doch Präsident Hassan Ruhani als ihr Widersacher will von ihm geplante Reformen möglichst rasch umsetzen. Eine eigene Mehrheit im Parlament wäre dabei hilfreich. Denn bisher haben die „Prinzipientreuen“ immer wieder versucht, Ruhanis Vorhaben zu hintertreiben.

„Diese Wahl ist richtungsweisend“

Nicht zuletzt im Parlament mit seinen 290 Sitzen. Dort dominieren seit mehr als zehn Jahren reaktionäre Geistliche, Geschäftsleute und Mitglieder der paramilitärischen Revolutionsgarden. Das soll sich nach Ruhanis Vorstellungen ändern. „Diese Wahl ist richtungsweisend“, sagt Azadeh Zamirirad, Iran-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Es gehe Ruhani darum, sich mehr Handlungsspielraum zu verschaffen.

Genau das alarmiert die Konservativen. Sie wollen den Vormarsch der Anhänger des Präsidenten unbedingt stoppen. Denn seit Ruhanis Wahl 2013 hat sich das Machtgefüge ein Stück weit zu ihren Ungunsten verschoben. Mit dem Ende der Sanktionen und die Beilegung des Atomstreits konnte der Staatschef punkten. Das sichert ihm Popularität.

Sehr zum Leidwesen der Hardliner, die mit ihren Mitteln reagieren. Von ursprünglich 12000 Bewerbern für das neue Parlament ließ der Wächterrat zunächst weniger als die Hälfte als Kandidaten zu. Das vorgeschobene Argument gegen die Moderaten: nicht islamisch genug, nicht ausreichend revolutions- und verfassungstreu.

Irans starker Mann, Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei, stellte sich wenig überraschend auf die Seite des Wächterrats. „Nirgends in der Welt werden Leute, die gegen das Staatssystem sind, zu entscheidenden Gremien zugelassen.“ Zwar könne jeder zur Wahl gehen, aber eben nicht jeder könne sich zur Wahl stellen.

Daraufhin intervenierte Ruhani. Die Abstimmung müsse in einer Atmosphäre der Freiheit stattfinden, sagte der 67-jährige Rechtsgelehrte. „Das Parlament ist das Haus des Volkes, nicht das Haus einer Partei.“ Der Protest blieb nicht ohne Wirkung. Der Wächterrat lenkte schließlich ein und ließ weitere 1500 Vertreter des Regierungslagers zu. Damit erhöhte sich die Zahl der Kandidaten auf 6200, unter ihnen sind fast 600 Frauen.

Auch wenn die Moderaten siegen, haben die Hardliner viel Einfluss

Doch auch wenn Hassan Ruhani Zugeständnisse durchsetzen konnte, ist völlig offen, wer aus der Parlamentswahl als Sieger hervorgeht. Noch besitzen die Hardliner sehr viel Einfluss. Das heißt, selbst wenn die moderaten Kräfte künftig in der Volksvertretung das Sagen haben sollten, sind Institutionen wie der Wächterrat, die Revolutionsgarden oder Ayatollah Chamenei als geistliches Oberhaupt keineswegs entmachtet.

Erlangten die Reformwilligen allerdings eine Mehrheit im Parlament, würde dies Ruhani mehr Optionen verschaffen und somit das Regieren erleichtern. Und es wäre nach Ansicht von Beobachtern nicht zuletzt ein wichtiges Signal für die Präsidentschaftswahl 2017. Sollte Ruhani das Rennen machen, hätte er einige Jahre Zeit für seine Pläne.

Mit einem Kurswechsel in der Außenpolitik ist kaum zu rechnen

Das bedeutet aber nicht, dass der Iran sich mit ihm als Staatschef grundlegend wandelt. „Ruhani ist schon lange ein Teil des Establishments, das System fordert er nicht heraus“, sagt Expertin Zamirirad. Ihm gehe es darum, die Wirtschaft und schrittweise soziale Veränderungen anzuschieben. Damit soll dem Unmut des 80-Millionen-Volks über offenkundige Missstände begegnet werden – um die Macht der Herrschenden zu sichern.

Mit einem außenpolitischen Kurswechsel in Teheran ist nach der Parlamentswahl ebenfalls kaum zu rechnen. „Es wäre überzogen, auf eine Änderung zum Beispiel in der Haltung zum Syrien-Konflikt zu hoffen“, sagt Zamirirad. Denn nach wie vor geben die Konservativen die Richtung vor. So wird am Assad-Regime als wichtigen Verbündeten im Nahen Osten sicherlich festgehalten – egal, wie das neue Parlament aussieht.

Hass auf USA und Israel

An den gängigen Feindbildern halten die Hardliner ohnehin fest. Die USA und das „zionistische Gebilde“ Israel gelten ungeachtet des Atomdeals als großer und kleiner Teufel. Vor allem Chamenei lässt kaum eine Gelegenheit aus, vor der „Einflussnahme“ der Feinde zu warnen. Diesen sei jedes Mittel recht, um die Islamischen Republik zu zerstören.

In einer Rede Anfang Januar erinnerte der Ayatollah denn auch an die Unruhen von 2009. Damals gab es nach der umstrittenen Wahl von Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten monatelang heftige Proteste. Die „Grüne Bewegung“ wurde brutal unterdrückt, Oppositionelle verhaftet und verschleppt.

Nach Chameneis Lesart, der in Personalunion sowohl die höchste politische Instanz des Landes als auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, waren die USA für diesen versuchten „Staatsstreich“ verantwortlich. Die Herrschenden werden darauf achten, dass sich ein derartiger Aufstand gegen das System nach der Parlamentswahl nicht wiederholt. Mit allen Mitteln.

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