Unterhaltsrecht: Die Korrektur einer Reform
Wenn eine 50-Jährige ihrem Mann jahrelang den Rücken freigehalten hat, darf es nicht zu ihren Lasten gehen, wenn die Ehe zerbricht. So lautet die Kritik am Unterhaltsrecht, das erst seit 2008 gilt. In dieser Woche soll es modifiziert werden.
17 Jahre lang waren sie verheiratet. Als die Ehe scheiterte, war die Frau in ihren Fünfzigern – und wieder auf sich allein gestellt. Vier Jahre lang sollte sie nach der Scheidung noch Unterhaltszahlungen von ihrem Ex-Mann erhalten, länger nicht. Wie die Frau aber ihr Leben nun bestreiten und ob sie in dem Alter überhaupt einen neuen Job finden würde – wer wusste das schon?
Das Gesetz jedoch sah diese Möglichkeit vor. Mit der Reform des Unterhaltsrechts von 2008 sollten Ehepartner nach einer Trennung grundsätzlich selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Wie es eben dem Leitbild entsprach: Frauen sind heutzutage meistens erwerbstätig und nicht mehr auf lebenslange Solidarität ihres Partners angewiesen. Doch offensichtlich war der Gesetzgeber in diesem Fall schneller als der gesellschaftliche Wandel. Denn noch in dieser Woche wird der Bundestag über eine Korrektur entscheiden, mit der das Unterhaltsrecht entschärft werden soll.
Demnach soll die die Dauer einer Ehe künftig bei einer Scheidung stärker berücksichtigt werden, damit ein sozialer Abstieg vor allem von Frauen verhindert werde, wie eine Sprecherin des Justizministeriums bestätigt. Unklar bleibt dabei jedoch, ab wann eine Ehe als langjährig einzustufen ist. Im Durchschnitt bestanden Ehen in den vergangen Jahren bis zur Scheidung etwas mehr als 14 Jahre, 1992 waren es nur gut elf Jahre gewesen. Insgesamt werden immer noch 39 Prozent der Ehen geschieden.
Alles sieht nach einer breiten Zustimmung zur Neujustierung des Rechts aus, obwohl die Reform der Reform einigen noch nicht weit genug geht. „Wir haben alle in einem Punkt unrecht gehabt: Gewisse Biografien kann man nicht mehr ändern. Wenn eine 50-jährige Frau ihrem Mann über Jahre den Rücken frei gehalten hat und die Ehe dann kaputt geht, darf das nicht zu Lasten der Frau gehen“, sagte Ekin Deligöz, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, dem Tagesspiegel. „Noch interessanter ist, wenn man nicht nur die Länge der Ehe berücksichtigen würde, sondern auch das Alter der Betroffenen.“
Auch der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt den Vorstoß der Bundesregierung, stellt sich allerdings die Frage, ob die Ehedauer „der einzige Punkt ist, der reformbedürftig ist“, sagt Brigitte Meyer-Wehage, die Vorsitzende der Kommission Familienrecht. Schon im Mai hatte sich der djb an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gewandt, weil die gesetzlichen Anforderungen und die Realität weit auseinanderklaffen würden. Tatsächlich hat die Änderung des Unterhaltsrechts im Jahr 2008 verheirateten Frauen signalisiert, erwerbstätig zu bleiben, da sie durch eine Eheschließung allein nicht mehr abgesichert sind.
Das Ende der Hausfrauen-Ehe?
Vor diesem Hintergrund fordert Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) noch eine weitere Anpassung: Das Unterhaltsrecht müsse klarstellen, dass man von geschiedenen Müttern, die ein oder mehrere Kinder unter 15 Jahren versorgten, keine Vollzeitberufstätigkeit verlangen dürfe. „Nur so können wir alleinerziehende Eltern vor einer Überforderung schützen“, sagt sie.
Eigentlich setzte der Gesetzgeber vor fünf Jahren auf mehr Eigenverantwortung und Einzelfallentscheidungen.
In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass gerade langjährig Verheiratete bei der Scheidung schlechter wegkommen – oft wurde ihnen nur für einige Jahre ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ex-Mann gebilligt. „Zuletzt war die Rechtsprechung hoffnungsvoll. Unmittelbar nach der Reform im Jahr 2008 hat es aber eine harsche Rechtsprechung gegeben, die durchaus problematisch war“, sagt Eva Becker, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein. Problematisch vor allem für Frauen, die zugunsten von Kindern und Haushalt jahrelang auf ihre eigene Karriere verzichteten.
Viele führten in Abstimmung mit dem Ehemann eine so genannte Hausfrauen- oder Alleinverdienerehe. Andere wollten arbeiten, konnten es aber nicht, weil die Betreuungsmöglichkeiten nicht gegeben waren – immer noch fehlen 220000 der geplanten Krippenplätze. „Es ist überhaupt nicht wegzudiskutieren, dass die Hausfrauenehe nicht mehr das Maß der Dinge ist“, sagt Becker. „Aber Statistiken belegen auch, dass sich oft nicht aufrecht erhalten lässt, was sich Eheleute zu Beginn ihrer Ehe vorgenommen haben. Ob geplant oder ungeplant, leben viele heute noch nach dem traditionellen Familienbild.“ Sie sollen im Scheidungsfall nach jahrzehntelanger Ehe ab März 2013 mehr Unterhalt beantragen können.
Unterhaltsrecht, Krippenplätze, Betreuungsgeld: Die Diskussionen darüber haben in letzter Zeit gezeigt, wie streitbar und sensibel diese Themen sind. Auch deshalb verlangen einige jetzt eine von Regularien gänzliche losgelöste Rechtsprechung beim Unterhalt. „Es wäre sinnvoll, dem Gesetz noch mehr Freiraum zu geben“, sagt Familienanwältin Eva Becker. „Vielleicht sollte man den Mut haben, die Kriterien im Gesetz aufzugeben und nur noch den Einzelfall betrachten.“
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität