Hinter den Kulissen des Klimagipfels: Die Klimahelden
Der französische Außenminister Laurent Fabius hat den Pariser Gipfel straff und erfolgreich geführt. Aber ohne zwei Frauen und einen peruanischen Minister hätte er sich schwer getan.
Kurz vor dem Ziel hat Laurent Fabius noch einmal all sein Geschick einsetzen müssen. Der Präsident des 21. Weltklimagipfels (COP21) in Paris wollte eigentlich um 17.30 Uhr am Samstag seinen kleinen grünen Hammer fallen lassen, um den Satz zu sagen: „Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist es beschlossen.“ Es sollte noch zwei weitere Stunden dauern, bis er den erlösenden Satz dann sprechen konnte, mit einer zum ersten Mal fast versagenden Stimme. Zwei Wochen und am Ende drei Tage und Nächte lang hatte er am Stück den ersten umfassenden Weltklimavertrag ausgehandelt.
Ein kleines Wort mit großen Folgen
Das Problem kurz vor Schluss war ein „shall“, also sollen, anstelle eines „should“, also sollten. Es stand an der Stelle, die im Abkommen beschreibt, welchen Stellenwert die nationalen Klimaaktionspläne der Industriestaaten haben. Da sollte es heißen: „Die Industrieländer sollten weiterhin vorangehen.“ Und zwar bei der Minderung ihrer Treibhausgasemissionen. Das „shall“ hätte daraus einen Vertrag gemacht, den der amerikanische Präsident nicht mehr kraft seines Amtes hätte ratifizieren können, sondern einen, den er durch Kongress und Senat hätte bringen müssen. Mit anderen Worten: Die USA wären nicht dabei, wenn das „shall“ stehen geblieben wäre. Nach hektischen Verhandlungen, bei denen nach Informationen der Online-Plattform „Climate Home“ vor allem Chinas Klimabeauftragter Xie Zhenhua hilfreich gewesen sein soll, wurde das „shall“ zum „Tippfehler“ erklärt. Einige „völlig übernächtigte Mitarbeiter des UN-Klimasekretariats“ hätten „einen Fehler gemacht“, ließ Fabius verlauten. Dieser „technische Fehler“ wurde als solcher akzeptiert, keine drei Minuten später war das Abkommen beschlossen.
Nicaragua, das die Chance gesehen hatte, die alte, in Industrie- und Entwicklungsländer geteilte Welt wiederherzustellen, gab seinen Obstruktionsversuch zu Protokoll – dann ging ein fünfstündiger Plenumsmarathon los, bei dem sich alle Redner in einem einig waren: Laurent Fabius war als „unser Präsident“ kaum zu übertreffen, und „wir sind ihm dankbar“.
Klimadiplomatin Tubiana zweifelte oft
Da saß sein Chef, Frankreichs Präsident François Hollande, neben ihm und hatte gerade erzählt, dass er ein Jahr lang immer mal wieder gefragt habe: „Wo ist mein Außenminister?“ Da sei ihm geantwortet worden: „In der Luft.“ Fabius sei um die Welt gereist, um nahezu überall nach Bündnispartnern für einen anspruchsvollen Klimavertrag zu werben. Damit war er nicht allein.
Ein gutes Jahr vor dem Pariser Gipfel berief der 69-jährige Sozialist eine 64-jährige Nicht-Diplomatin zu seiner Klimabeauftragten. Laurence Tubiana, die den Pariser Thinktank IDRII gegründet hat, der sich mit Umwelt- und Entwicklungsfragen befasst, war genauso viel unterwegs wie ihr Chef. Und noch im September war sie sich nicht sicher, ob es gelingen würde, die schwierigen Verhandlungen zu einem glücklichen Ende zu bringen. „Die Idee eines Langzeitziels fliegt überhaupt nicht“, klagte sie in Paris vor Journalisten.
Am Ende ist die Idee doch geflogen. Im Vertrag steht etwas verklausuliert, dass der Abschied von Kohle, Öl und Gas bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts abgeschlossen sein soll. Bis dahin soll jedenfalls kein fossiles Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre gelangen. Den Weg dahin sollen bis 2020 „Langzeitpläne für eine kohlenstoffarme Entwicklung“ beschreiben. Auf die Idee dürfte Tubiana gekommen sein, weil ihr Institut, das inzwischen von Teresa Ribera geführt wird, genau solche Pläne in einem Kooperationsprojekt mit 16 Thinktanks aus aller Welt sicherheitshalber schon mal erarbeitet hat.
Im Auge des Tigers
Als Fabius seine wichtigste Klimadiplomatin am Samstagabend herzte, stand sie auch wieder aufrecht. Kurz vor dem Gipfel hatte sie sich in einem Langstreckenflug nach Johannesburg vor Schmerzen gekrümmt und musste sich sofort einer Blinddarmoperation unterziehen. Die ersten Tage auf dem Gipfel bewegte sie sich im „Tubiana-Mobil“, einer Art Rollstuhl, über das Gelände in Le Bourget.
Laurent Fabius konnte sich auf zwei weitere unverzichtbare Bündnispartner verlassen: Manuel Pulgar Vidal, Vorgänger von Fabius als COP-Präsident im Vorjahr in Lima. Christiana Figueres, Chefin des UN-Klimasekretariats, sagte über den peruanischen Umweltminister, er sei der erste COP-Präsident, der „zwei volle Jahre“ durchgearbeitet habe. Fabius setzte ihn immer dann ein, wenn besonderes diplomatisches Geschick speziell gegenüber Entwicklungsländern gefragt war.
Christiana Figueres wiederum hat die Scherben von Kopenhagen, dem Gipfel 2009, der dramatisch gescheitert war, aufgehoben und sechs Jahre damit verbracht, um Vertrauen zu werben. Mit einigem Erfolg. Am Samstagabend sagte sie lächelnd, dass das „die COP mit der straffsten Führung“ gewesen sei. Sie könne das beurteilen, schließlich habe sie im Auge des Tigers gestanden. Fabius grinste breit.