Antisemitismus: Die Kippa ist ein Bekenntnis zur Weltoffenheit
Gesten wie das Tragen einer Kippa als Solidaritätszeichen sind keine hohlen Selbstinszenierungen. Sie zeigen vielmehr denen, die Zuspruch brauchen: Ihr seid nicht alleine. Ein Kommentar.
Kann man mit Gesten gegen Vorurteile kämpfen? Die Jüdische Gemeinde von Berlin hat für Mittwoch zu einer Aktion „Berlin trägt Kippa“ aufgerufen, auch „Potsdam trägt Kippa“ und in Thüringen wird, ebenfalls an diesem Tag, eine Initiative „Thüringen trägt Kippa“ aktiv, die von der Evangelischen Landeskirche unterstützt wird. Der Zentralrat der Muslime hat Antisemitismus als Sünde bezeichnet. Josef Schuster aber, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, warnt vor dem Tragen der jüdischen Kopfbedeckung in deutschen Großstädten: Gelänge es nicht, dem offenen Antisemitismus entgegen zu treten, „stellt dies letztendlich eine Gefahr für unsere Demokratie dar“.
Tatsache ist, dass es neben dem sowohl latenten als auch immer öfter unverstellten, aggressiven und kriminellen deutschen Antisemitismus eine gegen Juden gerichtete, verbale Hasshaltung gibt, die von Menschen aus arabischen, muslimisch geprägten Kulturen ausgeht. Der jüngste Zwischenfall, der nun auch die „Berlin trägt Kippa“-Bewegung auslöste, passt in dieses Bild: Ein arabischer Israeli, der eine Kippa trug, wurde mitten in Berlin von einem 19 Jahre alten Flüchtling aus Syrien angegriffen und mit dem arabischen Wort für „Jude“ beschimpft.
Tatsächlich steigt die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland. Ressentiments gegen Juden wuchern schon dort, wo keine Strafverfolgung stattfindet, weil die Täter zu jung sind und es keinen Kläger gibt: In Tagesstätten und Schulen wiederholen Kinder klischeehaft, was sie im Elternhaus und in der heimischen Umgebung aufschnappen. Die Kriminalstatistik gibt keinen Beleg für einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Fluchtbewegung aus arabischen Staaten und antisemitischen Straftaten. Im emotionalen Bereich ist er allerdings unübersehbar.
Nicht nur die Politik, auch die Zivilgesellschaft ist gefordert
Dabei gibt es zwischen den Gründen zur Flucht aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder den Maghrebstaaten und der Politik Israels keinerlei Zusammenhang. Der Terror und die religiös stimulierten Kämpfe zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppen, die Brutalität, mit der etablierte Regime gegen den Ruf aus der Bevölkerung nach Demokratie und Partizipation vorgehen, eskalieren völlig unabhängig von allem, was in dem jüdischen Staat geschieht. Nicht nur die offizielle Politik in Deutschland, vor allem auch die deutsche Zivilgesellschaft muss das immer wieder deutlich machen.
Ob am Mittwoch Mitbürger, die keine Juden sind, eine Kippa als Zeichen der Solidarität tragen, muss jeder für sich entscheiden. Solche Gesten sind in der Regel jedenfalls keine hohlen dramaturgischen Selbstinszenierungen, sondern sie zeigen denen, die Zuspruch brauchen: Ihr seid nicht alleine. Wo es im Nationalsozialismus am Anfang offenen Widerstand gegen die Deportation der Juden und die Stigmatisierung Behinderter gab, wich das Regime zurück. Und die Frauen der Rosenstraße haben noch im März 1943 mitten in Berlin erfolgreich in tagelangen Protesten für die Freilassung ihrer jüdischen Männer demonstriert.
Dieses Land will ungeachtet aller streitigen Diskussionen ein weltoffenes Land bleiben. Dazu gehört, dass jeder, der hierher kommt, die Freiheit und das Hiersein aller anderen respektiert, die auch friedlichen Willens sind. Die Grenzen unserer Toleranz müssen gegen jede Intoleranz verteidigt werden. Wer als Gast das Menschenrecht anderer nicht achtet, gefährdet sein Recht, hier leben zu dürfen.
So können auch Sie heute Kippa tragen: Laden Sie hier ein PDF herunter, um eine Vorlage auszudrucken und auszuschneiden.
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