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Unter die Lupe genommen - wer wohl diesen Ring tragen darf?
© dpa

Diskussion über Homo-Ehe: Die Homo-Ehe sollte bald zur deutschen Leitkultur gehören

Bei der Sexualmoral geht es meist nicht um gute oder schlechte Argumente. Die Gegner der Homo-Ehe dürfen nicht stigmatisiert oder gar kriminalisiert werden. Ein Kommentar.

Die Homo-Ehe ist ein Symbol. Es steht für Gleichberechtigung, Akzeptanz, Respekt. In Deutschland ist eine Mehrheit seit Jahren dafür, dass Lesben und Schwule heiraten dürfen – mit allen Rechten und Pflichten. Sie sollen laut Ja sagen, miteinander den lebenslangen Weg zu gehen. Sie sollen sich binden, manchmal über die Liebe hinaus. Sie sollen sich herzen, streiten, durch den anderen wachsen, an dessen Seite stehen, auf ihn angewiesen sein, altern, gebrechlich werden. All das. In der Ehe legen sich zwei Menschen auf eine gemeinsame Zukunft fest, ohne Grundlage und Bedingung dieser Zukunft kennen zu können. Sich das zuzumuten, verlangt Mut, und das Wagnis ist groß: Ein Drittel der Ehen scheitert. Aber das Wunder ist größer: Zwei Drittel der Ehen halten bis zum Schluss. Man glaubt es kaum.

Als Lebensform genießt die Ehe in Deutschland eine grundgesetzlich geschützte Ausnahmerolle. Sie ist ein Ideal. Die Bindungsfähigkeit im familiären Mikrokosmos zeugt von Stabilität und Reife im gesellschaftlichen Makrokosmos. Überreif ist die Einbeziehung der Homosexuellen in diese Wechselbeziehung. Der Weg dorthin war weit, ist aber fast geschafft. Was mit Verbot, Verfolgung und Zwangskastrationen begann, heißt inzwischen „eingetragene Lebenspartnerschaft“ und kommt der Ehe schon sehr nahe. Bei der Hinterbliebenenrente, der Erbschaft- und Grunderwerbssteuer dürfen homosexuelle Paare nicht mehr benachteiligt werden. Karlsruhe hat ebenfalls verfügt, dass Homo-Ehen vom Ehegattensplitting profitieren können.

Bleibt als letzte Hürde das volle Adoptionsrecht. Hier tun sich Teile der Union noch schwer mit der Einsicht, dass Adoptionskinder immer Wunschkinder sind und ihnen in aller Regel ein Maß an Fürsorge, Hinwendung und Liebe entgegengebracht wird, das seinesgleichen sucht. Diverse Studien belegen, dass das auch für homosexuelle Paare gilt. Für die entgegengesetzte Annahme, der zufolge für das Kindeswohl zwei unterschiedliche Geschlechter als Eltern notwendig sind, gibt es keine Argumente, die über Verweise auf Religion, Natur oder Tradition hinausgehen. Legendär ist der Auftritt von Angela Merkel im Herbst 2013 in der Wahlkampfarena, als die Kanzlerin zwar wusste, dass sie ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ablehnt, aber partout nicht begründen konnte, warum.

Der Kampf gegen die Homophobie wird noch lange dauern

Doch angenommen, auch diese Schlacht wird bald geschlagen sein – und die Homo-Ehe endlich in Deutschland erlaubt: Was dann? Erstens, das lehrt die Geschichte der Frauenbewegung, verschwinden mit der gesetzlichen Gleichstellung und dem Verbot der Diskriminierung nicht automatisch die Ressentiments. Besonders auf dem Land, in Sportvereinen, auf Schulhöfen und im Militär grassiert weiterhin die Homophobie. Der Kampf dagegen wird noch lange dauern.

Zweitens illustriert die homosexuelle Befreiungsbewegung, dass es in der Sexualmoral meist nicht um gute oder schlechte Argumente geht, sondern um Setzungen. Auch Inzest- und Polygamieverbot lassen sich allein rational ja nicht stichhaltig begründen. Trotzdem darf eine Gesellschaft an ihnen festhalten. Konventionen sind identitätsstiftende und -erhaltende Werte. Die Erlaubnis der Homo-Ehe sollte nicht zum Irrglauben verleiten, ethische Setzungen, die sich einer rationalen Letztbegründung entziehen, seien an sich bereits falsch.

Drittens schließlich kann eine Liberalisierung der Sexualmoral interkulturelle Spannungen durchaus verschärfen. Die Zustimmung zur Homo-Ehe ist hoch unter weißen, säkularen Jugendlichen. Die Ablehnung der Homo-Ehe ist weit verbreitet unter älteren, konservativen Christen, arabisch- und türkischstämmigen Muslimen und orthodoxen russischstämmigen Einwanderern. Will die liberale Mehrheitsgesellschaft nicht Abschottungstendenzen innerhalb dieser Minderheiten befördern, darf sie weder übertrieben belehrend auftreten noch selbstgerecht. Die Homo-Ehe gehört hoffentlich bald zur deutschen Leitkultur. Deren Gegner zu stigmatisieren oder gar zu kriminalisieren, gehört hoffentlich nicht dazu.

Malte Lehming

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