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Grünes Spitzenduo: Cem Özdemir und Katrin-Göring-Eckardt
© Kay Nietfeld /dpa

Özdemir und Göring-Eckardt: Die Grünen wählen die bürgerliche Option

Auf Nummer sicher: Die Grünen ziehen mit Özdemir und Göring-Eckardt in den Wahlkampf für den Bundestag. Das ist eine rationale Entscheidung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Cordula Eubel

Bei der Wahl ihrer Spitzenkandidaten wollten die Grünen in unsicheren Zeiten kein Risiko eingehen. Cem Özdemir wird die Partei zusammen mit Katrin Göring-Eckardt in den Bundestagswahlkampf führen. Die Fraktionschefin und der Parteichef sind die bekanntesten Gesichter der Partei, sie gelten als verlässlich. Es war eine rationale Entscheidung, die die Parteimitglieder getroffen haben.

Offenbar hatte die Basis das Bedürfnis, auf Nummer sicher zu gehen. Die Personalentscheidung macht aber auch deutlich, dass die Grünen eine zutiefst bürgerliche Kraft geworden sind.

Für eine Partei wie die Grünen ist eine Urwahl immer auch ein Identitätscheck: Wie ticken die Mitglieder, von denen rund die Hälfte erst in den vergangenen Jahren eingetreten sind? Und was erwartet die Basis von der Parteiführung? Die Abstimmung über die Spitzenkandidaten hat einige Hinweise gegeben.

Bis in die Mitte der Gesellschaft

Zum einen, dass die Grünen viel weniger links sind, als es der linke Flügel behauptet und die Atmosphäre bei Parteitagen vermuten lässt. Die Basis hat andere Prioritäten als die Funktionäre, die auf den Delegiertentreffen die grüne Programmatik bestimmen. Mit zwei Realo-Politikern an der Spitze hat die Parteibasis sich über den Flügelproporz hinweggesetzt, auf den die Grünen bei der Verteilung von Führungsämtern sonst so streng achten. Fraktionschef Anton Hofreiter als einziger Vertreter der Parteilinken landete auf dem letzten Platz.

Noch wichtiger als Flügelfragen dürfte allerdings das Auftreten der Kandidaten gewesen sein und die Hoffnung, die in sie gesetzt wird. Unter den Männern ist Özdemir derjenige, der nach außen am stärksten die Aussicht verkörpert, bürgerliche Wähler bis tief in die Mitte der Gesellschaft anzusprechen.

Angst vor der Bedeutungslosigkeit

Dass es in der Partei eine Sehnsucht nach einer anderen Ansprache der Wähler gibt, zeigt auch der Achtungserfolg des Kieler Umweltminister Robert Habeck, der nur knapp hinter Özdemir landete. Natürlich gibt es an der grünen Basis immer auch eine Sympathie für Underdogs. Auch Göring-Eckardt konnte bei der letzten Urwahl davon profitieren, dass sie als Außenseiterin ins Rennen ging.

Die vielen Stimmen für Habeck belegen aber auch, dass die Basis seine Forderung unterstützt, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Intern war Habeck derjenige, der am lautesten mahnte, die Grünen sollten wieder stärker um gesellschaftliche Mehrheiten kämpfen. Wenn sie dafür nicht auch mit den Kritikern der eigenen Politik ins Gespräch kämen, drohe ihnen das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit.

Vor dem neuen grünen Spitzenduo liegt ein schwieriges Wahljahr. Gesellschaftspolitisch weht den Grünen der Wind ins Gesicht. In Zeiten, in denen populistische Kräfte wie die AfD Auftrieb erhalten, muss die Partei Erkämpftes neu erklären und verteidigen. Es wird sicher auch keine einfache Aufgabe, die Erhaltung der Natur und damit das Kernthema der Grünen in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu stellen. Und das in einem Jahr, das mit einer Debatte über die innere Sicherheit begonnen hat, bei der die Grünen kaum gewinnen können.

Eine Machtoption fehlt

Hinzu kommt, dass der Partei derzeit eine klare Machtoption fehlt. Für Rot-Rot-Grün gibt es momentan weder die rechnerische Mehrheit noch eine ausreichende Wechselstimmung in der Bevölkerung. Aber auch Schwarz-Grün im Bund wäre äußerst schwierig, angesichts des Widerstands in der CSU und der Differenzen in der Flüchtlingspolitik.

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckhardt passen politisch zueinander wie Topf und Deckel. Es wird furchtbar werden. Furchtbar langweilig und vorhersehbar.  Am Ende wird die Grüne Partei möglicherweise politisch so lebendig sein wie die Einwohnerschaft des Zentralfriedhofs von Chicago.

schreibt NutzerIn soldier

Bei ihrem ersten Auftritt haben die beiden Spitzenkandidaten betont, dass ihre Wahl noch keine Vorentscheidung für eine mögliche Koalition sei. Die Grünen wollen sich dieses Mal nicht auf die SPD als Koalitionspartner festlegen, sondern offen in den Wahlkampf ziehen. Klar ist aber: Mit Özdemir und Göring-Eckardt wäre eine schwarz-grüne Bundesregierung, anders als 2013, zumindest denkbar. Die beiden wissen, dass es in der Partei die Erwartung gibt, dass die Grünen nach zwölf Jahren in der Opposition wieder mitregieren, so schwierig es am Ende auch sein mag.

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