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"Unterstützen Sie Ihre Hure vor Ort": Die Prostituierte und Aktionskünstlerin Scarlet Harlot am ersten internationalen "Tag der Sexarbeit" im Mai 2000 in Berlin
© dpa

Prostitutionsgesetz in Deutschland: Gütesiegel für Puffs, Anschaffen erst ab 21 - die Regierung wird kleinlaut

Weil das Prostitutionsgesetz von 2002 Deutschland angeblich zum Bordell Europas gemacht hat, will die Koalition es verschärfen. In letzter Zeit wurde es still um das Vorhaben. Anscheinend sind Union und SPD selbst nicht mehr recht überzeugt.

Die Bundesregierung hat offenbar Schwierigkeiten, das Prostitutionsgesetz zu verschärfen, wie im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vereinbart. Aus den Antworten des Familienministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen geht hervor, dass es für einige der diskutierten Vorhaben entweder keine Daten gibt, der Bund gar nicht zuständig ist oder aber das Ministerium selbst keinen Reformbedarf sieht. Im Brief der Parlamentarischen Staatssekretärin Elke Ferner (SPD), die dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es etwa zur Frage der Anmeldepflicht für Bordelle, es sei „noch keine Festlegung getroffen“. Auch ob eine Altersgrenze für legale Prostitution eingeführt werden solle, „steht noch nicht fest“. Auf die Frage nach mehr Personal für Behörden, die prüfen sollen, ob Sexarbeiterinnen Opfer von Menschenhandel sind, verneint die Bundesregierung ihre Zuständigkeit.

Prostitution soll wieder stärker kontrolliert werden

Gerade mit dem Schutz der Prostituierten, vor allem vor Menschenhandel, war aber die Vereinbarung im Koalitionsvertrag begründet worden, wo es heißt: „Wir wollen Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser schützen und die Täter konsequenter bestrafen.“ Dazu werde man das Prostitutionsgesetz „im Hinblick auf die Regulierung der Prostitution umfassend überarbeiten und ordnungsbehördliche Kontrollmöglichkeiten gesetzlich verbessern“. Das von der rot-grünen Regierung Schröder geschaffene Gesetz, seit 2002 in Kraft, gilt als eines der weltweit liberalsten; es anerkannte die bis dahin sittenwidrige Sexarbeit als Dienstleistung und gab Prostituierten erstmals die Möglichkeit, sich regulär in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung anzumelden. Kritiker wenden allerdings ein, es mache Deutschland zum Bordell Europas. In Schweden etwa ist Prostitution seit 2000 verboten, ein ähnliches französisches Gesetz, das wie in Schweden die Freier bestraft, soll noch in diesem Monat die letzte parlamentarische Hürde nehmen.

Gegen die angeblich steigende Lust auf Mädchen

In den vergangenen Monaten hatte die schwarz-rote Koalition etliche Vorschläge zur Reform der Reform von 2002 präsentiert: Im Gespräch ist unter anderem, Bordelle von einer ausdrücklichen Genehmigung abhängig zu machen und nur Betreiber zuzulassen, die nicht vorbestraft sind – eine Forderung von Familienministerin Schwesig, die auch der Bundesrat vertritt. Die Union fordert Kontrollen der Bordelle auch ohne konkreten Verdacht und ein Mindestalter von 21 Jahren für Prostituierte, um „die stetige Nachfrage nach immer jüngeren Frauen“ einzudämmen.

Die Frage der Grünen nach dieser Nachfrage beantwortet das Ministerium allerdings selbst deutlich anders: „Der Bundesregierung sind keine Statistiken oder Studien bekannt, aus denen eine steigende Nachfrage nach immer jüngeren Frauen hervorgeht.“ Es sei auch „aus methodischen Gründen grundsätzlich nicht möglich“, solche Daten zu erheben. Zur Unionsforderung nach regelmäßigen verpflichtenden amtsärztlichen Untersuchungen von Sexarbeiterinnen heißt in der Antwort an die Grünen: Prostituierte hätten selbst ein „hohes Eigeninteresse, die eigene Gesundheit zu schützen“. Ihre Ansteckungsrate mit sexuell übertragbaren Krankheiten sei „nur geringfügig höher als in der Allgemeinbevölkerung“.

Flatrate-Sex können Prostituierte schon jetzt verweigern

Aber auch an den Informationen von Ministerin Manuela Schwesig scheinen die Experten des eigenen Hauses Zweifel zu haben. In Übereinstimmung mit der Union hatte Schwesig im Frühjahr angekündigt, man werde auch menschenverachtende Erscheinungen wie Flatrate-Bordelle verhindern, in denen Sexarbeiterinnen gegen Festpreis unbegrenzt zur Verfügung stünden. Die Antwort von Schwesigs Ministerium an die Grünen verweist hingegen auf die schon jetzt gültigen Bestimmungen des Prostitutionsgesetzes, das dem „Arbeitgeber einer Prostituierten ein ausgesprochen eingeschränktes Weisungsrecht“ einräume. Bordellbetreiber dürfen ihren Angestellten lediglich Arbeitszeit und –ort vorschreiben, aber keine sexuellen Praktiken oder welche und wie viele Kunden sie zu akzeptieren haben.

Grüne: Regierung stützt sich auf Behauptungen statt auf Fakten

Ulle Schauws, die frauenpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Bundestag, sieht in den Antworten der Regierung den Beleg dafür, dass die von der Koalition geplanten Verschärfungen des Prostitutionsgesetzes über das Ziel hinausschießen. Bedauerlich sei vor allem, dass Schwarz-Rot auf Repression statt auf Hilfe und Beratung für Prostituierte setze. Die Gefahren, denen man angeblich begegnen müsse, seien dagegen weitgehend „bloße Behauptungen“, so Schauws. Ein Schutzalter von 21 Jahren etwa trüge nur dazu bei, dass „junge Frauen unter 21 Jahren in die Illegalität gedrängt würden“ und sei auch verfassungsrechtlich zweifelhaft: „Unser Recht lässt es nur in absoluten Ausnahmefällen zu, Erwachsene und voll Geschäftsfähige vor sich selbst zu schützen."

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