Klimapolitik und Energiesicherheit: Die gegensätzlichen Sieben
Das Treffen der Energieminister der größten Industrieländer zeigt große nationale Unterschiede: Deutschland nimmt einen Offshore-Windpark in Betrieb, die US-Regierung genehmigt Ölbohrungen in der Arktis.
Während sich die Europäische Union zumindest gedanklich einer „Energie-Union“ annähert, sind die G-7-Staaten davon noch weit entfernt. Die Energieministerien der Gruppe der sieben größten Industriestaaten haben sich auf Einladung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zwei Tage lang in Hamburg über Klimapolitik und Energiesicherheit ausgetauscht. Doch allzu weit sind sie dabei nicht gekommen. Wie weit auseinander die Positionen liegen, zeigt ein Blick auf die USA und Deutschland.
In der Nacht zum Dienstag genehmigte die amerikanische Behörde für Meeresenergie Probebohrungen des Ölkonzerns Shell in der arktischen See um Alaska. Wenige Stunden vorher hatte Gabriel seine G-7-Gäste eingeladen, mit ihm gemeinsam zu einer Stromverteilstation des Energiekonzerns RWE für zwei große Offshore-Windparks 35 beziehungsweise 40 Kilometer vor der Insel Helgoland zu fliegen. Keiner wollte ihn begleiten. Gabriel nahm die Anlage dann mit dem Kieler Ministerpräsidenten Torsten Albig und dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD) symbolisch in Betrieb.
Während Gabriel die Windkraft auf See mit einem ob der Abwesenheit der restlichen G-7-Vertreter ziemlich enttäuschten RWE-Chef Peter Terium feierte, gab der amerikanische Energieminister Ernest Moniz im feinen Hamburger Atlantik-Hotel der ARD-„Tagesschau“ ein Interview. Er lobte das deutsche Engagement beim Ausbau erneuerbarer Energien, denn das habe „den Markt in Gang gebracht“. Aber eine Energiewende, das machte er auch deutlich, haben die USA nicht vor. „Wir sagen: Nicht ohne Kohle, sondern ohne Kohlendioxid-Emission“, sagte er. Seine Regierung investiere viel in die Abscheidung von CO2 und die unterirdische Lagerung des klimaschädlichen Gases (CCS). „Im Prinzip könnten sogar alle fossilen Energieträger an einer CO2-armen Wirtschaft teilnehmen“, sagte Moniz. Die USA wollten aber die „Suche nach der besten Lösung“ der Wirtschaft überlassen.
Die Bohrgenehigung für Shell ist nur folgerichtig
So gesehen ist eine Bohrgenehmigung für Shell auf der Suche nach Erdöl im empfindlichen arktischen Ökosystem wohl nur folgerichtig. Seit das Meereis wegen des Klimawandels massiv abnimmt und im Sommer immer größere Bereiche eisfrei sind, ist das Interesse der Ölindustrie gewachsen, dort nach Öl und Gas zu suchen. Nach Einschätzung der amerikanischen Geologie-Behörde lagern rund um den Nordpol bis zu einem Drittel der noch unerschlossenen Öl- und Gasvorkommen der Welt. Für Shell ist es der zweite Versuch, mit konkreten Prospektionsarbeiten zu beginnen. 2012 hat der Konzern schon einmal Erkundungsbohrungen machen wollen. Damals brach auf dem Erkundungsschiff ein Feuer aus, die Notfallausrüstung für Ölunfälle versagte und die Kulluk-Bohrplattform, die schließlich wieder an Land zurückgeschleppt werden sollte, ging in einem Sturm nahe der Kodiak-Insel vor Alaska unter.
Shell plant sechs Probebohrungen in 40 Metern Tiefe in der Tschuktschensee. Trotz des schrumpfenden Meereises ist die Arbeit in diesem extremen Klima riskant. Es ist kalt, stürmisch, hohe Wellen sind jederzeit möglich. Obwohl der Ölpreis seit dem ersten Versuch massiv gefallen ist und auch in der Bilanz des Konzerns deutliche Spuren hinterlassen hat, hält Shell an seinem Arktis-Plan fest. Der britische Sender BBC zitiert Shell-Sprecher Curtis Smith mit den Worten: „Die Genehmigung zeigt das Vertrauen der Behörden in unsere Planung.“
Umweltschützer reagierten entsetzt auf die Entscheidung der amerikanischen Regierung. Eine Ölpest hätte verheerende Auswirkungen. Im kalten arktischen Meer können Bakterien das Öl nur extrem langsam abbauen. Es würde den gesamten Lebensraum vergiften, in dem noch Walrösser und Wale leben. Greenpeace, dessen Chef Kumi Naidoo seit Jahren eine Kampagne führt, um Ölbohrungen in der Arktis zu verhindern, kritisierte die Genehmigung. Die Umweltschützer bezweifeln, dass der Notfallplan von Shell ausreicht, um bei einem Ölaustritt eine ökologische Katastrophe zu verhindern.
Die G-7-Minister diskutierten am Dienstag aber lieber darüber, wie die Ukraine und ganz Europa unabhängiger von russischem Gas werden könnte. US-Energieminister Moniz warb für Flüssiggasimporte von amerikanischem Fracking-Gas, die allerdings frühestens im kommenden Jahr möglich werden. Zumindest in einem waren sich die Vertreter der G 7 aber einig: Der Klimagipfel in Paris soll ein Erfolg werden. Die Kosten des Klimawandels steigen, und die Chancen auf einen Abschluss seien „besser als vor ein paar Monaten“, meinte Monez. Gabriel sagte zum Abschluss, es sei kein Geheimnis, dass die G-7-Staaten in der Energiepolitik verschiedene Ansätze verfolgten. mit dpa