Russland und der Ukraine-Krieg: Die Geduld des Westens mit Russland muss ein Ende haben
298 Tote mahnen: Fast vier Jahre nach dem Abschuss von Flug MH17 darf die politische Dimension des Verbrechens nicht länger ignoriert werden. Ein Kommentar.
Seit vier Jahren warten die Angehörigen von 298 Todesopfern auf Antworten – und auf Gerechtigkeit. Dabei ist der Abschuss des Flugzeugs MH17 über der Ostukraine weitgehend aufgeklärt. Die Buk-Rakete, von der die Maschine getroffen wurde, kam aus Russland, von einer Flugabwehrbrigade in Kursk. Diese Information, die von einem Ermittlungsteam nun bestätigt wurde, ist keineswegs neu: Bereits 2014 kamen Rechercheure der Webseite Bellingcat zu diesem Ergebnis.
Das Kriegsverbrechen muss vor einem internationalen Gericht aufgearbeitet werden. Aber jenseits der Frage, welche Personen zur Rechenschaft gezogen werden, lässt sich die politische Dimension des Verbrechens nicht länger ignorieren.
Die Niederlande und Australien haben Russland für die Tat verantwortlich gemacht. Tatsächlich beweist die Tat die direkte Beteiligung der russischen Armee am Krieg in der Ukraine. Denn alles deutet darauf hin, dass die Einheit aus Kursk den Raketenwerfer nicht nur über die Grenze brachte, sondern auch selbst einsetzte.
Vier Jahre lang hat Moskau nicht nur jede Verantwortung für die Tat abgestritten, sondern auch keine Bereitschaft gezeigt, zur Aufklärung beizutragen. Stattdessen verbreiteten Ministerien, Staatsmedien und andere kremltreuen Akteuren eine Vielzahl von Versionen.
Das Spektrum reichte von dem angeblichen Abschuss durch eine ukrainische Militärmaschine bis zu der abstrusen Theorie, die Passagiere seien schon vor dem Absturz tot gewesen. Es gehört zu den klassischen Instrumenten der Desinformation, so lange verschiedene Varianten einer Geschichte in Umlauf zu bringen, bis die Wahrheit nur als eine Möglichkeit von vielen erscheint.
Russland muss Kämpfer aus der Ukraine abziehen
Lange genug hat die internationale Gemeinschaft dieses Vorgehen hingenommen. Das muss ein Ende haben. Andere Staaten sollten dem niederländischen Beispiel folgen und die Verantwortung des Kremls benennen. Doch selbst das reicht nicht. Russland muss endlich seine Kämpfer und schweren Waffen aus der Ostukraine abziehen.
Dieser Verpflichtung aus den Minsker Vereinbarungen ist der Kreml nicht nachgekommen – schließlich behauptet Moskau ja, an diesem Krieg nicht beteiligt zu sein. Deutschland und andere westliche Staaten haben es bisher vermieden, Russland zum Abzug aufzufordern, und sich hinter nichtssagenden Formulierungen versteckt.
Angesichts der deutschen Debatte über einen Abbau der Sanktionen kann der Kreml sogar darauf hoffen, dass der Westen bald zur Tagesordnung übergeht. Stattdessen sollte die Europäische Union neue gezielte Finanzsanktionen gegen Personen im Umfeld des Kremls prüfen, die für den Krieg in der Ukraine verantwortlich sind – und auch für den Abschuss von MH17.