Jahrestag von MH17-Absturz: Abschuss von Flug MH17 kommt in den Niederlanden vor Gericht
Vor drei Jahren wurde Flug MH17 von Malaysia Airlines über der Ukraine abgeschossen - fast 300 Menschen starben. Spuren führen nach Russland, doch Moskau beeindruckt das nicht.
Die Absturzregion liegt in der Kriegszone, es dauert Tage, bis die Opfer geborgen werden können. Trümmer liegen weit verstreut auf den Sonnenblumenfeldern und Äckern rund um das Dorf Rossypne im Osten der Ukraine, zwei Autostunden östlich von Donezk entfernt. 298 Menschen sterben, als am 17. Juli 2014 das in Amsterdam gestartete Flugzeug MH17 auf dem Wege nach Kuala Lumpur im Osten der Ukraine abgeschossen wird. Ein Kriegsverbrechen. Und die Indizien – Hunderte von Fotos, Videos, Satellitenbildern und Augenzeugenberichte – verweisen auf eine Verstrickung Russlands.
Hergang des Verbrechens ist aufgeklärt
Die an den Ermittlungen beteiligten Staaten – Niederlande, Ukraine, Malaysia, Australien und Belgien – haben sich jetzt darauf geeinigt, das Gerichtsverfahren zu dem Fall in den Niederlanden zu führen. Auf die Ankündigung reagierten offizielle russische Stellen mit keinem Wort.
Die Ermittlungen waren kompliziert, aber seit September 2016 ist der Hergang dieses Verbrechens aus der Sicht der Internationalen Untersuchungskommission (JIT) aufgeklärt: Das Flugzeug ist von einer Boden-Luft-Rakete aus einem Gebiet in der Ostukraine abgeschossen worden, das zu diesem Zeitpunkt von den Separatisten kontrolliert wurde.
Die Kommission habe zudem die genaue Route der mobilen Raketeneinheit verifizieren können, sagte der leitende polizeiliche Ermittler Wilbert Paulissen damals auf einer Pressekonferenz. Das militärische Gerät sei etwa neun Stunden vor dem Abschuss vom Gebiet Russlands in die Ukraine gebracht und danach wieder nach Russland zurückgebracht worden. 1400 Wrackteile sind untersucht, Tausende Telefonate und Funksprüche abgehört und analysiert worden. Rund 100 Personen wurden identifiziert, die im Zusammenhang mit dem Vorfall stehen. Hier genau liegt auch eines der Probleme für den Prozess, was die Ermittler seinerzeit auch zugaben: Um Anklage erheben zu können, muss konkreten Personen eine konkrete Tatbeteiligung zugeordnet werden. Daran wird noch gearbeitet. Das Mandat der Kommission wurde deshalb bis Anfang 2018 verlängert.
Ständig neue Versionen aus Moskau
Russland nutzt dieses Eingeständnis, um den Abschlussbericht als „vorläufig“ zu qualifizieren. Bis heute werden die Ergebnisse der Aufklärer als „die Version“ bezeichnet – der Moskau entschieden widerspricht. Das geschieht mit ständig wechselnden „alternativen Fakten“. Inzwischen gibt es rund ein Dutzend Versionen. Anfangs war davon die Rede, der Anschlag habe in Wahrheit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegolten, dessen Regierungsmaschine in einiger Entfernung vorbeiflog. Später hieß es, eine veraltete Rakete sei eingesetzt worden, die die russische Armee gar nicht mehr verwende. Das Moskauer Verteidigungsministerium veröffentlichte Satellitenbilder, die von Experten als Bearbeitungen mit dem Photoshop entlarvt wurden. Moskau reagierte empört auf die Anschuldigung. Jetzt veröffentlichte die kremlnahe Webseite lenta.ru eine Dokumentation, die belegen soll, dass der Abschuss eine Provokation der ukrainischen Streitkräfte gewesen sei.
Das Ziel des russischen Vorgehens ist erkennbar. Es heißt: Verunsicherung. Wiedersprüche sind gleichgültig, Moskau kommt es auf den Eindruck an, man werde nie erfahren, was wirklich vorgefallen ist. „Russland wird sich nicht verteidigen“, kommentierte der oppositionelle Publizist Matwej Ganapolski in der vergangenen Woche sarkastisch. „Was geht es Russland an? Das ist nur eine schmutzige Provokation."
Von Frank Herold