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Der Erfinder Karl Drais (1785-1851) auf seiner Laufmaschine.
© epd

200 Jahre Fahrrad: Die Geburt der Laufmaschine

Vor 200 Jahren erfand Karl Freiherr von Drais die Laufmaschine – als Alternative zum Pferd. Es war die Geburtsstunde der individuellen Mobilität.

Die allererste Fahrradfahrt führte vor zweihundert Jahren, am 12. Juni 1817, vom Schloss Mannheim bis zur kurfürstlichen Sommerresidenz in Schwetzingen und wieder zurück. Es war eine Spazierfahrt bei schönstem Sommerwetter, die allerdings die Welt verändern sollte. Karl Freiherr Drais von Sauerbronn benötigte für die 12,8 Kilometer lange Strecke, so erinnerte er sich später, „eine kleine Stunde“. Drais erreichte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 14 km/h und war damit etwa dreimal so schnell wie eine Postkutsche und fast genauso schnell wie Ross und Reiter. Der Konstrukteur stellte sein Zweirad stolz als „neu erfundene Fahrmaschine LODA“ vor, eine Abkürzung für französisch „locomotion“ (Fortbewegung) und „Dada“ (Steckenpferd). Später sprach er von „Laufmaschine“, während die Öffentlichkeit bald die Bezeichnung „Draisine“ bevorzugte.

„Die Haupt-Idee der Erfindung ist vom Schlittschuhfahren genommen und besteht in dem einfachen Gedanken, einen Sitz auf Rädern mit den Füßen auf dem Boden fortzustoßen.“ So hat Drais ein paar Wochen später seine Erfindung im „Badenwochenblatt“ beschrieben, einer Zeitung, die in der Stadt Baden erschien. Fahrradfahren, so viel schien klar zu sein, war eine Kunst und benötigte Körperbeherrschung. Die Erfahrung, das labile Gleichgewicht eines Menschen auf zwei hintereinander angeordneten Rädern ständig ausbalancieren zu müssen, macht bis heute jeder, der das Radfahren erlernt. Klappt es, nimmt das magische Schweben über dem Boden beinahe das Fliegen vorweg.

Nicht umsonst sollten die Brüder Wright Fahrräder bauen, bevor sie um 1900 mit Gleitflugzeugen den Himmel eroberten. Das Urfahrrad bestand zum größten Teil aus Holz, dem Maschinenbaustoff von Drais’ Zeit, und wog 22 Kilogramm, so viel wie heute ein Hollandrad. Pedale besaß es nicht, aber viele seiner Details sind bis in die Gegenwart im Grunde unverändert geblieben. So waren beide Räder gleich groß und hatten einen Durchmesser von 27 Zoll, vom Lenker aus ließ sich eine Schleifbremse für das Hinterrad betätigen, Sattel und Lenker waren höhenverstellbar und eine Klappstütze für das Vorderrad gab es auch bereits.

Seine Laufmaschine fahre wie Pferde im Galopp, versicherte Drais

Seine Laufmaschine, versicherte Drais in einer eilig gedruckten Broschüre, fahre bergauf „so schnell, als ein Mensch in starkem Schritt“ und auf der Ebene „wie ein Pferde im Galopp“. Pferd und Fahrrad konkurrierten miteinander, Drais plante seine Schöpfung als Alternative zum Pferd. Der Ausbruch des Vulkans Tambora im heutigen Indonesien hatte 1815 zu einem „Jahr ohne Sommer“ und einer weltweiten Klima- und Hungerkatastrophe geführt. Getreide wurde unermesslich teuer, aufgrund von Missernten und Hafermangel kam es zu einem Pferdesterben in Mitteleuropa. Ein Fahrrad hat im Wettkampf der Verkehrsmittel einen unleugbaren Vorteil: Es frisst keinen Hafer.

Karl von Drais, 1785 in Karlsruhe geboren, hatte eine Ausbildung zum Forstmeister durchlaufen, war aber bei vollen Bezügen von seinem Amt befreit, um sich ganz den Naturwissenschaften und der Mechanik widmen zu können. Zunächst hatte er an einer „Fahrmaschine“ gearbeitet, einem vierrädrigen Gegenstück zur Kutsche. Als Vorbild diente ihm dabei ein „Gartenphaeton“, den ein Londoner Stuhlmacher für den Mannheimer Großherzog geliefert hatte. Das Gefährt wurde zu Ausfahrten im Schlosspark genutzt und hinterließ – eine Sensation – keine Pferdeexkremente.

Drais ließ auf eigene Kosten zwei Prototypen einer Fahrmaschine herstellen, die Tretmühlen auf Hinterradwellen besaßen und ein Tempo von 6,4 km/h erreichen sollten. Einen davon konnte er auf Empfehlung des russischen Zaren Alexander I. sogar auf dem Wiener Kongress vorführen. Allerdings ließ die Begeisterung der dort versammelten Könige und Fürsten zu wünschen übrig. Pferdefutter war noch bezahlbar, vom Tambora hatte man nichts gehört. Ohnehin hätte Drais keine Großproduktion beginnen können. Er war Beamter und durfte kein eigenes Unternehmen gründen.

Karl von Drais war besessen von der Idee, Neues in die Welt zu bringen

Die Fahrmaschine floppte. Aber die Laufmaschine, das Urfahrrad? Machte weltweit Schlagzeilen, zumindest einen langen Sommer lang. In Paris nahm ein Schlittschuhvertreiber die Erfindung in Lizenz und vermietete dreirädrige Damen-Draisinen in Vergnügungsparks. In London brachte ein Lizenznehmer eine Kopie ohne Bremse auf den Markt, was zu einem baldigen Fahrverbot führte. Selbst in den USA wurde das Zweirad nachgebaut, allerdings in plumper Form, weil es nur auf Informationen aus Nachrichtentexten beruhte.

Karl von Drais war besessen von der Idee, Neues in die Welt zu bringen. Ein Aufklärer, der später voreilig als Kauz abgetan wurde. Zu seinen Erfindungen zählen eine Musikmaschine, Vorläufer von Thomas Alva Edisons Phonographen, ein Chiffrierverfahren, eine Kochmaschine mit Kochkiste, ein Holzsparofen, eine Schreibmaschine sowie eine Kutsche, die von Pferden geschoben statt gezogen wird. Gute Ideen, für die allerdings die Zeit noch nicht reif war. Reich geworden ist Drais damit nicht, und seinen Ruhm als Vater des Fahrrads sollte er nicht mehr erleben. Seinen Adelstitel hat er 1848 während der Badischen Revolution per Zeitungsanzeige abgelegt. Auch das wurde ihm später als Verrücktheit ausgelegt. Karl Drais starb 1851, ein paar Jahre bevor die Serienproduktion von Fahrrädern begann.

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