ADFC zur Verkehrspolitik: Berlin fällt bei Umfrage unter Radfahrern durch
Im Fahrradklimatest des ADFC hat sich Berlin noch weiter verschlechtert. Vor allem bei Verkehrsklima, Falschparken und Diebstahl sieht es finster aus.
Normalerweise freuen sich Radfahrer, wenn es bergab geht. Doch das gilt nicht für den Fahrradklimatest des ADFC, in dem Berlin um weitere sechs Plätze abgerutscht ist – und nun Platz 36 der 39 Großstädte mit mehr als 200.000 Einwohnern belegt. Rund 120.000 Menschen beteiligten sich an der vom Bundesverkehrsministerium geförderten Befragung, davon knapp 3000 in Berlin.
Aus den Angaben der Teilnehmer ergibt sich, dass die Antworten nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ist, sondern überwiegend von Alltagsradlern gegeben wurden. In Schulnoten konnten sie 27 Thesen zu Verkehrsklima, Radverkehrspolitik, Komfort und Sicherheit bewerten. 4,3 lautet die Gesamtnote für Berlin – zwei Zehntel schlechter als bei der vorherigen Befragung Ende 2014.
Falschparkerkontrolle? Note 5,5
Komplett durchgefallen ist die Hauptstadt bei den Themen Falschparkerkontrolle auf Radwegen (5,5) und Fahrraddiebstahl (5,3). Ebenfalls für besonders schlecht wurden die Ampelschaltungen, der Zustand der Radwege und die Radverkehrsführung an Baustellen beurteilt. Aber auch für Winterdienst und – im Alltag weitaus dramatischer – Konflikte mit dem Autoverkehr gab es glatte Fünfen.
Vergleichsweise gut bewertet wurden die Verfügbarkeit von Leihfahrrädern als auch die Normalität des Radfahrens, das in anderen Großstädten offenbar eher als Randgruppenfolklore gilt. Das gilt ausweislich der konkurrenzlos schlechten Einzelnote 4,5 insbesondere für Wiesbaden, die insgesamt letztplatzierte Großstadt. Auf den Kellerplätzen zwischen Berlin und der hessischen Landeshauptstadt liegen Köln und Mönchengladbach.
Den Spitzenplatz holt wieder Münster vor Karlsruhe mit der Gesamtnote 3,1. Beide stünden ohne die schlechten Zensuren beim Fahrradklau noch besser da.
Die Antworten stammen vom November 2016, als die rot-rot-grüne Koalition sich gerade zu sortieren begann. Verkehrssenatorin Regine Günther (für Grüne) schließt aus dem desaströsen Berliner Ergebnis, „dass die Radinfrastruktur viele Wünsche offen lässt. Weil immer mehr Menschen in Berlin aufs Rad steigen und aus Verantwortung für ihre Sicherheit, müssen wir mehr in die Radinfrastruktur investieren.“ Auf Vernetzung der Verkehrsmittel komme es an, sagt Günther und betont einmal mehr, es gehe „um das gedeihliche Miteinander aller Verkehrsträger, nicht um die Privilegierung eines einzelnen“.
Die Noten werden mindestens seit 2012 immer schlechter
Dass die schlechteren Noten aus gewachsenen Ansprüchen der Radler resultieren, schließt der Berliner ADFC-Vorstand Frank Masurat zwar nicht aus, aber vermutet eher den insgesamt dichter und dadurch aggressiver gewordenen Verkehr als Erklärung. Hinzu komme der aktenkundige Fakt von rund 80 Fahrraddiebstählen pro Tag und einer auf gut drei Prozent gesunkenen Aufklärungsquote. Landesgeschäftsführer Philipp Poll verweist außerdem auf den weiter gewachsenen Sanierungsstau bei alten Radwegen sowie auf die langen Rotphasen vor Ampeln für Radfahrer, die im Nebennetz fahren und dabei Hauptstraßen queren.
Der Langfristvergleich zeigt, dass das Urteil der Befragten keine Momentaufnahme ist, sondern einen Trend abbildet: Die Noten für Infrastruktur, Ampelschaltungen und Konflikte mit Fußgängern und Autofahrern werden schon mindestens seit 2012 immer schlechter. In der aktuellen Befragung wünschten sich 73 Prozent der Teilnehmer, dass Radwege baulich abgetrennt werden sollen. Die gut gemeinten, aber von vielen als unsicher empfundenen und fast chronisch von Falschparkern blockierten Radstreifen auf der Fahrbahn ohne Abtrennung sind demnach wenig beliebt.
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