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Ellen Demuth, Norbert Röttgens Chefstrategin.
© Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

Unterwegs mit Ellen Demuth: Die Frau, die Norbert Röttgen zu seiner Chefstrategin machen will

Bislang hat die Bundespolitik von ihr kaum Notiz genommen. Doch Ellen Demuth könnte Röttgen im Kampf um den CDU-Vorsitz einen Vorteil verschaffen.

Die Aufmerksamkeit ist neu. Ein Kameramann filmt ins Café hinein, während Ellen Demuth ein Getränk zum Mitnehmen bestellt. Als sich die zierliche junge Frau mit dem Becher in der Hand in Richtung Bundestag aufmacht, hält er auch das fest. Es soll ein Beitrag über sie im Fernsehen laufen.

Erst ein paar Tage ist da die Nachricht alt, dass Demuth die Nummer zwei im Wahlkampf von CDU-Vorsitz-Kandidat Norbert Röttgen werden soll. Würde er gewinnen, wäre Demuth seine Chefstrategin, würde eine Lenkungsgruppe zur Neuausrichtung der Partei leiten. Nach monatelangen Spekulationen hatte Röttgen dies im „Spiegel“ verkündet. Jetzt wollen alle wissen: Wer ist die junge Frau – und kann sie Röttgen zum Sieg verhelfen?

Der Außenpolitiker scheint im Rennen um den CDU-Vorsitz aufzuholen. Galt er anfangs als Außenseiter, hat er zumindest in Umfragen unter CDU-Mitgliedern NRW-Ministerpräsident Armin Laschet überholt. Auch bei der Abstimmung der Jungen Union lag Röttgen auf Platz zwei hinter Friedrich Merz. Das allein sagt zwar wenig darüber aus, wie die CDU-Delegierten auf dem digitalen Parteitag Mitte Januar abstimmen werden. Doch auch unter Spitzenfunktionären wird der Eindruck geteilt, dass Röttgen zumindest mittlerweile mehr Zustimmung genießt als noch im Frühjahr.

„Wir merken, dass die Entscheidung, mich als Frau dazu zu holen, noch einmal einige Delegierte abgeholt hat“, sagt Ellen Demuth. Die 38-Jährige – dunkelblonde Haare, weiße Turnschuhe – läuft vergangene Woche in der untergehenden Dezembersonne an der Spree entlang.

Für ihre Positionen bekommt sie nicht nur Applaus

Mit 15 trat sie in die Junge Union ein, seit bald zehn Jahren ist sie Landtagsabgeordnete in Rheinland-Pfalz. Dort ist die studierte Betriebswirtschaftlerin für Gleichstellungs- und Digitalpolitik zuständig. Sie macht keinen Hehl aus ihren, wie sie sagt, feministischen Positionen. Dafür bekommt sie nicht nur Applaus in der CDU.

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Demuth wirkt zuweilen deutlich jünger als 38. Die Bundespolitik hat von ihr bislang zwar kaum Notiz genommen. Unterschätzen sollte man sie wohl dennoch nicht. Bei der Jungen Union hat Demuth früh gelernt, wie Wettstreit funktioniert. „Ich habe mich in meiner ganzen politischen Karriere immer gegen Männer durchsetzen müssen“, sagt sie. Jetzt will Demuth die CDU modernisieren und daran arbeiten, dass Frauen stärker in der Partei repräsentiert sind. „Wenn in der CDU an der Spitze vor allem Männer das Bild dominieren, bildet das die Gesellschaft nicht ab“, meint sie. „So werden wir in Zukunft nicht erfolgreich sein können.“

Viel Zeit bis zum Parteitag ist nicht mehr

Röttgen kennengelernt hat Demuth schon vor Jahren. Ihr Wahlkreis in Rheinland-Pfalz grenzt an seinen in NRW. Beide leben nur 20 Fahrminuten voneinander entfernt. Schon früher hatten sie miteinander zu tun, wenn es etwa Verkehrsverbindungen ging, die beide Wahlkreise betreffen. Mit seinem „Sechs-Punkte-Plan“ für die CDU und für Deutschland trifft Röttgen im Februar bei Demuth einen Nerv. Als sie ihm kurz darauf in der Parteizentrale über den Weg läuft, bietet sie ihm ihre Unterstützung an.

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Von da an sind die beiden im Gespräch. Röttgen fragt Demuth, ob sie sich vorstellen könnte, seine Generalsekretärin zu werden. Die Alleinerziehende spricht mit ihrer 15-jährigen Tochter darüber. „Sie ist bei sich in der Schule die Feministin. Sie hat gesagt: Mach das“, erzählt Demuth. Der Termin in der Bundespressekonferenz, bei dem Röttgen die Neuigkeit verkünden will, ist schon geblockt.

Doch dann stellt sich heraus: Der für den Dezember geplante Parteitag für die Wahl des CDU-Vorsitzenden wird wegen Corona verschoben. Generalsekretär Paul Ziemiak soll bereits damit beginnen, den Bundestagswahlkampf zu planen. Röttgen weiß: Ziemiak im Januar noch zu ersetzen, wäre zu riskant. Auch Demuth sagt: „Das wäre nicht verantwortlich.“

Sollte Röttgen gewählt werden, würde Demuth nun stattdessen seine Chefstrategin. Doch viel Zeit ist nicht mehr bis zum Parteitag. Röttgen hofft, bei den Frauen in der CDU punkten zu können, die auf dem Parteitag ein Drittel der Delegierten stellen. 2018 hatten sie mehrheitlich für Annegret Kramp-Karrenbauer gestimmt.

Röttgen bekannte sich früh zur Frauenquote

Auch Röttgen hat sich früh zur Frauenquote in der CDU bekannt. Sein Kampagnenmotto: „Weiblicher. Jünger. Digitaler.“ Demuth soll das verkörpern und in ihrem Netzwerk für Röttgen werben. Mit der Verkündung der Personalie nah am Parteitag, wollte er offenbar sicher gehen, dass der Effekt nicht verpufft. „Ich glaube, die Frauen könnten wieder einen sehr starken Ausschlag geben“, sagt Demuth. Aber reicht das? Bislang meinen nicht viele, dass es Röttgen wirklich schaffen kann.

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Einen Parteivorsitzenden Merz will Demuth sich jedenfalls nicht vorstellen. Vor ein paar Wochen setzte sie einen gepfefferten Tweet in Richtung des Sauerländers ab. Jetzt verteilt Demuth ihre Seitenhiebe lieber subtil – gerne verknüpft mit einem Lob für Röttgen. „Nach seiner Entlassung als Umweltminister hat sich Herr Röttgen wieder hochgekämpft. Andere verlassen das Spielfeld und sind jahrelang verschwunden“, sagt sie zum Beispiel. Oder: „Natürlich gibt es Gruppen in der CDU, die sich die Politik aus den 90ern zurückwünschen. Aber die meisten Delegierten wissen, dass wir das größte Wählerpotenzial in der Mitte der Gesellschaft haben.“

Demuth ist überzeugt, dass Röttgens Kommunikation auf den letzten Metern die Dynamik im Rennen um den Parteivorsitz noch einmal stark beeinflussen kann. An diesem Montagabend stellt er sich gemeinsam mit Merz und Laschet in einem digitalen Talkformat den Fragen von CDU-Mitgliedern. Demuth will das am Bildschirm verfolgen. Viele von Röttgens Botschaften werden auch ihre sein.

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