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In diesen Flaschen soll sich das Wasser mit Nowitschok befunden haben.
© Instagram @NAVALNY/Social Media via REUTERS
Update

Nawalnys Team zur Vergiftung: „Die Flasche war wohl nicht die Quelle des Giftes“

Der russische Oppositionelle Nawalny hat seinem Team zufolge aus einer Flasche getrunken, an der Spuren des Giftes gefunden wurden. Später kollabierte er.

Kreml-Kritiker Alexei Nawalny ist seinem Team zufolge in seinem Hotelzimmer in der sibirischen Stadt Tomsk vergiftet worden. Dort habe sich eine Wasserflasche befunden, auf der später Spuren des Nervengiftes Nowitschok gefunden worden wären, hieß es zu einem am Donnerstag auf Nawalnys Instagram-Konto verbreiteten Video.

Aber: „Die Flasche war wohl nicht die Quelle des Giftes“, sagte Georgij Alburow, ein Mitarbeiter aus Nawalnys Antikorruptionsstiftung, am Donnerstagabend auf dessen Youtube-Kanal. „Nawalny hat nur daraus getrunken, später wurden dann Spuren des Giftes auf der Flasche gefunden.“

Georgij Alburow und weitere Mitarbeiter hatten das Zimmer des Kreml-Kritikers durchsucht, nachdem sie von dessen Vergiftung erfahren hatten. „Unser erster Gedanke war: Er ist vergiftet worden. Aleksej ist ein sehr gesunder Mensch, der fällt nicht einfach so ins Koma“, sagte Alburow. Die Plastikflasche, auf der später Nowitschok-Spuren nachgewiesen werden konnten, sei nun der Beweis dafür, dass Nawalny im Hotel vergiftet wurde. Sein Team habe versucht, die Aufzeichnungen der Überwachungskameras zu sichten, was die Hotelleitung untersagte. Alburow kritisierte: „Die Polizei hat jeden Schritt von Aleksei Nawalny überwacht und nun haben sie auch die Videos der Überwachungskameras aus dem Hotel. Und was machen sie damit? Nichts.“

Für Nawalnys Team ist nun erwiesen, dass Nawalny bereits vergiftet wurde, bevor er das Hotel in Tomsk verlassen habe. Moskau hatte zuletzt angesichts der Vorwürfe eines Mordanschlags behauptet, Nawalny sei womöglich erst nach seiner Abreise vergiftet worden. Der Kreml betonte mehrfach, dass russische Ärzte keine Vergiftungssymptome hätten feststellen können.

Der russische Oppositionelle kollabierte am 20. August auf einem Inlandsflug, der in Tomsk startete. Er wurde anschließend zur Behandlung nach Berlin geflogen.

Während russische Behörden nach eigener Darstellung bei Nawalny keinen Giftstoff gefunden haben, stellte eine von der Berliner Charité in Auftrag gegebene Analyse bei einem spezialisierten Bundeswehrlabor nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel "zweifelsfrei" ein Gift der Nowitschok-Gruppe fest. Dieses Gift sei auch an einer Wasserflasche aus dem Hotelzimmer gefunden worden, schreibt das Team um Nawalny.

Nawalnys Mitarbeiter sammelten Beweisstücke

Das ist der Wortlaut des Statements von Nawalnys Team auf Instagram:

"Woher kommt die `Unglücksflasche´? Lassen Sie uns erklären, woher sie stammt, nachdem man uns pausenlos Fragen stellt. Die so genannte `Flasche mit Nowitschok`, also eine gewöhnliche Plastikflasche mit Wasser, auf der ein deutsches Labor später Spuren eines Kampfstoffes fand. Die Flasche ist aus dem Zimmer des Tomsker Hotels, in dem sich Nawalny und unser gesamtes Team aufhielten.

Wir gehen zurück zum 20. August. An diesem Tag flog ein Teil unseres Teams nach Moskau, und ein Teil blieb in Tomsk, um ein Video fertigzustellen. Während des Fluges verlor Alexei das Bewusstsein und begann nach Luft zu schnappen, das Flugzeug musste notlanden. Umgehend erfuhren Mitarbeiter, die in Tomsk geblieben waren, von dem Vorfall. In diesem Moment wurde das einzig Mögliche getan. Sie riefen einen Anwalt, gingen in den Raum, den Nawalny zuvor bewohnt hatte und begannen, alles, was sie dort vorfanden, einzusammeln, zu beschreiben und zu verpacken. Einschließlich der Flaschen mit dem Hotelwasser.

Wie das von statten ging, könnt ihr im Video sehen. Es gab nicht viel Hoffnung, so etwas zu entdecken. Da uns aber absolut klar war, dass Nawalny nicht nur ´ein bisschen krank` geworden war, nicht `überhitzt´ war und Rafaello uns hier nicht helfen würde, wurde beschlossen, alles, was wenigstens hypothetisch in irgendeiner Weise nützlich sein könnte, den Ärzten in Deutschland zu geben.

Die Tatsache, dass der Fall auch in Russland nicht untersucht werden würde, war ganz offensichtlich. Und so kam es: Ein Monat ist vergangen und Russland hat die Vergiftung Alexeis nicht anerkannt. Zwei Wochen später fand ein deutsches Labor auf genau dieser Flasche aus dem Tomsker Hotelzimmer Spuren von Nowitschok. Und danach haben nochmal drei Labors, die Analysen vornahmen, bestätigt, dass Nawalny damit vergiftet wurde. Jetzt verstehen wir: Es passierte, bevor er sein Zimmer verließ, um zum Flughafen zu fahren."
Hier sehen Sie das Video, das die Szenen im Hotelzimmer in Tomsk zeigt:

Aus Nawalnys Umfeld war eine Beteiligung russischer Ermittler an Befragungen zuvor bereits ausgeschlossen worden. Erneut forderte die Bundesregierung Moskau auf, die Vergiftung Nawalnys mit einem verbotenen Chemiekampfstoff zu erklären „und zwar umgehend“, wie es die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte.

Nawalny wird seit dem 22. August in der Charité behandelt. Er lag wochenlang im künstlichen Koma. Mittlerweile geht es ihm besser.

OPCW-Chemiewaffen-Experten untersuchen Nawalny-Proben

Zur Klärung der Vorgänge lässt auch die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) jetzt biomedizinische Proben des mutmaßlich Vergifteten von Experten untersuchen und wird die deutschen Behörden über die Ergebnisse unterrichten. Das teilte die in Den Haag ansässige Organisation am Donnerstag mit.

Für die Untersuchungen durch das technische Sekretariat der OPCW habe ein eigenes Expertenteam unabhängig Proben Nawalnys gesammelt, teilte die Organisation weiter mit, der auch Russland angehört.

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Die OPCW war von der Bundesregierung eingeschaltet worden, die es eigenen Angaben zufolge nach Untersuchungen in einem Spezial-Labor der Bundeswehr als zweifelsfrei erwiesen ansieht, dass Nawalny mit dem militärischen Kampfstoff Nowitschok vergiftet wurde. Auch Speziallabore in Frankreich und Schweden hatten einen Nervengift-Kampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe als Ursache der Vergiftung festgestellt.

Die Bundesregierung hatte erklärt, die Vergiftung sei kein Fall zwischen Deutschland und Russland, sondern ein Verstoß gegen das Chemiewaffenabkommen. Für dessen Kontrolle ist die OPCW zuständig. (rtr/dpa)

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