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Bleiben die Briten in der EU?
© Reuters

Internationale Umfrage: Die Europäer wollen ihre Union

In fast allen EU-Ländern gibt es keine Mehrheit für einen Austritt des eigenen Landes aus der Gemeinschaft – die einzige Ausnahme ist Großbritannien.

Das europäische Schiff ist in rauer See. Nicht erst jetzt, die Europäische Union steckt schon seit einem halben Jahrzehnt im Krisenmodus. Erst die Weltfinanzkrise mit dem massiven Einbruch des Wirtschaftswachstums, welche vor allem die Länder mit Immobilienblasen hart traf, also Großbritannien, Irland und Spanien. Dann die Euro-Krise, die die Süd-Länder schüttelte – und in der Folge den gesamten Euro- Raum. Schließlich die Flüchtlingskrise, die sich schleichend seit Jahren aufgebaut hat und 2015 kulminierte. Die EU lebt in harten Zeiten, ihre Institutionen sind stärker gefragt denn je. Doch viele Europäer schauen mit Skepsis nach Brüssel. Der Rückzug auf das Nationale scheint sich im vorigen Jahr verstärkt zu haben. Parteien, die nationale Lösungen propagieren, waren auf dem Vormarsch – links wie rechts. In Polen Jaroslaw Kaczynskis rechte PiS, in Spanien die linke Kraft Podemos. Auch Alexis Tsipras’ Syriza ist linksnationalistisch. In Dänemark siegte der rechte Block, die Liberalen sind von der rechtspopulistischen Volkspartei abhängig. In Großbritannien gewannen die konservativen Brüssel-Skeptiker die Wahl. Nun kommt es zu dem von Premier David Cameron versprochenen Referendum über den EU-Verbleib.

Eigentlich sind das Signale für eine Abkehr von der Europäischen Union. Aber wollen die europäischen Völker das wirklich? Eine breit angelegte Umfrage des britischen Instituts ORB International in 14 EU-Ländern zeigt, dass es fast durchweg Mehrheiten für den Verbleib in der Union gibt. Insgesamt sogar mit einer recht beeindruckenden Zweidrittelmehrheit: 68 Prozent der Befragten, die sich eindeutig äußerten (also ohne die Weiß-nicht-Stimmen), würden in einem Referendum dafür votieren, dass ihr Land die EU nicht verlässt. Die Austrittsbefürworter kommen auf insgesamt 32 Prozent. Zählt man die Unentschiedenen mit, so kommt man auf ein Verhältnis von 64 zu 30. Allerdings sind Polen und Ungarn mit ihren besonders nationalistischen Tendenzen in der Umfrage nicht vertreten.

Große Zustimmung auch in Deutschland

In 13 der Länder, in denen ORB Anfang Dezember die repräsentativen Daten erhoben hat, überwiegen die Anhänger einer EU-Mitgliedschaft. Die Bandbreite reicht von 82 Prozent in Bulgarien bis 58 Prozent in Italien. Hohe Pro-EU-Quoten gibt es auch in Spanien (79 Prozent) und Irland (78 Prozent), also in Ländern, die trotz aller Sparmaßnahmen der letzten Jahre insgesamt stark von der EU profitiert haben. Die Austrittsbereitschaft wiederum ist in Schweden und Dänemark mit etwa 40 Prozent am stärksten, zwei Wohlstandsnationen also. Am deutlichsten in Richtung Austritt hat sich die Stimmung in Italien verschoben: Dort würden jetzt 42 Prozent die EU verlassen, gegenüber 25 Prozent in der Umfrage ein Jahr zuvor. In Deutschland sprachen sich 72 Prozent für den Verbleib aus, 28 Prozent dagegen.

Das einzige Land der EU, in dem die Austrittsbefürworter die Mehrheit haben, ist Großbritannien: 54 Prozent der entschiedenen Befragten sind dort laut ORB dafür, dass das Vereinigte Königreich die EU verlässt. 46 Prozent sind für den Verbleib. Allerdings ist die Quote der Unentschiedenen mit 21 Prozent sehr hoch, weshalb noch nicht ausgemacht ist, wie sich die Briten am Ende tatsächlich entscheiden werden. Das von Cameron eingeleitete Referendum soll 2016 oder spätestens 2017 stattfinden. Der verantwortliche ORB- Manager Johnny Heald sagte, Großbritannien sei das „schwarze Schaf“ in der Familie. Jetzt komme es auf Camerons Verhandlungen mit seinen EU-Kollegen, an, um den „Brexit“ zu vermeiden.

Aber Skepsis wächst

Völlig spurlos ist Europas Krise jedoch nicht. Denn die Zahl derer, die sich 2015 weniger als Europäer fühlten als zuvor, ist gewachsen: 28 Prozent bezeichneten sich als weiter von Europa entfernt, während 17 Prozent in allen 14 Ländern sagten, sie fühlten sich Europa näher als ein Jahr zuvor. 55 Prozent gaben an, keinen Unterschied in ihrer Haltung zu Europa festzustellen. Am stärksten gewachsen ist die Europa-Skepsis, wenn man das so nennen will, in Griechenland, wo 60 Prozent sagten, sie hätten sich ein Jahr zuvor Europa näher gefühlt. Eine stärkere Tendenz weg von Europa zeigten auch die Italiener, Belgier, Briten, Niederländer und Franzosen mit Werten zwischen 39 und 31 Prozent. In Deutschland fühlten sich 19 Prozent stärker zu Europa hingezogen, 25 Prozent meinten, weniger europäisch zu denken als 12 Monate zuvor.

Der Euro ist übrigens in den Ländern, die ihn als Währung haben, mehrheitlich akzeptiert. Die Zustimmung ist in Finnland und Irland mit 60 Prozent und mehr am höchsten. In Deutschland befürworten 55 Prozent die Gemeinschaftswährung. Nur in Italien gibt es knappe relative Mehrheiten gegen den Euro: 44 Prozent der Griechen und 47 Prozent der Italiener lehnen ihn ab. In den Nicht-Euro-Ländern gibt es dagegen große Mehrheiten für die nationale Währung, am stärksten in Großbritannien mit 83 Prozent. Etwas kurios ist hier das Ergebnis in Dänemark: 75 Prozent der Dänen wollen ihre Krone behalten, die freilich seit 1999 in einem festen Wechselkurs an den Euro gebunden ist – praktisch hat Dänemark damit den Euro, die Geldpolitik des Landes folgt der Europäischen Zentralbank und damit dem Euro-Raum.

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