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Sarah Sanders und Präsident Donald Trump am Donnerstag (Ortszeit).
© Kevin Lamarque/Reuters

Trumps Sprecherin Sanders geht: Die es mit den Fakten nicht so genau nimmt

Sie hat das schlechte Klima zwischen Medien und Weißem Haus maßgeblich mit geprägt. Nun hört Trumps Vertraute Sanders auf. Eine Analyse.

Man kann sich vorstellen, wie ein reguläres White House Press Briefing bei der Nachrichtenlage verlaufen wäre. Sofern es diese täglichen Informationen für die Medien im Presseraum der US-Machtzentrale noch gäbe. Donald Trump hat angekündigt, dass er "Informationen aus dem Ausland über meine Gegner" – gemeint ist schmutzige Wahlkampfmunition – selbstverständlich verwenden würde. Und dass Sarah Huckabee Sanders, seine loyale Sprecherin, ihren Job aufgibt.

Trump hat sie mit einem herzlichen Tweet verabschiedet, der unfreiwillig zeigt, welche Herausforderung es ist, für diesen Präsidenten zu sprechen und seine Kommunikation zu erklären. "Nach dreieinhalb Jahren wird unsere wundervolle Sarah Huckabee Sanders das Weiße Haus zum Ende des Monats verlassen und in ihren großartigen Heimatstaat Arkansas zurückkehren."

Dreieinhalb Jahre im Weißen Haus? Trump ist im Januar 2017 dort eingezogen, vor nicht ganz zweieinhalb Jahren. Sprecherin ist Sanders seit 23 Monaten, davor arbeitete sie im Team ihres unglücklich agierenden Vorgängers Sean Spicer. In einem Presse-Briefing am Folgetag, das kann sich jeder vorstellen, der mit den früheren Abläufen vertraut ist, hätten Fragen zur Wahlkampfmunition aus dem Ausland und zur Kriegsgefahr im Persischen Golf nach den Angriffen auf zwei Handelsschiffe dominiert.

Aber die Sprecherin wäre auch mit Nachfragen konfrontiert worden, wie man denn den Tweet des Präsidenten einzuordnen habe. Hat er sich vertippt? Kommt ihm die Zeit im Weißen Haus so lang vor, dass er sich um ein ganzes Jahr vertut? Hat sie mit ihm über den Fehler gesprochen – und was sagt er dazu? In immer neuen Varianten hätten die White-House-Reporter versucht, an ein Zitat zu kommen, aus dem sich eine Geschichte machen lässt.

Gewiss doch, viele hätten so eine Story vermutlich gerne in der Zeitung gelesen oder im Radio gehört. "Haste schon gehört, was der Trump da wieder von sich gegeben hat?" Einerseits. Andererseits hat der Trend, solchen Geschichten eine ähnliche Bedeutung beizumessen wie den News von weit größerer Tragweite – Kriegsgefahr am Golf, fragwürdige und womöglich illegal beschaffte Munition für den nächsten Präsidentschaftswahlkampf – zu der Entscheidung des Weißen Hauses beigetragen, für diese Art Briefings nicht die Zeit der Sprecherin zu opfern. Sie soll sich statt dessen gezielt um die Nachfragen von Medien kümmern, die aus Sicht der Regierung mehr Substanz und Seriosität haben.

Die an eine Abschaffung grenzende Ausdünnung der offiziellen Pressefragestunde – die "New York Times" formuliert: "Mrs. Sanders effectively killed the daily briefing" – wird untrennbar mit ihrem Namen verbunden bleiben. Früher gab es an den meisten Tagen die White House Press Briefings. Sie bestimmten den politischen Nachrichten-Rhythmus in Washington. Sie fielen aus, wenn der der Präsident eine Rede hielt. "Message Control": Kein anderer Auftritt eines Regierungsvertreters sollte davon ablenken. Oder wenn er auf Reisen war und der Sprecher mit ihm.

"Gott hat gewollt, dass Donald Trump Präsident wird"

Nach den chaotischen und konfrontativen Erfahrung mit Trumps erstem Sprecher Spicer war das White House Press Corps zunächst erleichtert, als Sanders im Juni 2017 übernahm. Sie gewann Respekt mit ihrer ruhigen und umgänglichen Art. Doch bald verschlechterten sich die Beziehungen auch zu ihr wieder, weil Trump die Medien regelmäßig beschimpfte und sie loyal zu ihm und seinen Worten stand. Sanders war nicht nur Sprecherin. Sie wurde zu einer seiner engsten Vertrauten und zu einer Beraterin. Unvergessen ist ihre Interview-Äußerung: "Gott hat gewollt, dass Donald Trump Präsident wird."

Mehrfach nahm sie es mit der Faktentreue nicht so genau. Sie behauptete, zum Beispiel, im FBI gebe es ganz viele, die Trumps Entscheidung, FBI-Direktor James Comey zu feuern, begrüßten. Als die Medien nachfragten, konnte sie das nicht belegen. In der Kongress-Untersuchung der Umstände nahm sie die Aussagen ganz zurück. Sie habe sich im Eifer des Gefechts versprochen.

In einem anderen Briefing stritt sie weiter ab, dass Trump die 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels bezahlt habe, damit die über ihre angebliche Affäre mit ihm schweige. Dabei hatte Trump das inzwischen zugegeben. Es ist offenbar nicht ganz leicht, bei diesem Präsidenten, der immer wieder seine Darstellungen ändert, auf dem Laufenden zu bleiben, welche Variante einer Story gerade die offiziell gültige ist.

Die Vorfälle kratzten an Sanders Glaubwürdigkeit

Und dann stand Sanders im Zentrum des Dramas um CNN-Reporter Jim Acosta. Das Weiße Haus hatte ihm nach einem offensiven Auftritt in einer Trump-Pressekonferenz die Akkreditierung entzogen. Ein Richter entschied, er müsse sie zurück erhalten.

Dies alles kratzte an Sanders Glaubwürdigkeit. Doch wenn die meist selbstsicher und mitunter auch selbstgerecht auftretenden White-House-Reporter nach ihrer "Credibility" fragten, ging sie meist zum Gegenangriff über: In den Augen der Bürger sei sie vertrauenswürdiger als die Medienvertreter.

Die hitzigen Wortgefechte im Presseraum nahmen zu, die Regelmäßigkeit der Briefings ab. Zur Jahreswende 2018/19 gab es 41 Tage ohne Briefing, im Februar/März 42 Tage. Am Donnerstag setzte Sanders mit 94 Tagen einen neuen Rekord.

Gelegenheit zu Fragen ergaben sich nur noch zufällig und meist unter provisorischen Bedingungen unter freiem Himmel auf dem Zufahrtsweg an der Nordseite des Weißen Hauses. Dort stehen die Fernsehkameras der großen Sender auf einem Rasenstreifen, und dort fingen Reporter Sanders ab auf dem Weg zur Kamera von Trumps Lieblingssender "Fox News" ab, dem einzigen, dem sie regelmäßig Rede und Antwort stand.

Wer auf sie folgt, hat Trump noch nicht gesagt

Wer für ihn sprechen soll, wenn Sanders Ende Juni geht, hat Trump noch nicht gesagt. Vermutlich sucht er noch. Auch der Posten des Kommunikationsdirektors ist nicht besetzt. Es gibt zwar einige, die so einen Job im Rampenlicht reizvoll finden. Aber die Erfahrungen der Vorgänger, von denen einige nur wenige Wochen aushielten, schrecken ab. Von der zeitlichen und physischen Belastung nicht zu reden.

Die 36-jährige Sanders sagt, sie brauche mehr Zeit für ihre Familie und ihre Kinder. "Es gibt keinen wichtigeren Job als den einer Mutter." Trump hat ihr nachgerufen, sie solle sich um das Amt des Gouverneurs in ihrem Heimatstaat Arkansas bewerben. Das hatte schon ihr Vater Mike Huckabee von 1996 bis 2007 inne. Derzeit ist der Posten aber besetzt bis 2022. Die Republikanerin Asa Hutchinson ist eben erst für eine zweite Amtszeit gewählt worden.

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