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Aufschlagen, reinlesen - von Donnerstag bis Sonntag ist das in den Leipzig wieder Hauptmotto.
© dpa

Leipziger Buchmesse: Die Entspanntheit der Bücherbranche macht Hoffnung

Ob es um das Verhältnis Analog-Digital geht oder um das von Sprache und Gesellschaft: Die Buchmesse ist ein Seismograf für die Stimmung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Als vergangene Woche die Londoner Buchmesse stattfand, war dort die Stimmung  gedämpft. Der Grund, natürlich: der Brexit, der der britischen Buchbranche schwer zu schaffen macht. Sie fürchtet um den Verlust ihrer Exporte, um ihre Spitzenposition auf dem europäischen Markt, gerade im Wettkampf mit den USA, und damit um viele ihrer 70.000 Arbeitsplätze.

Im Vergleich dazu müsste die Leipziger Buchmesse, die an diesem Mittwochabend traditionell im Gewandhaus der sächsischen Metropole eröffnet wird, eine ruhige, harmonische, stimmungsvolle Veranstaltung werden. In ihrem Mittelpunkt: die Bücher, die Autoren und Autorinnen, die Preise, die sie verliehen bekommen, so wie am Eröffnungsabend die russisch-amerikanische Journalistin Masha Gessen den Leipziger Buchpreis für europäische Verständigung.

Doch trügt in Leipzig das bunte Wimmelbild, das die Messestände mit ihren Buchregalen und spätestens am Messefreitag die Manga-Jugendlichen in ihren Fantasy-Uniformen zeigen. Die deutsche Buchbranche befindet sich nicht anders als die britische in einem starken Wandel, auch ohne Brexit. Sie steht unter ökonomischen Druck, denn so langsam macht sich die schrumpfende Leser- und Leserinnenschaft auf dem Markt bemerkbar.

Der Medienlieferant KNV ist insolvent, aber trotzdem da

Dabei scheint die Branche die strukturellen Veränderungen durch die Digitalisierung gut im Griff zu haben. Analoges wie digitales Geschäftsgebaren führen eine recht friedliche Ko-Existenz, und niemand hat mehr Angst davor, dass das gedruckte Buch bald zum Auslaufmodell wird. Kontrovers diskutiert allerdings wird das Ende März zur Abstimmung stehende EU-Leistungsschutzrecht.

Es sieht vor, dass die Urheber beteiligt werden an den Gewinnen digitaler Giganten wie Google, Facebook und Co, dass ihre Hervorbringungen nicht beliebig und für umsonst auf deren Plattformen gestellt, geteilt oder verlinkt  werden dürfen. Was wiederum die Gegner der Novelle auf die Barrikaden bringt, sehen sie doch das freie Internet bedroht.

Unmittelbarer und härter trifft die Branche im Moment die Insolvenz der KNV-Gruppe. KNV ist der größte Buch- und Medienlieferant in Deutschland und fungiert als Scharnier zwischen Verlagen und Buchhandel, als Zwischenhändler. Gerade kleine und mittlere Verlage machen sich Sorgen um ihre schon ausgelieferten Chargen und die nun fehlende Vergütung, was wiederum noch so manche Insolvenz nach sich ziehen könnte.

Dass die Gruppe auch auf der Messe vertreten ist, lässt sich als positives Signal deuten –  tatsächlich ist niemand in der Branche daran gelegen, dass KNV vom Markt verschwindet. Verlieren würden alle, auch das Lesepublikum. Es müsste sich wieder daran gewöhnen, ein paar Tage länger auf Buchlieferungen zu warten, gerade wenn es der gut sortierten Buchhandlung in der Nachbarschaft sein Vertrauen schenkt (und eben nicht Amazon).

Der heißeste Kulturkampf dreht sich um Sternchen

Ein Reizthema in den Leipziger Messetagen und überhaupt in den nächsten Jahren dürfte überdies die geschlechtergerechte Sprache sein, nicht zuletzt durch den zweifelhaft-ungeschickten, alarmistischen, voller Ausrufezeichen steckenden Aufruf des auf der Messe ebenfalls vertretenen „Vereins deutscher Sprache“, nun müsse „endlich Schluss mit dem Gender-Unfug!“ sein.

Der Widerspruch kam sofort, und das gewissermaßen naturgemäße Ringen um sprachliche Gendergerechtigkeit entwickelte sich umgehend zum symbolpolitischen Kulturkampf.  Schriftstellerinnen wie Judith Hermann, Angelika Klüssendorf oder Katja Lange-Müller wurde wegen ihrer Unterschrift unter den Aufruf von der anderen Seite gleich AfD-Nähe attestiert, weil einige der männlichen Unterzeichner des VDS-Aufrufs sich im Umfeld dieser Partei ganz wohl fühlen.

Gut nur, dass man gerade in der Verlagsszene eine gewisse Entspanntheit an den Tag legt, auf Ausgleich bedacht ist und vor allem die  Autoren und Autorinnen entscheiden lässt – immer in dem Bewusstsein, dass Sprache sich sowieso laufend verändert, ohne irgendwelchen Einhalt gebietenden Aufrufe, und dabei viele andere Kräfte mitwirken. Die harten Bandagen, mit denen der Streit um die gendergerechte Sprache ausgefochten wird, passen jedoch zum stetig rauer werdenden gesellschaftlichen Klima und seinen Erschütterungen. Die wiederum die Leipziger Buchmesse, das gehört zu ihrem Wesen, wie ein Seismograf registrieren wird.   

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