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Die Angst, dass Gorleben doch noch zum Atomendlager werden könnte, oder es eben nicht mehr werden könnte, blockiert die Endlagerkommission bei ihrer Suche nach Kompromissen.
© Kay Nietfeld/dpa

Streit um das Atomendlager: Die Energiekonzerne blockieren Kompromisse in der Endlagerkommission

Kurz vor dem Ende des Mandats der Endlagerkommission brechen alte Konflikte wieder auf. Die Atomkonzerne pokern bis zum Schluss. Aber auch sonst tut sich die Kommission mit ihrem Abschlussbericht schwer.

Zwei Jahre lang hat die Endlagerkommission in zeitraubenden Debatten versucht, Einigkeit über ein neues Suchverfahren für einen Endlagerstandort für hochradioaktiven Atommüll zu erzielen. Kurz vor dem Abschluss des Kommissionsmandats, das Ende Juni endet, tut sich die Kommission mit dem Abschlussbericht sichtlich schwer. Am Mittwoch fand die laut Plan viertletzte Sitzung statt. Nicht nur der Ko-Vorsitzende Michael Müller (SPD), der kurz vor Schluss die Gorleben-Frage lösen wollte, tut sich schwer. Die Vertreter der Energiekonzerne in der Kommission sind offenbar auch nicht auf Kompromisse aus.
Zunächst haben Gerd Jäger (RWE) und Bernhard Fischer (Eon) die Debatte über eine konkrete Definition, was für ein Endlager denn gefunden werden soll, verweigert. Die Formulierung „bestmögliche Sicherheit“ wollten die beiden Konzernvertreter in der Kommission nicht mittragen, weil sie befürchteten, damit eine vergleichende Suche auszulösen, für die ihre Unternehmen nicht aufkommen wollen. Nachdem der einstimmig beschlossene Abschlussbericht der Rücklagenkommission (KfK) vorliegt, und sich das Kabinett den Vorschlag der KfK zu eigen gemacht hat, bewegen sich die Konzernvertreter dennoch nicht. Denn RWE will den gefundenen Kompromiss nicht akzeptieren, wonach die Konzerne für den Rückbau ihrer Atomkraftwerke verantwortlich sind und zudem einen festgelegten Betrag samt Risikozuschlag in einen Fonds einzahlen müssen, aus dem der Bund dann Suche und Bau eines Atomendlagers finanziert.
Die Konzernvertreter blockierten in der Debatte über den Abschlussbericht der Endlagerkommission aber auch zwei Monate lang eine Formulierung, wonach die Kommission einen „Neustart“ bei der Endlagersuche für nötig hält. Die Kompromissformel lautet nun so, dass der Neustart auf das Standortauswahlgesetz von 2014 bezogen wird.

Keine Anträge auf Einlagerung der Castoren aus Frankreich und England

Aber nicht nur in der Kommission selbst blockiert die Energiewirtschaft die für einen Endlagerkonsens notwendigen Kompromisse. Selbst bei dem einen Thema, bei dem die Endlagerkommission sich selbst als ziemlich erfolgreich eingeschätzt hat, der Neuordnung der Zuständigkeiten bei der Endlagersuche, stockt die Umsetzung. Im Dezember 2015 hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) für das erste Halbjahr 2016 die Gründung einer bundeseigenen Gesellschaft für Endlagerung (BGE) angekündigt. Bisher werden die Bergbauarbeiten von der bundeseigenen Asse GmbH und einer Gesellschaft im Besitz der Energiekonzerne DBE ausgeführt. Diese beiden Gesellschaften sollen in Bundesträgerschaft zusammengeführt werden. Doch nach bis zu 18 Gesprächen zwischen dem Umweltministerium und den Konzernen, die Umweltstaatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) in ihrer Antwort auf eine Anfrage der grünen Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl aufführt, gibt es nach wie vor keine BGE. Kotting-Uhl sagte dem Tagesspiegel: „Die schon längst und in seltener Einigkeit beschlossene Neuorganisation der Zuständigkeiten liegt seit Monaten wegen der Akw-Betreiber auf Eis. Dass ihnen die Mehrheit der bisherigen Endlagerfirma DBE gehört, wird knallhart dafür genutzt, das Verfahren zur Neuordnung in Geiselhaft zu nehmen.“ Womöglich ist da aber eine Einigung nahe: Das Thema steht offenbar auf der Tagesordnung des Kabinetts am 22. Juni.
Und noch etwas ärgert Kotting-Uhl. Obwohl ebenfalls schon im Dezember 2015 ein Kompromiss zwischen Hendricks und den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern über die Rücknahme der Castor-Behälter aus den Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) vereinbart worden ist, haben die Atomkonzerne noch keinen einzigen Antrag auf Einlagerung gestellt. In einer aktuellen Antwort auf eine Frage Kotting-Uhls heißt es: „Bislang liegt dem für die Genehmigung zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz allerdings kein Antrag eines Energieversorgungsunternehmens vor.“ Die Endlagerkommission hat noch vier Sitzungen, um den Gordischen Atomknoten zu durchschlagen.

Dagmar Dehmer

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