Horst Seehofer gegen Angela Merkel: Die CSU will Merkel jetzt ganz bestimmt stürzen
So weit hätte es nicht kommen müssen. Horst Seehofer ist bereit, aufzugeben, als Innenminister und CSU-Chef – und die Union steht Kopf. Ein Kommentar.
Nichts ist mehr wie vorher, nichts wird mehr wie gestern noch sein. Selbst wenn es aussieht wie eine Befreiung für Angela Merkel, es wird nicht geringe Teile der Union geben, in CDU und CSU, die der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden diese Entwicklung übel nehmen. Und Seehofer wird diese Sichtweise befördern.
War es nicht er mit seinem Beharren auf Änderungen der Flüchtlingspolitik à la Merkel, der sie erst möglich gemacht hat? War es nicht er mit seiner klaren Ansage seit Monaten, wenn nicht gar Jahren, der Deutschlands politische Führung von ihrem Romantizismus abbringen wollte und letztlich konnte? So wird Seehofer das sehen und so auch sagen.
Richtig ist, dass die Ergebnisse der Kanzlerin auf dem EU-Gipfeltreffen ganz nach CSU-Politik klingen. Mehr Schutz der Außengrenzen, Regeln für private Retter, Lager für Flüchtlinge in Nordafrika, Lager in Südeuropa, Kampf gegen das Weiterreisen von Migranten. Europa soll Festung werden. Die CSU könnte jubeln. Das hat ein CDU-Grande wie Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier auch schon erklärt, bevor Seehofer eine unauflösliche Konfliktsituation mit seinem Rücktrittsangebot auflösen wollte.
Standhaftigkeit geht anders
Was im Widerspruch zum Jubel steht: Die Gipfelvereinbarungen sind vage, es muss verhandelt und nachverhandelt werden, weil weder die Südeuropäer noch die Osteuropäer schon auf Deutschlands Seite sind. Dass die Grenzen schwieriger zu überwinden sein sollen, ist ein Vorsatz; ein genauer Plan ist das noch nicht. Oder vielmehr erst dann, wenn alle das machen, was angedacht ist, auch Länder wie Marokko, in denen Lager eingerichtet werden sollen. Die Außengrenzen besser zu schützen, wird nicht ohne Ausweitungen der Grenzschutztruppe Frontex zu bewerkstelligen sein. Will sagen: In Summe geht es jetzt ums detaillierte Ausfüllen des Gewünschten – des von Merkel auf Druck der CSU Gewünschten.
Bei alledem kann sie nicht einmal wie Seehofer von sich behaupten, sich selbst treu geblieben zu sein. Standhaftigkeit geht anders. Ihre Politik ist das nicht, die jetzt vorangetrieben wird. Die Kanzlerin der Herzen – das war einmal. Das Sommermärchen – lange vorbei. Auch Merkel steht inzwischen dafür, Europa zur Festung zu machen. Und je lauter die CSU wurde, je drängender, desto härter wurden auch ihre Ansagen. Sie wirkte wie eine Getriebene, gab nach und nach, und die CSU ließ auch darum nicht mehr locker.
Dass die Kanzlerin nun beispielsweise auch noch Ungarns Premierminister Viktor Orban empfangen will, dessen Kurs sie anfänglich strikt abgelehnt hat, spricht Bände. Hat die CSU, voran Seehofer, nicht immer gesagt, dass dieser Orban Europa nicht schade, sondern helfe? Fehlt nur noch, dass Merkel das demnächst auch noch sagt.
Stand heute: Die Kanzlerin hat noch nicht mehr gewonnen als ein wenig Zeit. Die CSU, vielleicht bald ohne Seehofer, ist gewiss nicht weniger entschlossen, sich durchzusetzen; und eine CSU nach Seehofer könnte sich sogar entschließen, Merkel bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit dann aber wirklich zu stürzen. Denn ihre Parteivorderen werden sagen, dass ihre Unbelehrbarkeit die Union in diese Krise gestürzt hat. Wie also nennen, was Merkel errungen hat? Am ehesten wohl: einen Pyrrhussieg.